Analyse zu Frankreich und EU Hasardeur Macron fällt für Europa aus
Es hätte schlimmer kommen können. Doch das Wahlergebnis in Frankreich bleibt für die europäischen Partner eine schlechte Nachricht.
Zuerst hiess es aufatmen in Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten: «Enthusiasmus in Paris, Enttäuschung in Moskau, Erleichterung in Kiew», reagierte Polens Regierungschef Donald Tusk auf dem Kurznachrichtendienst X. Er jedenfalls sei glücklich über das Ergebnis. Die Reaktion kommt nicht von ungefähr, in Osteuropa wird Marine Le Pen noch stärker als anderswo als Politikerin gesehen, die unter dem Einfluss von Wladimir Putin steht.
Immerhin, das Schreckensszenario eines Wahlsiegs ihres rechtsextremen Rassemblement National ist ausgeblieben. Frankreichs Unterstützung für die Ukraine ist vorerst nicht in Gefahr. Und Emmanuel Macron wird diese Woche nicht mit einem Aussenminister von Marine Le Pens Gnaden zum Nato-Gipfel nach Washington reisen müssen.
Neuauflage der Eurokrise?
Dennoch: Stabilität sieht anders aus. Ohne klare Mehrheiten drohen Frankreich politisches Chaos und wirtschaftliche Stagnation. Der Schuldenstand wächst, Reformen wären nötig. Doch dafür wird Emmanuel Macron weder Kraft noch Mehrheiten haben. Der Präsident Frankreichs wird damit absorbiert sein, eine tragfähige Regierungsmehrheit zu organisieren, die im Herbst einen Haushalt präsentieren kann. Das Parteienbündnis der Linken will viel Geld ausgeben und das Rentenalter wieder senken. Wenn aber in Frankreich die Schulden explodieren, kann das auch eine Neuauflage der Eurokrise auslösen. Die Risikoaufschläge auf französische Staatsanleihen sind zuletzt schon kräftig gestiegen, die Sorge in den anderen Euroländern wächst.
Der deutsch-französische Motor fällt aus
Eine schwache Regierung in Berlin, ein angeschlagener Präsident in Paris – vom deutsch-französischen Motor sind in nächster Zeit kaum neue Impulse zu erwarten. Mit Blick auf die Erweiterung auf dem Balkan und die Verhandlungen mit der Ukraine müsste die EU sich reformieren, doch dafür fehlt jetzt die Energie.
Es bräuchte frischen Elan, um neue Ausgaben für den digitalen Wandel oder Verteidigung gemeinsam zu finanzieren. Emmanuel Macron hatte dazu in der Vergangenheit wichtige Anstösse gegeben und dürfte jetzt ausfallen. Das Standing des französischen Präsidenten hat in Brüssel zuletzt ohnehin gelitten. Macron werde als Egomane gesehen, als ein Hasardeur, so Diplomaten. Der Präsident habe im Alleingang mit den vorgezogenen Neuwahlen unnötig hoch gepokert. Instabilität in Frankreich schaffe Unsicherheit auch für Europa.
Die Freude von Polens Regierungschef Donald Tusk über das französische Wahlergebnis ist also möglicherweise kurzsichtig. Emmanuel Macron dürften schlicht das Geld und die politische Unterstützung zu Hause fehlen, um längerfristig die Solidarität mit der Ukraine finanzieren zu können. Die drohende politische Blockade in Paris ist eine Steilvorlage für Marine Le Pen und ihre Truppe, die vielleicht schon in einem Jahr bei neuen vorzogenen Neuwahlen triumphieren könnte.
In Frankreich hat es vorerst mit der Machtübernahme nicht geklappt, aber die Rechtsextremen sind nicht geschlagen, im Gegenteil. Im neuen EU-Parlament wird Marine Le Pens Rassemblement National mit Viktor Orbans Fidesz-Partei und dem Niederländer Geert Wilders in einer neuen Fraktion der «Patrioten» zusammenarbeiten, die drittstärkste Kraft werden könnte. Die Heirat der Rechtsextremen soll heute Montag besiegelt werden. Auf europäischer Ebene sind Le Pen und Co. genug stark, um Sand ins Getriebe zu schütten.
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