Luzerner Fasnacht«An der Fasnacht können wir alles andere etwas vergessen»
Mehr als eine Viertelmillion Menschen strömen in diesen Tagen an die Luzerner Fasnacht. Ihnen geht es um bunte Kostüme, laute Musik – und auch ein wenig kollektiven Eskapismus. Eine Reportage in Bildern.

Seit fünf Uhr morgens wimmelt es in der Stadt Luzern von bunten Gesichtern und Kostümen. Mit dem traditionellen Urknall – einem Feuerwerkskörper, dessen Explosion die ganze Stadt aus dem Bett holt – begann am Donnerstag die sechstägige Luzerner Fasnacht.
300’000 Menschen nehmen jährlich teil.
Was fasziniert sie?

Freunde aus Luzern («Club 27»): «Fasnacht ist Spass, Ausleben, Feiern. Und ein bisschen aus dem Alltag flüchten und die Sau rauslassen.»

Zwei Oberstufenschülerinnen: «Wir sind um Viertel nach drei aufgestanden, um an der Tagwache dabei zu sein. Es macht einfach Spass, weil wir mit Freundinnen an die Fasnacht gehen, gemeinsam Zeit verbringen. Hier können wir auch mal die Regeln brechen – etwa länger draussen bleiben als erlaubt.»

Familie im Wikingerkostüm: «Die Fasnacht ist für die Luzerner in etwa dasselbe wie das Böögg-Verbrennen für die Zürcher. Es ist Tradition, ein Heimatgefühl. Uns gefällt vor allem das Kostümbasteln. Dieses Jahr hatten wir weniger lang als auch schon. Mit dem Wagen – den haben wir heute nicht hier – haben wir erst im November angefangen.»

Leseratten: «Wir sind als Familie hier. Wo ist jetzt der Papi wieder hin? Paaaps…»

Zwei Freundinnen aus der Innerschweiz: «Wir finden es besonders schön, zu sehen, wie kreativ die anderen Leute hier sind. Die Kostüme, die Wagen, die Musik. Warum wir uns als Teebeutel verkleidet haben? Wir sind einfach begeisterte Teetrinkerinnen!»

Wagengruppe aus Luzern: «Wir beginnen in der Regel im Mai und arbeiten ab dann zwei Wochenendtage pro Monat an unserem Wagen und den Kostümen. Ab Dezember dann natürlich noch etwas intensiver… Zürcher können das nicht verstehen. Aber wenn man mit diesem Brauch aufgewachsen ist, freut man sich auf diese paar Tage und nimmt diesen Aufwand gern auf sich.»

Frauengruppe mit «Meister Proper»-Tank: «Fasnacht bedeutet für uns, das Leben zu leben. Es laufen so viele traurige Dinge auf der Welt, aber an der Fasnacht können wir alles andere etwas vergessen, in eine andere Welt eintauchen, diese zelebrieren. Was wir zelebrieren? Wir sind ‹putzt und gstrählt›!»
Einmal Tapetenwechsel, bitte. In Zeiten von anhaltenden Kriegen, wirtschaftlichen Unsicherheiten, von zunehmenden psychischen Belastungen sehnen sich viele nach etwas Abstand.
Oder wie es Fachpersonen bezüglich der News-Deprivation häufig nennen: Eskapismus. Die Flucht aus der als belastend empfundenen Realität in eine Scheinwelt oder ins Vergnügen.
Nadine Arnold spricht von der Fasnacht als «zweite Lebenswelt». Die Professorin für Soziologie an der Universität Luzern sagt: «Im Gegensatz zum klassischen Eskapismus ziehen sich die Menschen an der Fasnacht nicht ins Private zurück. Vielmehr flüchten sie gemeinsam in eine andere, reale Welt.» Sozusagen ein kollektiver Eskapismus.
Diese Flucht sei nicht zwingend negativ zu werten, findet Arnold. «Es ist eine schöne Form des Flüchtens, weil man es gemeinsam macht und gewisse Strukturen oder Hierarchien durchbricht.» Die üblichen Gepflogenheiten werden über Bord geworfen, der Chefin bei Gelegenheit Konfetti ins Gesicht geworfen oder die Politik auf kreative Weise kritisiert.

Vier Mitglieder der Maskenliebhaber-Gesellschaft der Stadt Luzern: «Die Fasnacht bedeutet für uns Heimat, Kultur, die fünfte Jahreszeit. Unser Motto dieses Jahr ist der Tourismus, ‹Ohne Roth kein Grün›. Eine Anspielung auf unseren SP-Nationalrat David Roth, der ein Rollkofferverbot gefordert hat. Wir führen dazu auch ein Theater auf. Natürlich mit Augenzwinkern.»

Vier Glacestängel: «Was hast du gesagt? Oder hast du mit der Rakete geredet? Ich höre hier drin nicht so viel. Aber macht nichts, schöne Fasnacht!»

Pipi Langstrumpf(e): «Uns geht es vor allem darum, mit Freunden zusammen zu sein. Am meisten Spass macht das Vorbereiten: Wir haben stundenlang genäht, gebastelt, wir haben einfach jedes Jahr eine gute Zeit.»

Pudelfamilie: «Wuff, mehr gibts gerade nicht zu sagen.»

Zwei Discokugeln: «Kriegen wir jetzt eine Busse? Ah, nein, wir sind ja an der Fasnacht.»

Kanu-Viererteam: «Es wird schon häufig etwas eng, ja. Aber so kommt man ins Gespräch!»

Eine Dusche: «Es erkennt immerhin jede und jeder.»

Guggenmusig-Mitglied der «Näbelhüüler Äbike»: «An der Fasnacht ist man hemmungslos, kann den Kopf abschalten, Musik machen und feiern. Wie viele Auftritte wir haben? Puh – zwischen 40 und 60. Das ist schon anstrengend, ja. Aber die Fasnacht hat ja dann auch wieder ein Ende.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.