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Lobbying im Parlament
Gesetz gegen Lobby-Filz kurz vor dem Absturz

Gut bezahlte Nebenjobs: Die Ständeräte Erich Ettlin (Die Mitte) und Josef Dittli (FDP) haben Krankenkassenmandate, Beat Rieder (Die Mitte) will sie ihnen verbieten. Daneben Benedikt Würth (Die Mitte) (von rechts nach links).
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Es wäre eine Revolution in der Schweizer Politik. Der Revolutionsführer: Beat Rieder, Mitte-Ständerat aus dem Wallis. Sein Plan: Nationalrätinnen und Ständeräte sollen keine bezahlten Mandate mehr annehmen von Verbänden und Firmen, die von den Entscheiden ihrer Kommissionen betroffen sind. Mit anderen Worten: Rieder will das viel kritisierte «Parlamentarier-Shopping» unterbinden.

Der Begriff bedeutet, dass Lobbyverbände und Firmen die Mitglieder wichtiger Parlamentskommissionen mit gut bezahlten Mandaten an sich binden. Der Begriff ist aber auch so zu verstehen, dass die Parlamentarier für sich selber attraktive Nebenjobs «shoppen».

In den Gesundheitskommissionen ist dieses Phänomen am ausgeprägtesten. Viele der dort einsitzenden Parlamentarier sind über bezahlte Mandate mit Interessengruppen verbandelt – etwa mit Krankenkassen, Spitälern, Pharmafirmen, Apothekern, Ärzte- oder Spitex-Verbänden.

Nur noch drei Ausnahmen

Nur drei Beispiel unter vielen: Als der FDP-Ständerat Damian Müller in der Gesundheitskommission Einsitz nahm, bekam er in kürzester Zeit drei bezahlte Pöstchen im Gesundheitssektor offeriert – von der Krankenkasse Groupe Mutuel, vom Vergleichsdienst Comparis und vom Ärzteverband FMH. Erich Ettlin (Die Mitte) ist Verwaltungsrat der Krankenkasse CSS, Josef Dittli (FDP) hat von Ignazio Cassis das feudal entlöhnte Präsidium des Krankenkassenverbands Curafutura geerbt.

Rieder will das verbieten. In seiner parlamentarischen Initiative, die er 2019 einreichte, sind nur noch drei Ausnahmen vorgesehen. Erstens für Mandate, die die Parlamentarier bereits vor ihrem Eintritt in die Kommission hatten; zweitens für Mandate, die sie hauptberuflich ausüben, etwa das Präsidium eines grossen Verbandes; drittens für Mandate, die nur mit wenigen Tausend Franken entschädigt werden (lesen Sie hier mehr zu Rieders Argumenten).

Zunächst feierte Rieder mit diesem Plan einen fast schon spektakulären Erfolg: Im August 2019 stimmte die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerats im Grundsatz zu, kurz darauf auch die Nationalratskommission. Damit war für die ständerätliche SPK der Weg frei, einen konkreten Gesetzestext auszuarbeiten. Am Donnerstag hätte dieser Entwurf vom Plenum beraten werden sollen.

Hätte sollen.

Meinungsumschwung in der Kommission

Denn anstatt dem Rat ein solches Gesetz vorzulegen, beantragt die Mehrheit der Kommission den Verzicht darauf. 2019 war die Kommission noch mit 7 zu 2 Stimmen für Rieders Idee, jetzt ist sie mit 6 zu 2 Stimmen dagegen. Die einzigen Ja-Stimmen stammen von Lisa Mazzone (Grüne) und Hans Stöckli (SP); selbst ihre Parteikollegen Mathias Zopfi (Grüne) und Daniel Jositsch (SP) sind dagegen. So hat Rieders Vorstoss praktisch keine Chance mehr.

Eine Teilerklärung für die Kehrtwende ist die starke Erneuerung der SPK: 10 ihrer 13 Mitglieder sind neu dabei. Nicht neu ist Stefan Engler (Die Mitte). Doch auch er lehnt das Anti-Filz-Gesetz jetzt ab, nachdem er in der ersten Phase noch dafür war.

«Eigentlich teile ich das Anliegen von Beat Rieder weiterhin», sagt Engler. Aber bei der Diskussion eines konkreten Gesetzestextes hätten sich viele Umsetzungsprobleme offenbart. Darum sei es sinnvoll, die Idee in dieser Form nicht weiterzuverfolgen – «auch um den Milizcharakter unseres Systems nicht zu gefährden».

Die Kommissionsmehrheit beruft sich auf drei «Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten». Erstens wäre es schwierig, hauptberufliche Tätigkeiten von anderen Mandaten zu unterscheiden. Zweitens gäbe es zu viele Möglichkeiten, die neue Regelung «zu umgehen». Drittens bringt die SPK «verfassungsrechtliche Einwände» vor: Die neue Regelung würde die Ratsmitglieder ungleich behandeln.

Widerstand sogar von links

Solche Argumente überzeugten auch Mathias Zopfi (Grüne, GL). «Falls die Parlamentarier das neue Gesetz umgehen würden, indem sie sich bei einer Lobby gleich fest anstellen liessen, wäre das noch problematischer.» Zudem verweist Zopfi, selber Anwalt, darauf, dass die zahlreichen Rechtsanwälte im Parlament unter dem Schutz des Anwaltsgeheimnisses weiterhin politische Mandate annehmen könnten.

Zopfis Parteikollegin Lisa Mazzone ist anderer Meinung: «Wenn Mitglieder des Ständerats selber vor der Umgehung eines solchen Gesetzes warnen, ist das entlarvend.» Aus ihrer Sicht ist Rieders Vorschlag moderat. «Er würde nur die offensichtlichsten Fälle verbieten.» Dass Lobbys gezielt Kommissionsmitglieder anheuern und bezahlen, sei ein echtes Problem in der Schweizer Politik.

Auch Beat Rieder selber, nicht Mitglied der SPK, lässt sich nicht beirren. Umstimmen könnten ihn nur berechtigte verfassungsrechtliche Einwände, sagt er. Doch im vorliegenden Fall dienten sie «nur als Ausflucht». Die SPK habe die Verfassungsmässigkeit nicht einmal beim Bundesamt für Justiz abklären lassen.

Am Donnerstag kann Rieder seinen Plan im Plenum noch einmal verteidigen. Falls die Mehrheit dagegen stimmt, ist die Revolution definitiv gescheitert.

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