Tipps für GartenliebhaberDer Klimawandel bringt neue Gemüsesorten in die Schweiz
Unter extremen Wetterbedingungen wird Gärtnern schwieriger. Dafür können nun Soja und Süsskartoffeln erfolgreich angebaut werden.
Das Wetter – Thema Nr. 1 unter den Gartenleuten. Es ist nichts mehr, wie es war, keine Bauernregel trifft mehr zu. Wie soll man da noch erfolgreich sein im Garten und viel ernten können?
Gemäss den Berichten des Weltklimarates muss in Zukunft im Sommer nicht nur mit grösserer Hitze und mehr Trockenheit gerechnet werden, es drohen auch viel mehr Starkniederschläge. Konkret: Die Sommer werden heisser, trockener. Und wenn es dann doch einmal regnet, umso heftiger. Zwischendurch kann es auch sehr nasse Sommer geben. Mit einer Erwärmung, die bereits heute durchschnittlich 2 Grad beträgt, ist die Schweiz stärker vom Klimawandel betroffen als andere Länder.
Vor allem der Boden werde durch die extremen Wetterlagen stärker beansprucht, schreibt Cercle Sol, die Vereinigung der Bodenschutzfachleute in der Schweiz, in einem Faktenblatt zum Klimawandel und zum Boden: Starkniederschläge führen zu mehr Erosion, lassen die Erde verkrusten und waschen Nährstoffe aus. Höhere Temperaturen lösen eine unerwünschte Kettenreaktion aus: Es kommt zu mehr biologischer Aktivität im Boden, wodurch sich die organische Bodensubstanz schneller zersetzen kann. Dies wiederum führt zu verstärktem Humusabbau und somit zu abnehmender Bodenfruchtbarkeit.
Kurz: Es braucht neue Strategien im Garten.
Für Peter Ochsner, der seit 30 Jahren einen Sortengarten oberhalb von Heiden AR bewirtschaftet, ist die Bodenpflege entscheidend, um dem Klimawandel gärtnerisch zu trotzen. «Gut gepflegter Boden saugt Wasser auf wie ein Schwamm und speichert es», sagt Ochsner, der seinen Boden vor allem mit sogenanntem Komposttee versorgt. Andere Gemüsegärtnerinnen und -gärtner setzen – je nach Bodenverhältnissen – auf Pflanzenkohle, Kompost, Mulch, Gründüngung, Bokashi oder Mikroorganismen, um die Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit des Bodens zu verbessern. Zum Schutz vor Hagel und auch, um die Feuchtigkeit bestmöglich im Boden zu halten, spannt Ochsner Tunnel mit Kulturschutznetzen über einzelne Beete. Wichtig ist, dass es sich um Schutznetze aus dem Profi-Anbau handelt – diese sind nämlich meistens sehr viel stärker als die herkömmlichen Netze aus dem Detailhandel.
Für ein anderes Wetterextrem, die Hitze, eignen sich Schattiernetze oder auch alte Leintücher, die während Hitzephasen die starken UV-Strahlen abdämpfen. Agronomin Eveline Dudda, die seit 48 Jahren gärtnert (siehe auch Box), hat selber mobile Dachkonstruktionen gestaltet, die sich leicht von Beet zu Beet zügeln lassen. Und weil es kein Gemüsegarten ohne Giessen über den Sommer schafft, hält sie fest: «Regenwasser auffangen und speichern wird immer wichtiger.»
Bei allen Herausforderungen: Ochsner und Dudda nutzen die veränderten Klimabedingungen auch, um neue Gemüsearten zu testen und damit ihren Speiseplan zu bereichern. Gemüsekulturen, die in der Schweiz noch vor wenigen Jahren kaum bekannt und nur mit Mühe angebaut werden konnten, gedeihen auf einmal viel besser. Ein paar Tipps:
Soja (Glycine max)
«Das wärmere Klima und neuere, an Europa angepasste Sorten haben Soja für den Anbau im Hausgarten möglich gemacht», sagt Eveline Dudda. Vor allem in Form von Edamame ist Soja beliebt: Dabei werden die Sojaschoten noch unreif gepflückt, leicht geschwellt und als Snack gegessen – oder als Vorrat eingefroren.
Chayote (Sechium edule)
«Diese auch Gemüsebirne genannte Kürbisart ist sehr zu empfehlen, da sie einen grossen Ertrag abwirft und in der Küche vielfältig eingesetzt werden kann», erklärt Dudda. Die Früchte dieser einjährigen Kletterpflanze schmecken nach einer Mischung aus Kohlrabi und Kartoffeln und sind je nach Lagerbedingungen bis zu sechs Monate haltbar.
Meterbohne (Vigna unguiculata subsp. sesquipedalis)
Während die meisten Stangenbohnen bei zu viel Hitze ihre Blüten abwerfen, läuft die Meterbohne zu Hochform auf und produziert Bohnen, Bohnen, Bohnen. «Weil man nie weiss, ob der Sommer nun sehr heiss oder verregnet wird, baue ich immer übliche Stangenbohnen und Meterbohnen an», sagt Dudda. «So habe ich sicher Ertrag.»
Malabarspinat (Basella rubra)
Den herkömmlichen Spinat Spinacia oleracea sät Eveline Dudda im Frühling schon gar nicht mehr aus – viel zu schnell schiesst er in die Höhe. Stattdessen baut sie Malabarspinat an, die schnellwüchsige, dekorative Kletterpflanze mag es nämlich warm. «Den kann man auch im Hochsommer noch ernten», sagt sie.
Yacon (Smallanthus sonchifollius)
«Wer auch immer Yacon probiert, ist begeistert», sagt Peter Ochsner. «Die aus den Anden stammende, nicht frostharte Knolle ist süss, saftig, gut lagerbar und einfach im Anbau.» Die Knollen sehen ähnlich aus wie jene von Dahlien und werden wie diese im Frühling gesetzt und im Herbst geerntet.
Süsskartoffel (Ipomoea batatas)
«Die Wärme liebende Süsskartoffel gehört zu den Gewinnerinnen der neuen Klimabedingungen», sagt Peter Ochsner. Allerdings sind nicht alle Sorten gleich gut geeignet und schmackhaft. Eveline Dudda empfiehlt zum Beispiel die Sorten «Beauregard» oder «Sugaroot Chestnut». «Hauptsache, das Saatgut stammt aus Europa», sagt sie, «sonst könnte es sich um Kurztagespflanzen handeln, die bei uns nicht ausreifen.»
Dieser Artikel erschien erstmals am 26. Februar 2024. Zum Beginn der Gartensaison publizieren wir ihn erneut.
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