Gender-Reveal-PartysWirds ein Junge oder ein Mädchen? Instagram-Trend erreicht die Schweiz
Ausgerechnet in Zeiten von Genderneutralität boomen Partys, in denen das Geschlecht von ungeborenen Babys mit viel Tamtam gelüftet wird. Sogar die Erfinderin bereut den Trend.

- Gender-Reveal-Partys haben sich innert kurzer Zeit als fester Programmpunkt während der Schwangerschaft etabliert.
- Auch in der Schweiz entwickeln sich die Geschlechtenthüllungspartys für ungeborene Kinder zum gefragten Trend.
- Eltern versuchen sich in sozialen Medien zu übertreffen – mit teils fatalen Folgen.
- Ausgerechnet die Erfinderin Jenna Karvunidis distanziert sich vom Enthüllungstrend.
Das Internet ist voll davon: Videos von Gender-Reveal-Partys. Das sind Partys, in denen das Geschlecht von ungeborenen Babys mit viel Trara verkündet wird. Die laufen im Grunde immer gleich ab: Die werdenden Eltern starren – oft umringt von Freunden, Familie und Deko in Blau-Rosa – konzentriert bis hibbelig auf ein Objekt, das gleich etwas Rosafarbenes oder Hellblaues preisgeben wird.
Rosa bedeutet: Das ungeborene Baby wird ein Mädchen. Blau: Es gibt einen Jungen. Im Grunde taugt alles als Geheimnisträger: Kuchen oder Torten mit farblich passender Füllung, Ballone, Tischbomben, Bälle mit Konfetti, Rauchpetarden, Feuerlöscher, Flugzeuge, die rosa Pulver abwerfen oder blaue Kondensstreifen in den Himmel zeichnen. Hauptsache, es sieht gut auf Tiktok, Facebook oder Instagram aus.
Dann: Gefühlsausbrüche. Gekreische, Jubel, Lachen, Taumel, Tränen, Umarmungen oder alles zusammen. Das Ganze wird mit dem Handy eingefangen, damit das Video sogleich auf Social Media hochgeladen werden und alle Welt daran teilhaben kann.
Ultraschall auf Grossleinwand, Tiger auf Tiktok
Und wie immer, wenn soziale Medien im Spiel sind, versuchen sich die Leute auch bei den Enthüllungen gegenseitig zu übertrumpfen: Kürzlich gab es bei einer Party eine Live-Ultraschall-Übertragung via Grossleinwand, gefolgt von pinkfarbenen Raketen.
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Ein Paar aus Dubai engagierte extra einen Tiger, der einen riesigen Ballon mit rosa Füllung zum Platzen brachte. Ein anderes Paar liess den 828 Meter grossen Wolkenkratzer Burj Khalifa blau beleuchten – rund 100’000 Franken soll das Spektakel umgerechnet gekostet haben.
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Dagegen war Harry Kanes Gender-Reveal-Akt fast schon bescheiden. Der FC-Bayern-Star klärte die Junge-oder-Mädchen-Frage mit einem gezielten Schuss auf eine gefüllte Kugel im Fussballgoal. Es wurde blau, also ein Junge.
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Meist findet das Spektakel um die 20. Schwangerschaftswoche herum statt, weil dann in der Regel erkennbar ist, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Damit das auch für die werdenden Eltern bis zur Party eine Überraschung bleibt, werden Komplizen eingespannt, die von der Gynäkologin oder dem Gynäkologen eingeweiht werden – und dann das Enthüllungsobjekt in der korrekten Farbe organisieren dürfen.
Standard in der Schwangerschaft
Verrückt? Mag sein, aber in zahlreichen Ländern, allen voran in den USA, haben sich die Gender-Reveal-Partys zum Standardprogramm während der Schwangerschaft entwickelt – obwohl sie erst vor einigen Jahren erfunden wurden. Auch in der Schweiz gewinnen sie zunehmend an Popularität. Was die Suchanfragen bei Google angeht, ist das Interesse im Kanton Aargau am stärksten, gefolgt von den Kantonen Schaffhausen, Schwyz, Freiburg und Zug.
Mit der Nachfrage wächst auch das Angebot: Erste Hochzeitsplanerinnen haben ihr Portfolio um das Angebot «Gender-Reveal-Party» erweitert, 2024 wurde mit Genderreveal.ch eigens eine Plattform gegründet mit dem Ziel, «den stark nachgefragten Trend aus dem Ausland auch in der Schweiz zugänglich zu machen», wie es auf Anfrage heisst. Es gibt dort Tipps für ein gelungenes Fest und natürlich die passenden Artikel. Auch der Onlinehändler Galaxus hat rund 50 Produkte ins Partysortiment aufgenommen, darunter eine Gender-Reveal-Rubbelkarte und schwarze Überraschungsballone mit rosa oder blauen Konfetti.
Eltern wünschen sich eher ein Mädchen
Das Motto «Hauptsache, gesund» scheint hier erst mal nebensächlich zu sein. Das Erstaunlichste am «Junge oder Mädchen?»-Hype ist, dass er ausgerechnet in Zeiten, in denen Geschlechterrollen eher hinterfragt als gefeiert werden, derart trendet. Theoretisch müsste das Geschlecht eines Kindes heutzutage so nebensächlich sein wie nie – zumindest in westlichen Ländern.
Praktisch ist es das jedoch nicht: Viele Eltern haben eine Präferenz, was ihr ungeborenes Baby angeht. Erst diesen Januar zeigte eine umfassende Metaanalyse mit rund 19’000 Daten aus Europa, Asien und Amerika, dass sowohl Mütter als auch Väter Töchter bevorzugen. Auch, weil Mädchen tendenziell als gewissenhafter, verantwortungsbewusster und unproblematischer eingestuft werden als Jungs.
Ein weiteres Phänomen ist der sogenannte Sammelbild-Effekt. Demnach wünschen sich Paare zunehmend ein ausgewogenes Geschlechterpaar, also einen Jungen und ein Mädchen. Dies habe einen signifikanten Einfluss auf die Familienplanung, stellte ein Forschungsteam fest: Eltern versuchten so lange Kinder zu bekommen, bis sie mindestens je einen Jungen und ein Mädchen haben.
Erfinderin bereut den Trend
Das Babygeschlecht spielt also nach wie vor eine Rolle, Genderneutralität hin oder her. Gender-Reveal-Partys dürften also bloss ein Ausdruck dafür sein. Trotzdem bereut ausgerechnet jene Person den Trend, die das Ganze initiiert hat: die US-Bloggerin Jenna Karvunidis – «I started the ‹gender reveal party› trend. And I regret it» lautete der Titel des dazugehörigen Artikels im «Guardian».
Und das alles wegen eines simplen Blogeintrags: Nach mehreren Fehlgeburten hatte Karvunidis 2008 zum ersten Mal mit einer Schwangerschaft den Zeitpunkt erreicht, ab dem das Babygeschlecht erkennbar ist. Darüber freute sie sich so sehr, dass sie eine Party feierte, einen Kuchen mit rosa Füllung anschnitt – it’s a girl! – und einen Text darüber schrieb.
Erstes Gender-Reveal-Mädchen trägt Jungsklamotten
Damit traf sie einen Nerv: Die ersten Nachahmerinnen luden noch im selben Jahr Videos von ihren eigenen Partys hoch, der Hype verbreitete sich rasant. Und er artet immer mal wieder aus, wie Karvunidis besorgt beobachtet: 2020 löste ein Paar aus Los Angeles mit einer Gender-Reveal-Rauchbombe einen Waldbrand aus. 9000 Hektaren Wald und mehrere Häuser verbrannten, ein Feuerwehrmann kam ums Leben.
Bei einem Fest in Iowa wurde die Grossmutter des ungeborenen Kindes von einer Konfetti-Bombe getötet – ein Metallteil hatte sich bei der Explosion gelöst. Und in Mexiko stürzte ein Pilot mit seinem Flugzeug ab, nachdem er rosa Pulver verstreut hatte; er starb später im Spital.
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Jenna Karvunidis hält den Trend aber auch wegen der mitschwingenden Botschaft für problematisch: dass das Geschlecht so relevant ist, dass ein eigener Event dafür nötig ist. «Wen interessiert das Geschlecht des Babys?», fragte sie schon vor sechs Jahren in einem Facebook-Post und postete dazu ein Foto ihrer mittlerweile fünfköpfigen Familie. Darauf ist auch ihre Tochter zu sehen, die kein rosa Röcklein, sondern einen hellblauen Anzug trägt.
«Plot Twist», schrieb Karvunidis dazu. «Das erste Gender-Reveal-Party-Baby der Welt ist ein Mädchen, das Anzüge trägt!» In den Millionen von Gender-Reveal-Posts auf Social Media ging dieser Eintrag jedoch kläglich unter.
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