Widerstand gegen Donald TrumpDie Opposition in den USA sucht sich selbst
An der Basis der Demokraten keimt eine populistische Revolte, die Wut auf Trump und die eigenen Parteiführer wächst. Über die Ohnmacht einer Partei, die in einer Sinnkrise steckt.

- Kongressmitglieder der Demokraten werden von zornigen anderen Parteimitgliedern beschimpft.
- Besonders gross ist die Wut auf Chuck Schumer, den Anführer im Senat.
- Dahinter steckt eine Auseinandersetzung zwischen dem linken und dem zentristischen Parteiflügel.
- Die Umfragewerte der Demokraten sind so tief wie seit 30 Jahren nicht mehr.
Der Vergleich hinkt, aber er macht trotzdem die Runde, weil er bei den Demokraten bittersüsse Erinnerungen weckt. Wehmütig schauen sie in diesen Tagen des Durchregierens von Donald Trump zurück auf den Beginn der Amtszeit von Barack Obama. Damals wollten sie von links das Land tiefgreifend verändern, dank einer erdrückenden Übermacht im Senat und einer klaren Mehrheit im Repräsentantenhaus.
Ohnmächtig schauten die Republikaner zu – und wurden von ihrer eigenen Wählerschaft beschimpft, die erzürnt mehr Kampfeslust verlangte. Tea Party nannte sich die Bewegung, in Anlehnung an den Protest von Boston 1773, dem die Unabhängigkeitserklärung der britischen Kolonien folgen sollte. Die moderne Fassung riss die Republikaner scharf nach rechts. Und ebnete den Weg für Donald Trumps Aufstieg.
«Angepisst» wegen Reaktion auf Donald Trump
Wegen Trump erlebten die Demokraten nun ihren eigenen Tea-Party-Moment, ist nun verschiedentlich zu lesen. Der Präsident weitet seine Macht aus, indem er Dekrete am Laufmeter erlässt, uralte Notstandsgesetze wiederbelebt, den Kongress einschüchtert, Richter angreift und seine Gegner verfolgen lässt. Die Opposition wirkt ratlos und gespalten, zumindest die Kongressmitglieder.
Die Parteibasis reagiert aufgebracht, nicht nur gegen Trump, sondern auch gegen die eigenen Anführer. «Angepisst» sei er, dass die Demokraten nicht mehr Widerstand leisteten, rief ein Wähler in Oregon bei einem Auftritt des Senators Ron Wyden und der Abgeordneten Janelle Bynum. «Ihr kämpft nicht, wir leiden», schrie eine Frau bei einem Town-Hall-Treffen von Glenn Ivey, einem Repräsentanten aus Maryland, unweit der Hauptstadt.
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Inzwischen scheint sich die linke Wählerschaft auf einen Sündenbock in den eigenen Reihen zu einigen. Nicht etwa auf Joe Biden, den ehemaligen Präsidenten, der zu lange den Generationenwechsel verweigert hatte. Sondern auf Chuck Schumer, Anführer der Demokraten im Senat, mit 74 Jahren im besten Alter, zumindest für die aktuellen amerikanischen Massstäbe. Schumer hatte wochenlang den Republikanern die Stirn geboten im Streit um einen Staatshaushalt – um dann im letzten Moment den Widerstand aufzugeben und doch mit den Gegnern zu stimmen, ohne jegliche Gegenleistung.
Chuck Schumer wird angegriffen
Mit realpolitischen Argumenten versuchte sich Schumer zu erklären. Er wollte nicht riskieren, dass der Verwaltung das Geld ausgeht und sie stillgelegt wird. Erstens hätten die Wähler die Demokraten für den Government-Shutdown verantwortlich gemacht. Und zweitens hätte Trump darin möglicherweise eine Rechtfertigung gefunden, noch autokratischer zu regieren und den Kongress weitgehend auszuschalten.
Die Basis beurteilt den Vorgang freilich als Kapitulation. Selbst Schumers Senatskollegen murrten, die frühere Speakerin Nancy Pelosi bemerkte maliziös, sie hätte niemals mit den Republikanern gestimmt, ohne ihnen einen Kompromiss abzuringen. Schumer musste eine Lesungsreihe für sein neues Buch absagen, in dem er als ranghöchster jüdischer Politiker in den USA vor zunehmendem Antisemitismus warnt. Linke Gruppierungen hatten zu Protesten aufgerufen. Rücktrittsforderungen machen die Runde, es sei Zeit für einen Generationenwechsel, heisst es.
Bernie Sanders zieht Tausende an
Der wortgewaltigste Anführer der Opposition ist allerdings Bernie Sanders, selbst auch schon 83 Jahre alt und ein Unabhängiger. Er zieht bei einer Spendentournee durch den Westen Tausende Unzufriedene an. Sanders hat ausgeschlossen, noch einmal als Präsident zu kandidieren; nun hat er die 35-jährige Alexandria Ocasio-Cortez dazugeholt. Die beiden wettern gegen Trumps «Oligarchie». Gemeint ist Elon Musk, derzeit einer der einflussreichsten Präsidentenberater.
Elon Musk eignet sich besser als Reizfigur als Trump. Der Präsident ist zwar laut Umfragen nicht besonders beliebt, und die Sorgen der Amerikaner vor wirtschaftlichen Verwerfungen wegen Trumps Zöllen nehmen zu. Doch Musk geniesst deutlich weniger Sympathie, nur eine Minderheit unterstützt Erhebungen zufolge seinen radikalen Kurs, Aktivisten haben medienwirksame Brandanschläge auf Tesla-Autos und -Läden verübt. Eine wichtige Lokalwahl in Wisconsin, wo es am 1. April um die Mehrheit am Obersten Gericht des Swing-States geht, versuchen die Demokraten zu einem Referendum über Musk zu machen.
Mit Elon Musk übertünchen die Demokraten ihre Sinnkrise
Die Kritik an dem reichsten Mann der Welt erlaubt es den Demokraten vorerst noch, die inneren Spaltungen zu übertünchen. Sie sind sich wohl einig darin, dass sie das Vorgehen von Donald Trump ablehnen. Viel weniger klar ist hingegen, woraus ihr Gegenmodell besteht. Die Demokraten stecken in einer Identitätskrise. Nur ein Viertel der Bevölkerung hat ein positives Bild der Partei – Werte so tief wie seit 30 Jahren nicht mehr.
Sanders und Ocasio-Cortez wollen die Demokraten nach links ziehen. Sie versprechen, die Arbeiterschaft ins Zentrum zu stellen, und lehnen vor allem Trumps Steuersenkungen ab. Andere empfehlen, die Partei wieder in der politischen Mitte zu positionieren, nachdem die Wählerschaft mit lateinamerikanischen Wurzeln nach rechts gerückt ist. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom, ein Anwärter auf die nächste Präsidentschaftskandidatur, hat sich etwa die Forderung der Republikaner zu eigen gemacht, transgender Athletinnen vom Frauensport auszuschliessen.
Wie angesichts dieser Spaltungen ein Tea-Party-Moment entstehen soll, ist unklar. Die Revolutionäre unter den Republikanern wehrten sich gegen die hohe Steuerlast, sie waren gewillt, den Staatsbetrieb lahmzulegen. Die Demokraten sind in einer viel schwierigeren Position, weil sie den Staat zu erhalten versuchen in einem Zustand, der nach nur zwei Monaten Donald Trump gar nicht mehr existiert.
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