Gastbeitrag zu GazaWarum Rehabilitation in Kriegszeiten so wichtig ist
Ohne konsequente Hilfe wird die Zahl der Menschen mit Behinderungen in Gaza stark zunehmen, findet Maria Marelli von Handicap International.
In Kriegssituationen ist alles schwieriger. Mobilität ist lebenswichtig: Die Menschen müssen trotz Bombengefahr nach draussen, um zu essen und zu trinken.
35’000 Palästinenserinnen und Palästinenser wurden durch die anhaltenden Bombardements der israelischen Streitkräfte in Gaza bereits getötet und 80’000 verletzt. Diese israelische Offensive folgte auf den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem 1200 Israelinnen und Israelis getötet und weitere 240 Menschen als Geiseln genommen wurden.
Stellen Sie sich vor, wie schwierig es für die Menschen in Gaza ist, alltägliche Dinge zu erledigen, wenn sie eine Behinderung oder eine Verletzung haben. Viele haben mehrere Verletzungen gleichzeitig: Amputationen, offene Wunden, Verbrennungen, Knochenbrüche. Ohne sofortige Rehabilitation und langfristige Behandlung führen diese Verletzungen zu Bewegungseinschränkungen oder dauerhafter Invalidität.
Handicap International bemüht sich, diese Menschen ausfindig zu machen, sie zu behandeln und mit Mobilitätshilfen auszustatten. Meine Kolleginnen und Kollegen nehmen sich so viel Zeit wie möglich, um die Hilfsmittel wie Krücken individuell anzupassen und ihre Benutzung zu erklären. Denn falsche Einstellungen können zu Fehlhaltungen führen und langfristig das Gehen beeinträchtigen.
Wie soll man mit Prothesen fliehen?
Rehabilitation ist entscheidend, damit die Patientinnen und Patienten ihre Unabhängigkeit schneller wiedererlangen. Doch die noch funktionierenden Gesundheitszentren sind nicht in der Lage, die Menschen während des Genesungsprozesses zu betreuen. Die Rehabilitationsmassnahmen sind einfach, und es gibt wenig Nachsorge, da die Menschen ständig auf der Flucht vor den Bombardierungen sind. Unsere Physiotherapie-Teams, die die Vertriebenenlager besuchen, ermöglichen den Betroffenen durch Übungen, die sie selbstständig durchführen können, unabhängiger zu werden. Unsere Teams legen auch Verbände an und erinnern die Menschen an die Wichtigkeit von Hygienemassnahmen, um Infektionen nach einer Operation zu vermeiden.
Bei der humanitären Hilfe dürfen die Menschen nicht vergessen werden, die bereits vor dem Krieg unter Behinderungen litten und laut UNO-Angaben schätzungsweise 21 Prozent der Bevölkerung Gazas ausmachen. Wie sollen diese Menschen ohne Transportmittel, mit Prothesen oder Rollstühlen fliehen? Die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern durch humanitäre Organisationen ist für Menschen mit Behinderungen und verletzte Zivilpersonen besonders wichtig.
Die Zahl der Menschen mit Behinderungen in Gaza wird zweifellos stark ansteigen. Selbst scheinbar kleine Verletzungen oder Knochenbrüche können zu lebenslangen Behinderungen führen, wenn sie nicht richtig behandelt werden oder sich aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen infizieren. Handicap International fordert daher einen sofortigen Waffenstillstand, um einen sicheren und ungehinderten Zugang für die humanitäre Hilfe nach Gaza zu gewährleisten.
Maria Marelli ist Spezialistin für Physiotherapie bei Handicap International. Sie ist im März von einem Einsatz in Gaza nach Genf zurückgekehrt.
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