Schicksalsfrage für MegabankFür die UBS würde sich ein Wegzug erst nach 15 Jahren lohnen – wenn überhaupt
Der Bund will, dass die Grossbank mehr Kapital hält. Die UBS wehrt sich und bringt sogar den Abschied aus der Schweiz ins Spiel. Doch ihre Argumente sind umstritten. Und der Aktienkurs fällt ab.

- Die Nationalbank und die Finma fordern wegen des Risikos höhere Kapitalreserven für UBS-Töchter im Ausland.
- Die UBS erwägt öffentlichkeitswirksam einen Wegzug aus der Schweiz als Druckmittel.
- Fachleute sehen neben Zürich höchstens Singapur als ernsthaften Standort für die UBS.
- Strenge Kapitalvorschriften könnten die Bank zum Personalabbau sowie zur Geschäftsverkleinerung zwingen.
Die Positionen liegen weit auseinander. Die Schweizerische Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht (Finma) fordern lautstark, dass die UBS ihre ausländischen Töchter mit einem grösseren Kapitalpolster ausstatten soll. Damit die Zentrale der Bank nicht in Schieflage gerät, sollten dereinst die Töchter in ernsthafte Probleme geraten. Das ist eine Lehre aus dem Untergang der Credit Suisse.
Dagegen wehrt sich die UBS vehement. Sie pocht darauf, schon genügend Sicherheiten zu haben, und hat Angst davor, dass sie einen Nachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz bekommt, wenn sie mehr Kapital braucht.
Für die Bank ist es eine Schicksalsfrage. Seit einigen Tagen ist klar: Das Szenario eines Wegzugs der UBS aus der Schweiz ist mehr als eine leere Drohung. Es wird von banknahen Personen möglichst öffentlichkeitswirksam über die Nachrichtenagentur Bloomberg ins Spiel gebracht.
UBS-Manager tritt in der «Arena» auf
Das Thema ist für Bank so wichtig, dass sie am Freitag erstmals seit Jahren mit UBS-Mann Markus Ronner ein Mitglied der Geschäftsleitung* in die SRF-Diskussionssendung «Arena» schickt. Er soll Frau und Herrn Schweizer den Standpunkt der UBS klarmachen.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Die Diskussion wird immer intensiver, weil das Finanzdepartement Anfang Juni die Eckwerte der neuen Regeln bekannt geben wird. Dann wird sich in etwa zeigen, wie gross der zusätzliche Kapitalbedarf sein könnte. Greifen könnten die neuen Vorgaben ab 2028.
Wer sich im Bundeshaus umhört, spürt aber, dass die UBS mit ihrem offensiven Lobbying nicht nur gut ankommt. Dort sind etwa Sätze zu hören wie: «Das ist maximal nervig.»
Singapur schlägt New York, London, Hongkong und Dubai
Wie realistisch ist die Drohung, den Hauptsitz aus der Schweiz zu verlegen? Die Antwort fällt klar aus und kommt schnell: nicht sehr. Für mehrere befragte Fachleute schlägt kein anderer Finanzplatz die Schweiz.
Es sei ziemlich unwahrscheinlich, dass sich ein Umzug innerhalb von fünf Jahren rechne, sagt ein Berater eines Grossunternehmens, der seinen Namen hier nicht lesen will. Wenn man davon ausgehe, dass die UBS 2 bis 2,5 Milliarden Franken pro Jahr an Steuern und Kapitalkosten sparen könne, dann könnte es sich wenn überhaupt erst innerhalb von zehn bis fünfzehn Jahren auszahlen. «Das ist ein sehr langer Zeitraum, das lohnt sich für ein börsengehandeltes Unternehmen nicht», so der Berater. Andere sehen in der langen Zeitspanne jedoch keinen Hinderungsgrund.
So könnten Kundinnen und Kunden ein Problem bekommen, wenn die UBS beispielsweise ihren Sitz nach New York verlegt. Für viele Kunden aus dem asiatischen Raum wäre das ein No-go, weil sie ihr Geld nicht bei einer US-Bank haben wollen. Das zeigt sich auch jetzt, wo mehrere Schweizer Banken eine Zustrom von Kundengeldern aus den USA spüren. London, eine andere Alternative, habe seit dem Brexit an Attraktivität eingebüsst. Hongkong falle weg, weil der Finanzplatz unter chinesischem Einfluss stehe.
Gegenüber einem Hauptsitz in Dubai sind die befragten Fachleute skeptisch. Da würde sich die Frage stellen, ob der Finanzplatz genügend professionell ist, um von der internationalen Kundschaft als seriös und unabhängig angesehen zu werden. Am Schluss bleiben Singapur und die Schweiz übrig, so die einhellige Meinung. Dann ist die Frage, wo die richtigen Mitarbeitenden sind – mit besseren Karten für Zürich. So das Ausschlussverfahren der Fachleute.
Ermotti will «von der Schweiz aus erfolgreich sein»
Die Bank verweist auf ein Statement von UBS-Chef Sergio Ermotti von Anfang Jahr und auf seinen Brief an die Mitarbeitenden: «Das Schweizer Geschäft ist eine der Säulen unserer Strategie. Wir wollen weiterhin von der Schweiz aus erfolgreich sein.» Er glaube nicht, dass es ein Thema sei, «überhaupt darüber nachzudenken, die Schweiz zu verlassen».
Auch andere internationale Grossbanken haben bereits mit einem Umzug gedroht. In Zürich kursiert die Geschichte, dass die US-Grossbank Goldman Sachs vor zwanzig Jahren zeigen wollte, dass sie es ernst meinte mit einem allfälligen Wegzug aus den USA, und in der Nähe der Bahnhofstrasse zwei Stockwerke – komplett mit Trading Floor – eingerichtet hat. Gebraucht wurden sie nicht.
Umgezogen ist die Grossbank Nordea. Sie hat 2018 ihren Hauptsitz von Schweden nach Finnland verlegt, um unter den Bankenschirm der EU zu kommen. Für Fachleute ist das aber kein Vorbild für die UBS, denn das Geschäftsmodell von Nordea ist nicht so stark auf die vermögende Kundschaft rund um den Globus ausgelegt.
Vermeintlicher Kompromissvorschlag der UBS
Derzeit kommen aus dem Innern der UBS aber nicht nur Drohungen, sondern auch Vorschläge, mit denen die Bank Kompromissbereitschaft signalisieren will. Via die Nachrichtenagentur Reuters liess ein anonymer UBS-Manager verlauten, man könne damit leben, wenn der Kapitalbedarf der Investmentbank künftig auf 30 Prozent der Bilanz beschränkt werden würde.
So gross ist die Einschränkung aber nicht: Das gemeinhin als risikoreiches Standbein angesehene Geschäft beansprucht derzeit 21 Prozent des Kapitals. Ohnehin hat die UBS bei der Übernahme der Credit Suisse vor zwei Jahren versprochen, der Anteil soll bei höchstens 25 Prozent liegen.
Analyst Andreas Venditti von der Bank Vontobel stützt die Position der UBS: «Deutlich höhere Kapitalanforderungen für die UBS wären ein Problem für die Bank.» Die Kapitalanforderungen werden nach den aktuell gültigen Regeln bereits um 20 Milliarden Franken ansteigen. Wenn der Bund nun eine Erhöhung um weitere 20 Milliarden Franken fordert, entstehe ihr gegenüber der internationalen Konkurrenz ein massiver Nachteil.
Im Inland würde sie im Hypothekargeschäft aufgrund höherer Preise laufend weitere Marktanteile an die Kantonalbanken verlieren. International könnten US-Banken wie JP Morgan wesentlich günstigere Finanzierungen anbieten, mit denen die UBS nicht mithalten könne. Faktisch entstehe dadurch der Zwang, dass die Bank kleiner werde. «Durch deutlich höhere Kapitalvorgaben ist die UBS zum Schrumpfen gezwungen», so Vendittis Fazit.
Der Kurs der UBS-Aktie ist ein Problem
Wo kann sie kleiner werden? Von den vier Geschäftsbereichen – internationale Vermögensverwaltung, Asset-Management, Investmentbank und Schweizer Geschäft – generieren die letzten beiden die tiefsten Kapitalrenditen. «Da müsste die UBS ansetzen und gleichzeitig Kosten sparen», sagt Venditti. Was wiederum bedeutet, dass die Bank Personal abbauen müsste. Die Personalkosten machen rund 70 Prozent der Ausgaben der Grossbank aus. Die Schrumpfkur würde sich also auch auf die Anzahl Mitarbeitenden auswirken.
Für Finanzexperten ist klar, dass die Sache auf dem Aktienkurs lastet. Ein Analyst der US-Grossbank Goldman Sachs glaubt, dass die UBS-Aktie von heute 28 Franken nur noch auf 36 Franken klettern wird und nicht mehr bis auf 44.50 Franken. Der eingetrübte Ausblick führte dazu, dass die UBS-Aktie am Donnerstag 5 Prozent ihres Werts verlor.
«Der Aktienkurs der UBS entwickelt sich im Konkurrenzvergleich klar unterdurchschnittlich», sagt Venditti von der Bank Vontobel. In den letzten zwölf Monaten haben die Wertpapiere der europäischen und der US-Konkurrenz viel besser abgeschnitten. «Die anhaltende Unsicherheit zum Kapitalaufbau ist der Grund dafür, denn das Alltagsgeschäft der UBS entwickelt sich sehr gut.» Der tiefe Aktienkurs verbunden mit dem soliden Geschäft könnte die UBS tatsächlich zu einer Übernahmekandidatin machen, so Venditti.
«Wir lehnen unverhältnismässige Massnahmen ab»
Auch die mögliche Übernahme der UBS durch einen ausländischen Konkurrenten ist eines der Szenarien, die seit einigen Tagen als Schreckgespenst kursieren, sollte die Schweiz der UBS zu strenge Vorgaben machen.
Die UBS betont in einer Stellungnahme ihre Kompromissbereitschaft: «Wir unterstützen die Vorschläge der Regierung zur Stärkung der Finanzstabilität grundsätzlich.» Anpassungen des regulatorischen Rahmens sollten jedoch zielgerichtet, verhältnismässig und international ausgerichtet sein. «Wir lehnen unverhältnismässige Massnahmen ab – sie sind unnötig, führen zu erheblichen Mehrkosten für die Bank sowie Schweizer Haushalte und Unternehmen und sind nicht vereinbar mit dem Ziel eines global wettbewerbsfähigen Finanzplatzes», heisst es weiter. Denn die UBS gehöre bereits heute zu den bestkapitalisierten Banken im globalen Wettbewerb.
Die Diskussion darum, ob das reicht, ist aber noch lange nicht abgeschlossen.
Was denken Sie über einen möglichen Wegzug der UBS? Wie stünde die Schweiz ohne Grossbank da? Diskutieren Sie in der Kommentarspalte mit.
*Markus Ronner ist nicht Rikisikochef, wie ursprünglich im Artikel geschrieben. Sondern er ist für den weltweiten Austausch mit Regulatoren zuständig.
Fehler gefunden?Jetzt melden.