Nachhaltige AnlagenFinanzbranche kontert Greenwashing-Vorwürfe
In einem Interview hatte ein Ex-Blackrock-Manager die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Finanzbranche als Marketing abgetan. Was Blackrock und Schweizer Finanzvertreter dazu sagen.

Beim Mediengespräch der Vereinigung Building Bridges am Freitag war so ziemlich alles da, was in Sachen «Nachhaltiger Finanzplatz» in der Schweiz Rang und Namen hat: von Privatbanker Patrick Odier über Jörg Gasser, Geschäftsführer der Bankiervereinigung, bis hin zur Finanzstaatssekretärin Daniela Stoffel.
Zwei Tage zuvor hatte ausgerechnet der ehemalige Anlagechef für nachhaltige Investments des weltgrössten Investors Blackrock, Tariq Fancy, die Branche heftig kritisiert. Ihre Bemühungen, sogenannte ESG-Ziele zu erreichen (E für Umwelt, S für Sozial, G für gute Unternehmensführung), zerpflückte er im Interview mit dieser Zeitung als Marketing-Gag.
Blackrock, die Schweizerische Bankiervereinigung sowie die Branchenvereinigung Swiss Sustainable Finance entgegnen der Kritik nun Punkt für Punkt. Aber nicht nur: Teilweise ist auch Zustimmung zu hören.
Kritikpunkt 1: Die Branche will mit ihren Nachhaltigkeitsbemühungen bloss Regulierung vermeiden.
Falsch, entgegnet Blackrock und verweist auf den Brief von Konzernchef Larry Fink von Anfang des Jahres: «Die Regierungen müssen eine Führungsrolle dabei übernehmen, diese Krise zu anzugehen: Standards zu setzen, die richtigen Anreize zu schaffen, CO₂ einen Preis zu geben sowie Investments in Technologie und Infrastruktur sind für die Energiewende nötig», schreibt darin Fink. «Die Finanzwirtschaft wäre die Erste, die einen globalen CO₂-Preis begrüssen würde. Und sie spricht sich auch regelmässig öffentlich dafür aus», sagt auch Sabine Döbeli, Geschäftsführerin von Swiss Sustainable Finance.
«Nur mit Gesetzen, die schmutzige Aktivitäten unrentabel machen, können wir unsere Wirtschaft auf einen grünen Pfad bringen.»
Die Schweizerische Bankiervereinigung weist darauf hin, dass die Schweizer Banken das CO₂-Gesetz unterstützt hätten, das aber an der Urne gescheitert ist. «Nur mit Gesetzen, die schmutzige Aktivitäten unrentabel machen, können wir unsere Wirtschaft und Gesellschaft wirklich auf einen grünen Pfad bringen», sagt Döbeli. «In diesem Punkt bin ich mit Herrn Fancy einig.»
Kritikpunkt 2: ESG-Anlageprodukte sind nicht nachhaltig, die Branche betreibt damit «Greenwashing».
Die Gefahr, dass Anbieter den Trend zu sauberen Geldanlagen für Marketingzwecke missbrauchen, sehen viele in der Branche. «Wir brauchen ein einheitliches Verständnis darüber, was eine nachhaltige Tätigkeit ist», heisst es vom Bankenverband. Dazu seien auch einheitliche Methoden nötig, wie Unternehmen ihren Status quo messen können. Zudem arbeitet die Asset Management Association Switzerland an Empfehlungen, damit Anleger wissen, mit welchen Anlagestrategien welche ESG-Ziele erreicht werden können.
Branchenvertreterin Döbeli wünscht sich, dass Anleger auf einem Faktenblatt sehen können, wie ein Anlageprodukt bei bestimmten ESG-Kennziffern abschneidet, wie zum Beispiel beim Thema Klimaschutz. Einheitliche Regeln gibt es dazu in der Schweiz aber noch nicht. «Die Frage, ob die Schweiz jetzt eine zusätzliche Regulierung im Bereich Greenwashing braucht, wird bis Ende Jahr entschieden», erklärte Staatssekretärin Daniela Stoffel.
Und Blackrock kündigte an, Ende dieses Jahres für einen Grossteil seiner Portfolios Ratings zu veröffentlichen, die anzeigen, inwieweit ein Portfolio im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens steht.

Kritikpunkt 3: Nachhaltige Investments haben keinen Nutzen für die Umwelt.
«Längst nicht alle nachhaltigen Finanzprodukte zielen primär auf eine unmittelbare Wirkung», sagt Nachhaltigskeitsexpertin Döbeli. Aber die Bedeutung von Anlagestrategien, die eine unmittelbare Wirkung erzielen wollen, nehme zu – zum Beispiel ausserbörsliche Beteiligungen an dezentralen erneuerbaren Energieversorgungslösungen in Entwicklungsländern.
Auch bei den sogenannten Sekundärmärkten, also dem Kauf von bestehenden Aktien an der Börse, könnten Investoren einen Einfluss Richtung Nachhaltigkeit haben. «Investoren führen immer erfolgreicher einen Dialog mit Unternehmen, um sie zu nachhaltigerem Verhalten zu bewegen», sagt Döbeli.
Blackrock argumentiert, dass durch den Kauf von Aktien von Unternehmen mit einem sauberen Geschäftsmodell am Ende deren Finanzierungskosten sinken. Umgekehrt würden die Finanzierungskosten von Firmen aus schmutzigen Branchen steigen. In Zukunft sei eine noch stärkere Neubepreisung von Klimarisiken zu erwarten, denn die Märkte würden in der Tendenz langfristige Risiken wie Klimakosten unterschätzen, argumentiert Blackrock.
Kritikpunkt 4: ESG-Kriterien haben keinen Einfluss auf die Wertentwicklung.
«Dieses Vorurteil ist längst widerlegt», entgegnet Sabine Döbeli. «Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass man mit nachhaltigen Anlagen keine finanziellen Nachteile in Kauf nimmt.» Auch die Bankiervereinigung verweist auf solche Studien, wie zum Beispiel jene des Indexanbieters MSCI.
Blackrock fügt an, dass der Fondsriese überzeugt sei, dass «Anlagen mit einem hohen Grad an Nachhaltigkeit teurer werden, während weniger nachhaltige Investments im Preis sinken werden». Sprich, wer nachhaltig investiert, könne auf einen Performancevorteil hoffen.
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