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Doppelbürgerinnen vor Schweiz - Italien
«Wenn die Typen am Boden liegen und ‹gränne›, regt mich das auf»

Breel Embolo (l.) will für die Schweiz treffen, Ciro Immobile für Italien. Beide haben an dieser EM bereits gepunktet.

Viola Calligaris, Nationalspielerin

«Ich hoffe auf einen Sieg der Schweizer Mannschaft»: Viola Calligaris.

Ich bin sehr stolz darauf, neben dem Schweizer Pass auch den italienischen zu besitzen. Aber ich bin in der Schweiz aufgewachsen und hoffe deshalb auf einen Sieg der Schweizer Mannschaft. Allerdings empfinde ich das Spielen der italienischen Nationalhymne als ergreifender – weil sie poppiger ist und vor allem, weil die italienischen Spieler alle mit Inbrunst mitsingen, während bei den Schweizern einige eher so vor sich hin murmeln.

Mein erstes Spiel in der U-16-Nationalmannschaft war auswärts gegen Italien. Wir haben 1:1 gespielt, meine ganze Familie ist damals mitgereist. Geschwindigkeit und Rhythmus sind beim Männerfussball höher als beim Frauenfussball. Was die Aggressivität betrifft, gibt es hingegen keine Unterschiede – ausser, dass wir Frauen weniger schnell am Boden liegen. Das ist vielleicht ein bisschen ein Klischee, aber eines, das zutrifft.

Wichtig ist mir, dass die Infrastruktur im Frauenfussball so gut wird, wie sie es im Männerfussball schon ist: Physiotherapie, Arztbesuche, Fitness, die Pflege der Fussballplätze und solche Dinge.

Franco Supino, Schriftsteller

«Ich bin nicht neutral, sondern wirklich für beide»: Franco Supino.

Ich wollte mir das Spiel zusammen mit zwei Freunden live in Rom anschauen, aber weil es nicht sicher ist, wie viele Leute sie überhaupt ins Stadio Olimpico reinlassen, haben wir die Tickets zurückgegeben. Normalerweise ist man für die eine oder die andere Mannschaft, oder es ist einem egal – bei Schweiz gegen Italien bin ich für beide. Nicht im Sinne von neutral, sondern wirklich für beide.

Als Kind und Jugendlicher hingegen war ich jeweils für Italien, und ich erinnere mich, wie ich damals als Jugendlicher ausgelacht wurde, als Italien 1982 kurz nach der WM gegen die Schweiz mit 0:1 verlor, Tor von Ruedi Elsener. Dass sich die Sympathien vieler Italo-Schweizer heute auf beide Teams verteilen, hat viel mit gelungener Integration zu tun. Niemand beschimpft uns heute mehr als Tschinggen, Italienerinnen und Italiener sind beliebt in der Schweiz. Es gibt keinen Grund mehr für Ressentiments.

Tamara Funiciello, Politikerin

«Ich entscheide mich erst während des Spiels für eine Mannschaft»: Tamara Funiciello.

Ich muss ehrlich sagen, dieses Spiel weckt bei mir keine grossen Emotionen. Ich schaue sehr gerne guten Fussball, deshalb schaue ich vor allem Frauenfussball. Denn wenn die Typen da nach einem Foul tragisch am Boden herumliegen und «gränne», regt mich das auf. Ich entscheide mich erst während des Spiels für eine Mannschaft, je nachdem, wie die beiden Teams spielen. Hoffentlich spielen die Italiener Angriffsfussball, hoffentlich verfallen sie nicht ihrer traditionellen Defensivstrategie.

Im Übrigen definiere ich mich nicht über meinen Pass, sondern über meine eigene Migrationserfahrung. Und über jene meiner Eltern – also über die Angehörigkeit zu einer sozialen Klasse, die damit verbunden ist.

Pippo Pollina, Cantautore

«Ich muss schauen, was das Spiel mit mir macht»: Pippo Pollina.

Ich habe selber nie Fussball gespielt, dafür braucht es eine andere Physis. Aber ich habe mich in meiner Jugend schon sehr dafür interessiert. Mein Club war Palermo, wobei die immer verloren haben; als Ersatz war ich deshalb für Inter. Damals repräsentierten die Spieler wirklich eine Mannschaft, eine Stadt; sie wechselten nicht alle sechs Monate ihr Trikot, und man hat sich mit ihnen identifiziert. Als es dann so total kommerziell wurde, habe ich das Interesse an den Clubmeisterschaften verloren; das war kein intellektueller Entscheid, sondern wirklich eine Sache des Herzens, es hat mir einfach nichts mehr bedeutet.

Bei der Nationalmannschaft ist das ein wenig anders, die verfolge ich gerade bei den grossen Anlässen immer noch. Wenn nun Italien gegen die Schweiz spielt, muss ich schauen, was das mit mir macht. Normalerweise freue ich mich immer, wenn die Schweiz gut spielt, wirklich. Aber in diesem Fall bin ich tendenziell wohl doch für Italien.

Maria Pappa, Stadtpräsidentin von St. Gallen

«Wie wenn zwei Brüder gegeneinander spielen würden»: Maria Pappa.

Ich bin für jene Mannschaft, die besser spielt. Persönlich werde ich mich also auf jeden Fall als Siegerin fühlen. Italien gegen die Schweiz, das ist für mich, wie wenn zwei Brüder gegeneinander spielen würden. Früher war das anders; bis ich etwa Mitte zwanzig war, stand ich ganz klar auf der Seite Italiens. Ich war ja damals noch nicht Doppelbürgerin, sondern nur Italienerin. Aber schon vor meiner Einbürgerung begann ich, mich zunehmend mit der Schweiz zu identifizieren. Seither bin ich neutral und denke vor dem Spiel: «Schauen wir mal, wer gewinnt.»

Uli Forte, Ex-Spieler und Trainer

«Die Schweiz hat wahrscheinlich sogar den besseren Sturm»: Uli Forte.

Schweiz gegen Italien, da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Der Bessere möge gewinnen. Ich bin Italiener, meine Wurzeln sind in Süditalien, aber ich bin in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Dafür werde ich meinen Eltern und dem Land, das mich und meine Familie so super aufgenommen hat, ewig dankbar sein.

Ich kenne viele Spieler der Schweizer Nationalmannschaft persönlich, einige habe ich selber trainiert. Und Vladimir Petkovic ist ein guter Freund. Wenn ich mich bei diesem Spiel für eine der beiden Mannschaften entscheiden müsste, wäre es die Schweiz, denn Italien kommt sowieso weiter.

Ich schaue die EM-Spiele jeweils allein. Wenn man sich mit Freunden trifft oder in ein Public Viewing geht, lenkt einen vieles ab. Ich verfolge das Spiel wahrscheinlich ein bisschen anders als die meisten Zuschauer. Ich konzentriere mich auf die Taktik – wer geht wann ins Pressing, spielen sie eine Dreier- oder eine Viererkette? Solche Dinge. Das entgeht einem, wenn man gleichzeitig mit Freunden isst und trinkt.

Spielerisch sehe ich Italien und die Schweiz durchaus auf Augenhöhe. Italien hat viele junge Talente, während die Schweizer eine erfahrene Truppe sind. Die Schweiz hat wahrscheinlich sogar den besseren Sturm, die Italiener sind vorne etwas schwach auf der Brust. Dafür ist ihre Abwehr mit Chiellini und Bonucci grossartig.

Corrado Pardini, Politiker und Gewerkschafter

«Ich wünsche mir, dass Italien Europameister wird»: Corrado Pardini.

Wer zwei Herzen in der Brust hat, kann sich ganz auf die Qualität des Spiels konzentrieren und die Emotionen unter Kontrolle halten. Italien steigt als Favorit in den Match, und falls es nun gegen die Schweiz grottenschlecht spielen sollte, kann ich damit viel besser leben, als wenn das gegen eine andere Mannschaft geschähe.

Ich habe grosse Sympathien für die Schweizer, schliesslich gibt es kaum ein anderes Team, in dem so viele Doppelbürger spielen. Aber ich wünsche mir, dass Italien Europameister wird – bei der Schweiz ist diese Hoffnung wohl vermessen.

Als Bub war ich übrigens immer für Italien. Je älter ich wurde, desto mehr gewannen die Schweizer bei mir an Sympathien. Besonders erinnere ich mich daran, dass Italien in seinem ersten Spiel nach dem WM-Triumph von 1982 gegen die Schweiz antrat und 1:0 verlor. Aber gut, diese Schmach konnte man sich als Azzurri-Fan damit erklären, dass die Italiener vom vielen Feiern noch etwas verkatert waren.

Graziella Contratto, Dirigentin

«Immerhin, ich durfte das Trikot meines Freundes waschen»: Graziella Contratto.

Wenn die Italiener in Hochform sind, spielen sie wie ein Streichquartett. Andrea Pirlo als sozusagen zweite Geige hat dieses Wunder im Halbfinal Italien gegen Deutschland an der EM 2012 vollbracht. Das ganze Azzurri-Team mit Bratsche de Rossi und Cello Buffon legte den strategischen Klangteppich aus für den eigentlichen Primarius: Balotelli schoss zwei Tore in der 20. und der 36. Minute, darauf riss er sich das Trikot vom Leib, ganz rousseauscher Held: «Schaut her, Technik, Natur, Präzision und Intuition – das alles bin ich, wenn man mich lässt.»

Ich bin zwar eigentlich keine Fussball-Aficionada, aber Fussball spielte in entscheidenden Momenten meines an Schwärmereien reichen Lebens öfters eine Rolle. Als Teenager verbrachte ich ganze Abende auf der Steintreppe des Fussballfelds gleich neben dem Kollegium Schwyz. Dort trainierte ein Interner mit italienischem Einschlag, der unglaublich gut aussah. Er hat sich dann für meine blonde beste Freundin interessiert, ich galt mit meiner Geige wohl als anstrengend.

Später hatte ich einen italienischen Freund, der mich nach drei Jahren Beziehung endlich in sein abgelegenes Heimatdörfchen in den Abruzzen mitnahm. Kaum angekommen, erhielt mein «fidanzato» ein Fussballtrikot übergestülpt, und ich wurde den Frauen des Dorfes, schwarz gekleideten Nonnen und aufgebrezelten «bellezze», zur Begutachtung übergeben. Ich weiss nicht mehr, wer bei den Männern gewonnen hat, vielleicht war es nur ein Scheinspiel, damit das Matriarchat seine Arbeit an mir verrichten konnte. Offenbar mochten mich die Alten, und ich durfte das Trikot meines Freundes waschen helfen. Am Dorfbrunnen.

Roberto Martullo, Unternehmer und SVP-Mitglied

«Selbst vor meiner Einbürgerung hoffte ich jeweils, die Schweizer Nationalmannschaft möge gewinnen»: Roberto Martullo, Ehemann der Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher.

Ich stehe bei diesem Spiel ganz klar auf der Seite der Schweizer Mannschaft. Schliesslich bin ich in der Schweiz geboren und aufgewachsen und lebe seit bald 60 Jahren hier. Italien kenne ich eigentlich nur von den Ferien. Selbst vor meiner Einbürgerung hoffte ich jeweils, die Schweizer Nationalmannschaft möge gegen die italienische gewinnen – wenn sie denn schon einmal an einem Turnier teilnehmen konnte.

Heute bin ich nur noch Schweizer, spreche aber perfekt Italienisch. Ich glaube, die Schweizer Nationalmannschaft ist gut auf dieses Turnier vorbereitet und kann mindestens bis in den Viertelfinal kommen. Sollte das Team irgendwann rausfliegen und Italien bleibt drin – dann bin ich während der restlichen EM für Italien, das dann schon.

Enrico Filippo Maligno, Violinist im Tonhalle-Orchester Zürich

«Ich fane besonders für die Lazio-Spieler»: Enrico Filippo Maligno.

Natürlich werde ich das Spiel verfolgen, ich bin ein Super-Fussball-Fan. Ich komme aus Rom, mein Club ist Lazio; die Meisterschaftsspiele schaue ich am liebsten allein, weil ich da jeweils sehr nervös bin. Bei der Nationalmannschaft ist es anders. Da hoffe ich sehr, dass ich mit Freunden zusammen schauen kann, zu Hause auf dem Sofa.

Ich werde für Italien fanen, ganz klar, auch wenn ich jetzt schon lange in der Schweiz lebe. Und ganz besonders natürlich für die beiden Lazio-Spieler, Ciro Immobile und Francesco Acerbi. Immobile sei ein spezieller Name für einen Fussballer, sagen Sie? Ach, der passt nicht schlecht, er ist manchmal tatsächlich ein bisschen unbeweglich – er sollte mehr rennen. Aber er ist, wie wir im Spiel gegen die Türkei gesehen haben, trotzdem sehr gut.