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Produzent von Schwiizergoofe und Heimweh
Wie kann man mit Schweizer Musik richtig Geld verdienen, Herr Schlunegger?

Georg Schlunegger in einem Musikstudio mit Mischpult und Computerbildschirm, sitzend auf einem Stuhl. Beleuchtete Wandlampen im Hintergrund.
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Schwiizergoofe, Heimweh, Stubete Gäng oder Trauffer: In den Top 10 der Schweizer Jahreshitparade 2024 finden sich Alben, die auf eine etwas plakative Art von Swissness setzen. Was nur wenige wissen: Hinter alldem steckt ein und derselbe Mann.

Er heisst Georg Schlunegger, ist in Grindelwald aufgewachsen, lebt an der Zürcher Langstrasse und erfindet in der Hitfabrik Hitmill Musik, auf die die Schweiz offenbar gewartet hat.

Herr Schlunegger, welche Musik hören Sie, wenn Sie mit heruntergekurbelten Autofenstern durch die Zürcher Langstrasse fahren?

Da ich kein Auto besitze, kann ich nur sagen, was ich auf dem Velo so höre.

Lassen Sie mich raten: Sie hören die Schwiizergoofe, die es dank Ihnen zum erfolgreichsten Schweizer Act 2024 gebracht haben?

Nein, das höre ich privat weniger, es sei denn, ich arbeite gerade an einem Lied von ihnen.

Welches ist denn der geeignete Anlass, um sich Lieder von aufgekratzten Schweizer Kindern mit wenig dezenten Stimmorganen anzuhören?

Schwiizergoofe wird mehrheitlich von Kindern gehört. Und die sind mittlerweile auf Spotify sehr aktiv. Das erklärt auch die hohen Streamingzahlen. Der Umstand, dass da Kinder für Kinder singen, generiert eine Authentizität, die wir Erwachsenen nie hinkriegen würden.

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Sie arbeiten in der Schweizer Hitfabrik Hitmill. Der Erfolg der Schwiizergoofe legt nahe, dass hier wirklich alles zum Hit gemacht werden kann.

Das ist unser Ziel und unsere Leidenschaft. Wir stehen für kommerzielle Musik und machen keinen Hehl daraus, Freude daran zu haben, möglichst viele Leute abzuholen. Es ist das, was mir entspricht, was ich kann.

Wenn Sie sich spontan mit der Gitarre hinsetzen, dann erklingen also keine Balladen für den urbanen Zukunftsskeptiker?

(lacht) Nein, aus mir entspringen irgendwie automatisch massentaugliche Melodien. Ich kann keine Nischenmusik machen, Hits dagegen schon.

Mann mit Kopfhörern und Gitarre in einem Tonstudio mit Computern und Musikausrüstung.

Dann brauchen Sie also gar kein Hitrezept?

Das hat niemand. Aber wir haben den Vorteil, dass wir mit Hitmill primär den kleinen Schweizer Markt bedienen. Man kann besser auf einen Hit hinarbeiten, wenn man nicht den internationalen Erfolg anvisiert, sondern sich auf die hiesige Mundart spezialisiert und die Bedürfnisse dieser Zielgruppe bedient. Das ist das, was wir tun.

Sie verantworten neben den erwähnten Schwiizergoofe auch den Männerchor Heimweh, die Stubete Gäng oder die neuen Songs von Trauffer. Ist es also diese volkstümliche Form von Swissness, mit der sich momentan Geld machen lässt?

Ja, absolut. Lokalkolorit ist in der Mundartszene ein entscheidendes Element. Das Publikum ist eher ländlich, es hat ganz andere Bedürfnisse als das städtische Publikum. Ich bin in Grindelwald sozialisiert worden und weiss ziemlich genau, auf was man da anspringt.

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Sind Sie im vergangenen Jahr mit einer Produktion auch gescheitert?

Nein. Es war wirklich ein sehr erfolgreiches Jahr. Wir haben uns damit abgefunden, dass unsere Musik von den Radios ignoriert wird. Wir mussten andere Wege gehen. Deshalb haben wir ein Team von Social-Media-Spezialistinnen zusammengestellt. Und das hat eine riesige Wirkung. Unsere Tiktok-Zahlen gingen im letzten Jahr durch die Decke.

Besonders erfolgreich war der rustikale Hochglanz-Männerchor Heimweh. Dieser wurde von Ihnen quasi am Reissbrett entworfen. Wie sieht so ein Prozess aus?

Die Idee war, einen Chor zusammenzustellen, der sich im Spannungsfeld zwischen Pop und Volksmusik bewegt und sich ernsthaft mit der eigenen Herkunft auseinandersetzt. Es folgte ein circa zweijähriger Prozess, in dem man herauszufinden versuchte, wie das klingen und wer das singen könnte. Sind es Themen, zu denen die Sänger stehen können? Welche Bilderwelt könnte dazu passen? Welche Instrumentierung, welcher Look?

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Hört man sich Heimweh an, findet man sich in einer Welt wieder, in der die Mannen ihren Frauen unentwegt die Treue schwören, wo die Väter ihren Söhnen raten, Land zu kaufen und einen Baum zu pflanzen, wo Herren in den schroffen Bergen ihre Vergänglichkeit reflektieren. Und das Ganze wird in einer musicalartigen Tadellosigkeit dargebracht. Haben Sie es da mit dem Pathos nicht übertrieben?

Es kann nie genug Pathos haben. Ich kann darin mit Haut und Haar versinken. Ich kann die Kritik an Heimweh verstehen – ein paar Männer, die über die Berge singen. Aber in diesen Liedern steckt mein ganzes Herzblut. Der Schmerz, der sich in diesen Liedern findet, berührt mich wirklich tief.

Sie stammen aus Grindelwald und leben in Zürich. Wie erleben Sie den viel zitierten Stadt-Land-Graben?

Extrem intensiv. Grindelwald und Zürich sind nicht nur zwei unterschiedliche Milieus, es sind zwei verschiedene Welten, die sich scheinbar unvereinbar gegenüberstehen. Neu ist das nicht, aber intensiver denn je. Ich erinnere mich, dass ich schon während meines Studiums in Bern meinen breiten Oberländerdialekt bewusst abgelegt habe, weil man mich behandelt hat wie einen intellektuell Zurückgebliebenen.

Ist Ihre Musik eine Rache an der Intelligenzija?

Das nicht. Aber es gibt mittlerweile eine Gegenbewegung, ein neues Selbstbewusstsein der ländlichen Bevölkerung. Die Message lautet: Ich bin von hier, und so bin ich, egal was ihr davon haltet. Dieses Selbstverständnis mag in unserer Musik spürbar sein.

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Kritiker monieren, dass Sie mit Ihrer Musik typisch ländliche Klischees zementieren: Man fährt in Ihren Liedern Subaru, hält die Heimatliebe und das Familiäre hoch, feiert im Festzelt, paart sich auf dem Heuboden, und Handörgeli und Rudimentär-Jodel bringen dann endgültig alle in Ekstase.

Popmusik, die den Erfolg anstrebt, baut oft auf Vereinfachung. Das ist ein bewusster Prozess, der im Falle von Trauffer oder Stubete Gäng natürlich von einem Augenzwinkern begleitet ist.

Ist das Verblümte überschätzt? Lässt sich heute wirklich nur noch mit plakativen Stereotypen ein Hit bauen?

Es gibt tausend Formen von Popmusik. Aber generell würde ich sagen Ja. Stefan Remmler von Trio ist für mich ein Paradebeispiel: «Da da da, ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht» – das ist eine sehr grobe Poesieschablone, und doch ist es für mich einer der grössten Songs aller Zeiten. Die Kunst ist, mit einfachsten Sätzen ein unmittelbares Gefühl auszulösen.

Gibt es Dinge, die ihre Hitfabrik aus künstlerischen Bedenken nicht tun würde?

Wir würden nie politische Musik machen.

So kategorisch?

Wir halten es da mit Chris Isaak. Er hat gesagt, dass er auch nicht möchte, dass ein Präsident singt. Man sollte diese Welten trennen.

Das erfolgreichste Album in den Verkaufs-Charts 2024 war jenes von Züri West. Könnte im Hitmill-Umfeld etwas derart Fragiles und Persönliches gedeihen?

Schwierige Frage. Eigentlich ist unsere musikalische Ausrichtung eine andere. Aber ein wichtiger Teil unserer Arbeit besteht darin, auf Künstler und deren Geschichte einzugehen.

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In welchem Stadium der Karriere ist jemand, der an den Toren Ihrer Hitfabrik klingelt?

Das ist unterschiedlich. Das Spektrum reicht vom Newcomer bis zu etablierten Musikern wie Trauffer oder Stress.

Also Menschen mit Popstar-Ambitionen, denen blöderweise gerade die Ideen ausgegangen sind?

Nein. Menschen mit Popstar-Ambitionen, die Lust darauf haben, mit ihrer Musik in der Schweiz Erfolg zu haben. Die meisten schielen ja doch immer auf den internationalen Markt. Es braucht Mut, sich für die Schweiz als primäres Eroberungsgebiet zu entscheiden. Und Ideen sind bei unserer Kundschaft durchaus vorhanden. Es geht dann darum, diese in eine passende Form zu bringen.

Von welchem Schweizer Act wünschten Sie sich, dass er bei Ihnen anklopft?

Ich warte schon lange darauf, dass mal ein junger Singer-Songwriter aufkreuzt, einfache Geschichten aus seinem Leben erzählt, bereit ist, auf Mundart zu singen, und nicht weltmännisch daherkommen will. So einen Ed Sheeran aus der Schweiz. Das würde Freude machen. Und es hätte Erfolg.

Wenn man Sie so sprechen hört, klingt vieles berechnend, und doch spürt man eine riesige Leidenschaft für die Sache. Sind Sie nun der Buchhalter, der nach Marktlücken fahndet, oder funktionieren Sie nach dem Lustprinzip?

Es ist beides. Wenn eine Marktlücke gefunden ist, gilt es, einen kreativen Twist zu finden, der ein Projekt speziell macht. Hätte es schon zehn Chöre in ähnlichem Stil gegeben, dann wäre die Gruppe Heimweh wohl nicht entstanden.

Die künstliche Intelligenz hat im letzten Jahr fast schon beängstigende Fortschritte gemacht. Sie arbeitet – wie Sie in der Hitfabrik – mit Hitformeln und Vorahnungen, was die Welt zu hören begehrt. Ist Ihr Job gefährdet?

Nein. Es wird sicher Arbeitsabläufe geben, die hinfällig werden. Aber letztlich trifft noch immer der Mensch die Auswahl, was die KI übernehmen soll und was nicht.

Hand aufs Herz: Sie nutzen doch die KI schon längst zum Liederschreiben …

Ja, ich nutze sie, lasse mir Vorschläge machen, und manchmal liefert sie auch musikalische Inspirationsfragmente. Doch gerade im Mundartbereich ist sie noch heillos unterbelichtet.

Sie haben also für das letzte Heimweh-Album den Prompt «Ein rustikaler Schweizer Männerchor mit Jodel-Skills trifft auf gefühligen Pop. Thema: Berge und Heimweh» in den KI-Musikgenerator eingegeben?

So ähnlich. Und das Resultat war schrecklich.

Ich habs kürzlich auch getan. Der Generator hat Dinge ausgespuckt, die dem, was Sie tun, nicht unähnlich sind, mal abgesehen von der etwas gewöhnungsbedürftigen Mundartauslegung. Hören Sie!

(hört sich den KI-Song an und lacht) Man kann von unserer Musik halten, was man will. Aber schlechter als das ist sie mit Sicherheit nicht.