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Gehen: Psychomedizin ohne Nebenwirkungen
Es ist Frühling, spazieren Sie sich ins Glück!

Zwei Personen spazieren im Freien und unterhalten sich bei sonnigem Wetter.
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Wandern auf dem Jakobsweg ist ein ungebrochener Hype: 2024 wurde abermals der Rekord gebrochen. Man zählte fast eine halbe Million beglaubigte Santiago-de-Compostela-Pilger! Seit 2011 ist die Kurve steil gestiegen (abgesehen von der Pandemiezeit 2020/21), und auf Ostern hin gehts damit wieder so richtig los. Denn die Pilgerreise bietet das, was uns laut neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Glück verspricht: Langsamkeit, Achtsamkeit, Spiritualität. Und vor allem – auch für Spiritualitätsmuffel geeignet – schlichtes Gehen!

Dass Gehen etwas Grossartiges ist, wusste man schon, als noch niemand dazu forschte. Gern wird etwa Jean-Jacques Rousseaus Diktum zitiert: «Ich kann nur im Gehen denken; sobald ich stehen bleibe, denke ich nicht mehr, mein Kopf arbeitet nur mit den Füssen gleichzeitig.»

Analysen haben inzwischen zwar erwiesen, dass genau hinter diese Behauptung ein Fragezeichen zu setzen ist. Denn Gehen ist kontraproduktiv, wenn man gleichzeitig kognitive Aufgaben, insbesondere Multitasking, erfüllen soll; das gilt vor allem für ältere Leute: Die Bewegung ist fürs Gehirn anspruchsvoller als landläufig vermutet. Andererseits hat Gehen messbare Benefits für Kreativität und Lebensgefühl. Bereits vor rund zehn Jahren stellte man fest, dass selbst gemächliches Gehen, auch auf dem Laufband in einem langweiligen Raum – wenn auch weniger als in abwechslungsreicher Umgebung –, ungewöhnliche Ideenverbindungen anstösst, sprich: die Kreativität.

Überhaupt haben sich die vielfältigen Vorteile des Gehens herumgesprochen, lediglich über die nötige Mindestschrittzahl herrscht Uneinigkeit. Eine viel zitierte Metaanalyse belegte 2023, dass der Scheidepunkt, ab dem die allgemeine Sterblichkeit dank des Gehens verringert wird, bei nur 3867 Schritten pro Tag liegt. Für eine deutlich bessere Herz-und-Kreislauf-Gesundheit helfen sogar schon 2337 Schritte.

Psychoaktives Wundermittel

Spazierengehen hat also positive Begleiteffekte: höheren Sauerstoffumsatz, Muskelaufbau, Stärkung des Immunsystems, Herz- und Gefässtraining. Die Gelenke werden sanft gefordert, und, nicht zuletzt, werden Glückshormone ausgeschüttet. 2024 zeigten gleich zwei beeindruckende Studien, wie psychoaktiv das geradezu banale Bewegungsmuster, für das man keine spezielle Ausrüstung braucht, sich auswirkt.

Die erste empfiehlt, «Gehen als Evidenz-basierte Intervention» gegen Depressionen und Angststörungen einzusetzen, egal, ob drinnen oder draussen gegangen wird, ob schneller oder langsamer; wobei jedoch beim Gehen mit geringer Intensität noch vertieftere Studien nötig seien.

Die zweite, erst diesen Winter publiziert, verglich 33 Untersuchungen zum Thema und kam zum Schluss: Mit 7000 Schritten am Tag ist das Risiko für depressive Symptome schon um 31 Prozent reduziert, mit 7500 Schritten um 42 Prozent; noch höhere Schrittzahlen gehen mit einem weiter sinkenden Risiko einher, jedenfalls bis zur 10’000-Marke. Gehen scheint besser zu wirken als manches Psychopharmakon, auch präventiv.

Das Einzige, was mich als Pedometer-Junkie und Selbstoptimierungsverzweiflerin gehtechnisch bisweilen in Frustrationsabgründe stürzt, ist, wenn ich mein anvisiertes Schrittziel mal wieder nicht erreicht habe. Das Nonplusultra für mich wäre wohl eine Aufholtour, zum Beispiel auf dem Jakobsweg.

Wie viel gehen Sie pro Tag? Spüren Sie den Effekt? Diskutieren Sie in der Kommentarspalte mit!