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Debatte um Ticketkauf im Bus
Postautos sollen bargeldlos werden – nun formt sich Widerstand

Die Kasse neben dem Chauffeur soll verschwinden. Eine Kundin beim Kauf eines Tickets.
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Die erste Attraktion gab es für uns Kinder jeweils gleich zu Beginn des Ausflugs: Mit flinken Fingern spedierte der Postautochauffeur die Münzen in den richtigen Schlitz – vom Fünfliber bis zum Fünfrappenstück. Dann händigte er ein frisch geprägtes Billett aus. Viele Jahre sind seither ins Land gezogen. Das Prozedere vorn im Postauto ist bis heute ähnlich geblieben. Doch nun könnte es sich ändern.

In Zukunft kauft man Billette nicht bei der Chauffeurin oder dem Chauffeur. Und man nimmt kein Bargeld mehr in die Hand. Das kündigt Christian Plüss, der Geschäftsführer von Postauto Schweiz, in einem Interview mit CH Media an. Stattdessen sollen in den Fahrzeugen Automaten installiert werden. Wer noch kein Billett hat, löst dort eines – und bezahlt bargeldlos, also etwa mit der Bankkarte oder mit der Bezahl-App Twint. Das wichtigste Argument für die Neuerung: Bargeld als Zahlungsmittel zu akzeptieren, ist zu aufwendig und zu teuer. 

Doch darf der Postauto-Chef in Eigenregie das Bargeld aus dem Bus verbannen? Das Bundesamt für Verkehr und die Kantone seien über das Vorgehen informiert, sagt die Postauto-Mediensprecherin. «Sie unterstützen die mittel- bis langfristige Aufhebung des Ticketverkaufs durch das Fahrpersonal.» 

Konsumentenschutz lehnt Abschaffung von Bargeld ab

Die Pläne von Postauto Schweiz gehen einigen zu weit. Etwa der Stiftung für Konsumentenschutz: «Wir lehnen die Abschaffung von Bargeld beim Ticketverkauf klar ab», sagt André Bähler, Leiter Politik und Wirtschaft. Oft gebe es für die Bevölkerung keine Alternative zum Postauto. Die Betreiber des öffentlichen Verkehrs müssten deshalb sicherstellen, dass die ganze Bevölkerung einen möglichst hindernisfreien Zugang hat. «Es gibt viele Menschen, die lieber mit Bargeld bezahlen, zum Beispiel aus Datenschutzgründen.»

Auch bei Pro Senectute mahnt man zur Zurückhaltung. «Postauto Schweiz sollte sich für diese Änderungen zumindest genügend Zeit nehmen», fordert der Sprecher der Organisation, die sich für ältere Personen einsetzt. Mittelfristig sei es zwar zumutbar, dass im Fahrzeug nur noch mit Karten und Apps bezahlt werden kann. «In der Übergangsphase braucht es aber ein hybrides System, das auch Bargeld akzeptiert. Nötig sind zudem Schulungs- und Hilfsangebote.»

Pro Senectute weist darauf hin, dass die Postautos oft auch von älteren Seniorinnen und Senioren insbesondere aus ländlichen Gebieten genutzt werden. Einige kämen mit den neuen technischen Hilfsmitteln nicht oder nicht mehr zurecht. «Derzeit gibt es einen sehr schnellen Wandel im Zuge der Digitalisierung», sagt der Sprecher. «Während die Jungseniorinnen und Jungsenioren diesen gut meisterten, werden viele ältere und vulnerable Personen abgehängt.»

Kantone stehen auf die Bremse

Eine Möglichkeit zur Bargeldzahlung müsse nicht zwingend angeboten werden, sagt ein Sprecher des Bundesamts für Verkehr. Postauto Schweiz kann also auf andere Bezahlmittel setzen. Allerdings gibt es eine Einschränkung: Die Transportunternehmen dürfen keine Kundinnen und Kunden ausschliessen oder benachteiligen. Sie müssen also mehrere Bezahlmöglichkeiten anbieten, sofern der Aufwand dafür verhältnismässig ist. 

«Mittelfristig besteht der Kanton Basel-Landschaft darauf, dass Bargeld im öffentlichen Verkehr akzeptiert wird.»

Sprecherin der Bau- und Umweltschutzdirektion des Kantons Basel-Landschaft

Ein gewichtiges Wort mitzureden haben die Kantone. Sie bestellen die Postautofahrten und finanzieren diese teilweise mit. In ihren Vereinbarungen mit Postauto kann festgehalten werden, ob die Barzahlung weiterhin akzeptiert werden muss.

Widerstand kommt aus dem Kanton Baselland. «Postauto kann diese Änderung nicht in Eigenregie umsetzen», sagt eine Sprecherin der Bau- und Umweltschutzdirektion. «Mittelfristig besteht der Kanton Basel-Landschaft darauf, dass Bargeld im öffentlichen Verkehr akzeptiert wird.»

Der Kanton Graubünden hingegen befürwortet die Umstellung und arbeitet intensiv daran mit, wie Thierry Müller sagt, der Abteilungsleiter öffentlicher Verkehr im Kanton Graubünden. Andere angefragte Kantone wie Bern, Aargau und das Wallis haben sich bislang nicht dazu geäussert, ob sie Postautos ohne Barzahlmöglichkeit akzeptieren würden.

Noch unklar ist die Haltung des Kantons Zürich. Der Kantonsrat fordert, dass der persönliche Verkauf durch ein einfach zugängliches, benutzerfreundliches Vertriebssystem ersetzt wird. Ob ein solches Bargeld akzeptieren muss, ist noch unklar, wie der Sprecher des Zürcher Verkehrsverbundes sagt. «Die Evaluation und die Diskussion sind zurzeit im Gang.»

Hohe Kosten für wenige Leute

Postauto Schweiz will vorab aus Kostengründen auf Bargeldzahlungen in den Fahrzeugen verzichten. Tatsächlich betreibt das Unternehmen einen grossen Aufwand. Die Chauffeurinnen und Chauffeure benötigen eine Kasse mit ausreichend Wechselgeld. Sie müssen sich an den Haltestellen Zeit zum Einkassieren nehmen – und riskieren damit, den Fahrplan nicht einhalten zu können. Nach der Schicht wird abgerechnet. Wenn die Kasse mal nicht stimmt, werden Differenzen bereinigt. Das Geld wiederum muss sicher aufbewahrt und schliesslich einbezahlt werden.

Bei Bargeld besteht zudem stets ein Diebstahlrisiko. Darauf weist der Postauto-Chef bei seiner Ankündigung hin. In der Vergangenheit kam es in der Nordwestschweiz und in Liechtenstein zu Einbrüchen in Betriebshöfe, bei denen Einkünfte gestohlen wurden. Und auch aus den Kassen in Postautos wurde mehrfach Bargeld entwendet.

Christian Plüss, Chef von Postauto Schweiz, will die Digitalisierung vorantreiben.

Kommt hinzu, dass die Möglichkeit zur Barzahlung immer weniger genutzt wird. Die meisten regelmässig Reisenden verfügen über Monats- oder Jahresabonnemente. Andere setzen auf Mehrfahrtenkarten. Billette für Einzelfahrten werden immer öfter digital gelöst – am Computer oder mit einer App. Besonders stark legen derzeit die Eincheck-Lösungen zu, wie sie das Unternehmen Fairtiq anbietet. Forciert wurde die Digitalisierung durch die Schutzmassnahmen während der Pandemie. In den Postautos waren Fahrgäste angehalten, ihre Tickets am Computer oder mit dem Smartphone zu lösen.

Bei den Ticketautomaten und den Verkaufsstellen gibt es laut Postauto Schweiz «einen starken Trend zu bargeldlosem Zahlen». Die Hälfte der an Automaten gekauften Tickets werden mit Karten oder Apps bezahlt. Anders im Postauto: Dort wechseln in 96 Prozent der Fälle Noten oder Münzen die Hand. Die Bezahlmöglichkeit mit Twint, die seit Herbst verfügbar ist, wird erst bei drei Prozent der Käufe genutzt. Gutscheine – etwa von Reka oder Railcheck – machen rund ein Prozent aus.