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Finger weg!

Was im Verwandtenkreis drinliegt, geht bei Fremden oft nicht problemlos: Erwachsene tätschelt den Kopf eines Kindes.

Letzthin war ich im Zoo. Mit meinem Sohn, der halben Schweiz und einem Grossteil von Europa, Japan und den USA. Die wenigen Leerräume zwischen den Menschen waren mit Wespen gefüllt. Darum, das gebe ich zu, war ich nicht (n.i.c.h.t.) ganz entspannt. Aber ich habe mir redlich Mühe gegeben, wenigstes so zu tun.

Als ich mich mit meinem Sohn im Zoo-Shop nach einem Erinnerungsgummitier umsah, wie wir das jedes Mal tun, ist mir ein Storch vom Gestell gestürzt, Schnabel voran. Zack. Dabei flog er einen gefühlten Millimeter am blonden Köpfchen eines etwa zweijährigen Mädchens vorbei. Schrecksekunde. Sofort hab ich mich niedergekauert und mich entschuldigt. Dabei habe ich dem Mädchen, ohne viel dabei zu überlegen, über die Schulter gestreichelt. Da schnellte die Hand der Mutter vor, zog das Kind an ihre Beine und legte den Arm wie eine Festung um das Kind: «It’s okay. But don’t touch!!!», fauchte sie.

Ich war so vor den Kopf gestossen, dass ich stachelig entgegnete, so sei das in der Schweiz nun mal, hier würden wir die Kinder berühren. Punkt. Sie solle sich nicht so anstellen. Gleichzeitig hätte ich losheulen können. Sehe ich aus wie ein alter Pädosack oder wie eine versoffene Asi-Tante mit Krätze oder was? Schliesslich stand ja mein Sohn gleich neben mir, es war also auch ganz offensichtlich, dass ich mir kein fremdes Kind klauen muss. Kurz: Ich war stockbeleidigt. Wir haben den Zoo, die vielen Menschen und die Wespen fluchtartig verlassen.

Den Rest des Tages musste ich über diese Begegnung und meine zugegebenermassen unsouveräne Antwort nachdenken. Mit etwas Distanz konnte ich mir dann doch noch ein paar Gründe ausmalen, warum die gute Frau so reagiert haben könnte. Entweder sie hatte den Hygienefimmel, sie hatte selbst mal etwas Schlimmes erlebt – oder sie stammte einfach aus einem Land, in dem man unbekannte Kinder nicht anfasst, zum Beispiel aus den USA. Und tatsächlich ist es mir auch schon passiert, dass ich irritiert war, als Fremde meine Kinder berührt hatten…

Ich habe deshalb das letzte Wochenende am Theaterspektakel beobachtet, wie das bei uns gehandhabt wird. Tatsächlich hat die Popcornverkäuferin ein Kind am Arm gefasst, um sich zu entschuldigen, dass sie es in der Warteschlange übersehen hatte – und es gab Situationen, in denen Fremde kleinen Kindern nach einem Sturz auf die Beine halfen oder ein verirrtes Kind an der Hand zu seiner Mutter brachten. Alles sehr unaufgeregt und natürlich. Offensichtlich hatten alle vor Ort etwa ähnliche Vorstellungen vom Umgang mit Kindern. Für mich die natürlichste Sache der Welt und nicht zu verwechseln mit Situationen, in denen Wildfremde im Tram oder einem Lift oder sonst wo grundlos grapschen.

Es wäre spannend zu wissen, wie das für die Kleinen ist. Ich selbst erinnere mich noch gut daran, wie ich als kleines Mädchen bei einem Spanienurlaub ständig über den Kopf gestreichelt wurde, weil ich butterweisse Locken hatte. Ich fand das irgendetwas zwischen unangenehm und schmeichelhaft (Letzteres erst, nachdem meine Eltern mir erklärt hatten, warum ich ständig angestrahlt und befummelt wurde).

Wie sehen Sie das? Darf man fremde Kinder anfassen? Und wenn ja: wann und wie?

Dieser Artikel wurde erstmals am 22. August 2014 publiziert und am 31. Juli 2023 in dieses Redaktionssystem übertragen.