Französische Bodentruppen für die Ukraine?Auf dem Heimflug aus Berlin legt der Falke Macron nochmals nach
Kein Szenario dürfe ausgeschlossen werden, sagt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Und sein Land sei im Notfall bereit, auch wenn er sich das nicht wünsche.
Emmanuel Macrons Drang zur Selbsterklärung in ukrainischen Belangen und in Sachen Bodentruppen im Besonderen reisst nicht ab. Die Zeitung «Le Parisien» berichtet in ihrer Sonntagsausgabe, dass Frankreichs Präsident einen ihrer Journalisten am Freitagabend für die Rückreise aus Berlin in seinem Jet mitgenommen habe, einem Falcon 7X der Republik, um diesen und damit alle Franzosen ins Vertrauen zu nehmen über seine Gedankengänge.
Gerade hatte Macron noch Einigkeit demonstriert mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und dem polnischen Premier Donald Tusk, da war der Franzose schon wieder in der Nuancierung seiner eigenen Position. Die Wurstplatte, die ihm ein Flugbegleiter gereicht habe, habe Macron dabei nicht angefasst, schreibt der Reporter. Nur das Mineralwasser, das es dazu gab.
Scholz, sagt Macron, stecke in einer «pazifistischen Kultur» fest
«Vielleicht», sagte der Präsident, «werden wir an einen Punkt gelangen – was ich nicht wünsche und wozu ich auch die Initiative nicht ergreifen werde –, dass wir Bodenoperationen brauchen, wie die auch immer aussehen mögen, um die russischen Streitkräfte zu kontern. Die Stärke Frankreichs ist es, dass wir das können.» Man müsse alle Szenarien durchspielen, nichts dürfe man fürchten.
Es gebe in dieser Angelegenheit keinen «Ärger» zwischen ihm und Scholz, es verbinde sie eine «grosse gemeinsame Sicht» auf die Ziele und die Situation in der Ukraine. «Nur die Art und Weise, wie wir diese ausdrücken, ist unterschiedlich», sagte Macron, «weil die Strategiekulturen unserer beiden Länder unterschiedlich sind.»
Der Kanzler sei nun mal gezeichnet von der «pazifistischen Kultur» seiner Partei, der SPD. Ausserdem verfolge Deutschland insgesamt «eine Strategie der grossen Vorsicht, der Nichtintervention, es hält sich fern vom Nuklearen». «Dieses Modell ist sehr anders als unseres», sagte Macron. «Frankreich besitzt Atomwaffen, und wir haben an einer Berufsarmee festgehalten, die wir verstärkt haben.»
Zudem mache die französische Verfassung den Präsidenten der Republik zum Garanten der Verteidigung, zum Oberbefehlshaber der Armee, während die Kommandokette in Deutschland viel länger sei und zwangsläufig auch eine Etappe im Parlament vorsehe.
Er habe eigentlich vorgehabt, statt nach Berlin in die Ukraine zu fahren. Doch dann habe er sich gedacht, dass es gescheiter sei, dass er «sehr schnell» nach Berlin reise, damit sich keine Debatte über allfällige Divergenzen zwischen Frankreich und Deutschland einstellen könnten: «Es gibt keine.» Mit «sehr schnell» meinte er die Zeitspanne, die seit seiner Aussage vom 26. Februar vergangen ist.
Bei einer Pressekonferenz nach dem Hilfsgipfel für die Ukraine in Paris, an der damals auch Scholz teilgenommen hatte, sagte Macron, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch einmal westliche Bodentruppen in die Ukraine entsendet würden. Nur Stunden später distanzierten sich alle grossen Alliierten vom Franzosen.
Seitdem präzisiert Macron seine Position bei jedem Auftritt. Letzte Woche empfing er für ein Fernsehinterview TF1 und France 2 im Élysée. Mehr als neun Millionen Franzosen schauten zu. Der Präsident schilderte nun, dass der Krieg in der Ukraine «existeziell» sei für Europa und Frankreich, er finde «weniger als 1500 Kilometer von Strassburg entfernt» statt.
«Von der Taube zum Falken», titelt «Le Monde»
Die französische Opposition und eine Reihe von Kommentatoren werfen Macron vor, er gebe den «Kriegschef» auch mit Blick auf die Europawahlen im kommenden Juni: Seinem Lager wird eine schwere Niederlage gegen die extreme Rechte vorausgesagt. Um den Rückstand in den Umfragen zu verringern, weisen die Macronisten nun tatsächlich ständig darauf hin, dass die zwei Extreme, die linken Insoumis und die rechten Lepenisten, immer schon mit Putin sympathisiert hätten, während ihr Präsident unmissverständlich zur Ukraine stehe.
Doch auch diese Unmissverständlichkeit ist relativ neu. Le Monde titelte vor ein paar Tagen: «Krieg in der Ukraine – die Metamorphose des Emmanuel Macron, von der Taube zum Falken».
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