Akteneinsicht verweigert Finma hat Angst vor Prozessflut von Credit-Suisse-Klägern
2500 Bankkunden klagen gegen den umstrittenen Abschreiber ihrer Anleihen im Umfang von 16 Milliarden Franken. Bekommen sie recht, muss womöglich der Bund geradestehen.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) will verhindern, dass im Verfahren um die mit der Credit-Suisse-Übernahme abgeschriebenen sogenannten AT1-Anleihen gewisse Dokumente an die Öffentlichkeit kommen.
Dadurch würden potenzielle Klagen gegen die Eidgenossenschaft in internationalen Schieds- und Zivilverfahren gestärkt. Das geht aus einem Brief der Finanzmarktaufsicht an das Bundesverwaltungsgericht hervor, der dieser Redaktion vorliegt.
Eine Veröffentlichung vertraulicher Informationen könne das Vertrauen in ihre Aufsichtstätigkeit untergraben, argumentiert die Behörde weiter.
Es geht um mehrere Milliarden Franken
Wegen der Vernichtung der AT1-Anleihen sind vor dem Gericht in St. Gallen ungefähr 230 Beschwerden hängig. Denen haben sich rund 2500 Anlegerinnen und Anleger aus dem In- und Ausland angeschlossen. Aus der Schweiz ist es unter anderem die Pensionskasse der Migros, die damit auf einen Schlag 100 Millionen Franken verloren hat. Insgesamt geht es im Streitfall um mehrere Milliarden Franken.
Bei den AT1-Anleihen handelt es sich um Finanzinstrumente, die bei einer Bank im Krisenfall in Eigenkapital umgewandelt oder abgeschrieben werden können. Als Teil der Credit-Suisse-Rettung hatte die Finma am 19. März 2023 eine Verfügung erlassen, in welcher sie die Credit Suisse anwies, AT1-Anleihen im Umfang von 16 Milliarden Franken abzuschreiben.
Gestützt wurde die Finma vom Bundesrat, der dafür zu Notrecht gegriffen hatte. Kurz darauf reichten Anlegerinnen und Anleger vor dem Bundesverwaltungsgericht Klagen dagegen ein.
Sie argumentierten unter anderem damit, dass die Credit Suisse unter einem Liquiditätsproblem und nicht unter fehlendem Kapital leide. Die Vernichtung der Finanzinstrumente habe der Bank keine zusätzliche Liquidität eingebracht und sei daher nicht zielführend gewesen.
Wie es zu der Entscheidung für die Vernichtung des AT1-Kapitals genau gekommen ist, ist jedoch nach wie vor unklar. Die Kläger haben deshalb volle Akteneinsicht beantragt.
Der Finma wird Verzögerungstaktik vorgeworfen
«Die Korrespondenz zwischen der Finma und der Credit Suisse ist von entscheidender Bedeutung, um zu verstehen, ob die Bedingungen für eine Abschreibung der AT1 wirklich bestanden», sagt Dario Item. Der Anwalt vertritt Obligationäre vor dem Bundesverwaltungsgericht. Er wirft der Finanzmarktaufsicht vor, mit dem Brief eine Verzögerungsstrategie zu verfolgen.
Dass sich die Aufsichtsbehörde gegen Akteneinsicht wehrt, ist jedoch keine neue Taktik. Das bestätigen andere Anwälte, die Obligationäre in der Sache vertreten. Fraglich ist, ob die Behörde befürchtet, dass ihre Argumente für die Abschreibung der AT1-Anleihen nicht stark genug sind.
Eine entsprechende Anfrage kommentiert die Finma nicht. Die Behörde hält einzig fest, dass sie ihren Standpunkt zur AT1-Abschreibung vor Gericht vortrage und die zahlreichen Beschwerdeverfahren nicht über die Medien führe. Bis heute habe sie mehr als hundert detaillierte Vernehmlassungen vor dem Bundesverwaltungsgericht eingereicht.
Am Schluss könnten die Steuerzahler haften
Eine Entscheidung des Gerichts in St. Gallen zieht sich jedoch hin. Ein Jahr nach der Übernahme der Credit Suisse haben nach wie vor nicht alle Klägerinnen und Kläger die Stellungnahme der Finma und der Banken erhalten. Unter den Obligationären wächst deswegen dem Vernehmen nach der Unmut.
Letztlich geht es auch um die Frage der Haftung. Gibt ein Gericht den Klägern recht, müssten wohl die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Verfügung der Finma geradestehen. Die UBS stellt sich auf den Standpunkt, dass sie mit dem AT1-Entscheid nichts zu tun hat – auch wenn Präsident Colm Kelleher unlängst in einem Interview mit der NZZ sagte, dass es ohne den AT1-Abschreiber nicht zu einer Einigung bei der Rettung der Credit Suisse gekommen wäre.
Die UBS ist in der Sache jedoch nicht vollständig aus dem Schneider. Immerhin hat sie vom Abschreiber der AT1-Anleihen am stärksten profitiert. Entscheidet ein Gericht auf Wiederbelebung der Anleihen, dann müsste die Grossbank den Investorinnen und Investoren etwa erneut Zins darauf zahlen. Auch weitere Klagen, die sich direkt gegen die UBS richten, sind nicht ausgeschlossen.
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