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«No Dig»-Profi im Interview
«Den Boden lockern? Das ist gar nicht nötig»

«Heute kennt man die Zusammenhänge im Boden viel besser»: Charles Dowding gräbt in seinem üppigen Garten nichts um. Auf Youtube hat er 660’000 Abonnentinnen und Abonnenten.
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Das Bewusstsein, dass der Umgang mit dem Boden entscheidend ist für den Erfolg oder Misserfolg beim Gemüseanbau, wächst sowohl bei Landwirtinnen wie bei Hobbygärtnern. Seit einigen Jahren wird auch vermehrt zu Themen wie Schutz und Pflege des Bodens geforscht – trotzdem sind noch lange nicht alle Rätsel rund um die Geheimnisse des Bodens geklärt.

Charles Dowding hat dank Beobachtung und langjähriger Erfahrung sein Rezept gefunden und weiterentwickelt: Er gräbt seinen Boden nicht um, weil er die Durchlüftungsgänge, die natürlichen Abläufe im Boden sowie die Pilzgeflechte nicht stören möchte. Ein solcher Boden ist gesünder, ist er überzeugt. Dadurch können Pflanzen leichter Nährstoffe und Wasser aufnehmen.

Zudem gäbe es viel weniger zu jäten. «Durch das Umgraben gelangen Samen ans Licht und keimen, wodurch sie den nackten Boden bedecken, um den Schaden ‹wiedergutzumachen›», schreibt Charles Dowding in seinem Buch «No Dig».

Herr Dowding, wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Boden nicht mehr umzugraben?

Charles Dowding: Ich habe das Gärtnern nicht als Beruf erlernt, sondern durch Beobachten und Erfahrungen. Als ich 1982 mit 23 Jahren meinen ersten Gemüsegarten anlegte, um dessen Erträge auf dem Markt verkaufen zu können, besuchte ich zuerst andere Biogärtner. Mir fiel auf, in was für einem Kampf gegen das Unkraut die zum Teil steckten. Ich dachte, es muss doch einen Weg geben mit weniger Unkraut, und fand Berichte über Leute, die bereits «No Dig» anwandten.

Und dann haben Sie es selber ausprobiert?

Ja, ich kaufte eine grosse Ladung altes Heu und altes Stroh und legte es auf die Beete. Durch diese Mulchschicht wurde es schnell besser mit dem Unkraut, doch ich hatte viel mehr Probleme mit den Schnecken. Deshalb fing ich an, mit Kompost zu mulchen. Und das war es dann schon.

Den Ausschlag gab also ursprünglich das Unkraut?

Ja, damals kannte ich die vielen anderen Vorteile von «No Dig» noch nicht. Über Bodenlebewesen, Mykorrhiza-Geflechte und Mikroorganismen war damals viel weniger bekannt als heute. Heute kennt man die Zusammenhänge im Boden viel besser und erforscht sie immer weiter.

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Viele Gartenleute sagen, sie graben den Boden auch nicht um, sie lockern ihn bloss ein wenig mit der Grabgabel.

(lacht) Auch das ist Graben, denn der Boden wird gestört. Die Definition von «No Dig» heisst, der Boden wir nur minimalst gestört, zum Beispiel, wenn man einen Baum pflanzen will oder man tiefe Unkrautwurzeln entfernen möchte. Sonst nie. Weshalb sollte man den Boden lockern wollen? Es ist gar nicht nötig. Wir machen hier seit zehn Jahren einen Versuch und vergleichen Beete, in denen der Boden mit der Grabgabel gelockert wird, und Beete, in denen wir gar nicht stören. Die Beete sehen sehr ähnlich aus und bekommen genau gleich viel Kompost. Interessant ist jedoch das Gewicht der Ernte. In jenen Beeten, in denen gelockert wird, gibt es 5 % weniger Ernte als in den «No Dig»-Beeten.

Und wie erklären Sie sich dies?

Dass mit jeder Störung im Boden die Netzwerke für den Nährstofftransport und Mykorrhiza-Pilzgeflechte durchbrochen werden. Pflanzen, die auf ungestörten Böden wachsen, werden einfach besser versorgt mit dem, was sie brauchen.

Und was sagen Sie Gartenleuten, die ihre Gemüsebeete in der Nähe von Bäumen haben und deren Beete mit Wurzeln durchzogen werden, wenn sie nicht ab und zu graben und diese abstechen?

In solchen Situationen geht es wirklich nicht anders, da muss man graben, sonst durchwachsen die Wurzeln des Baumes das ganze Beet.

Wer sehr lehmhaltige Böden hat, schafft es auch mit «No Dig»?

Ja. Lehmböden brauchen keine Lockerungen und kein Umgraben. Lehm hat eine feste Struktur, speichert Nährstoffe und Wasser. Pflanzenwurzeln können durch den Lehm wachsen. Auf solchen Böden kann man gut Gemüse anbauen.

«Dieses Handwerk muss man lernen»: Guter Kompost sei der Schlüssel zum Erfolg, sagt Downey.

Sie sagen «No Dig» sei sehr einfach. Wenn man es aber genauer anschaut, ist es doch recht komplex. Man braucht viel Kompost. Guten Kompost selber herzustellen, verlangt einiges an Wissen.

Wenn man Gemüse anbauen will, ist Kompost der Schlüssel zum Erfolg. Dieses Handwerk muss man lernen. Und ja, es ist so: Gärtnern verlangt Fähigkeiten. Es gibt viel zu lernen. «No Dig» ist einfacher, als man denkt. Hört man auf, den Boden zu lockern oder umzugraben, hat man dafür mehr Zeit, sich seinem Kompost zu widmen.

Wer ein Beet nach Ihrer Anleitung anlegt, braucht eine Schicht von 15 Zentimeter Kompost. Das ist eine ganze Menge…

Zwischen 7 bis 15 Zentimeter kann schon funktionieren – aber so viel braucht es nur im ersten Jahr. Danach reicht eine jährlich aufgetragene Schicht von drei Zentimetern. Falls man zu wenig Kompost hat, kauft man dazu. Es ist ein Investment, das es auf alle Fälle wert ist.

Sie sind bekannt für provokative Aussagen und dafür, dass Sie an breit praktizierten Theorien rütteln. Zum Beispiel schreiben Sie auch, dass Sie der Fruchtfolge wenig Gewicht geben und keinen Nachteil feststellen.

Ich habe einfach festgestellt, dass eine strenge Fruchtfolge nicht nötig ist, wenn man den Boden nicht umgräbt und jährlich mit einer zwei bis drei Zentimeter dicken Schicht Kompost versorgt. Die Pflanzen sind dadurch gesünder. Ich pflanze seit acht Jahren Kohl und Kartoffeln in der gleichen Reihe an – sie wachsen fantastisch.

Sie plädieren auch dafür, die Setzlinge so klein wie möglich auszupflanzen, weil sie sich dann gemäss Ihren Beobachtungen viel schneller weiterentwickeln, als wenn sie gross und stark sind. Und die Schnecken?

Interessanterweise hat «No Dig» auch den Effekt, dass sich Nützlinge und Schädlinge viel besser die Waage halten. Das Ökosystem ist viel stabiler, die Schneckenpopulationen nehmen ab. Ich würde also die Setzlinge nicht im ersten «No Dig»-Jahr so klein setzen, wenn möglicherweise noch grosse Populationen von Schnecken vorhanden sind, sondern erst im zweiten Jahr. Wir haben eine Überlebensrate von 98% bei diesen sehr kleinen Setzlingen.

Das ist viel.

Ja. Denn es gibt einen weiteren Grund: Da kleine Setzlinge schneller anwachsen und sich weiterentwickeln, ist die Pflanze nicht gestresst. Grössere Pflanzen müssen zuerst einen grossen Wurzelballen in die Erde verankern, sind dadurch gestresst und ziehen somit Schnecken erst recht an.

Sie tönen so begeistert, wenn Sie von Ihrem Garten erzählen.

Ja, Gärtnern ist auch nach über 40 Jahren noch immer sehr aufregend und inspirierend. Der Garten ist einfach ein schöner Ort, um zu sein und zu arbeiten. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass sich Menschen im Garten und bei der Gartenarbeit gut fühlen und es ihrer Gesundheit guttut.

Dieser Artikel erschien erstmals am 29. Januar 2024. Zum Beginn der Gartensaison publizieren wir ihn erneut.