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Mamablog: Auszeit auf dem Atlantik
Familienalltag im Segeldorf

Sind dort nicht…: Erstaunlicherweise hat das Sozialleben auf dem Segelschiff Parallelen zum Dorfleben.
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«Venez avec nous!», dringen fröhliche Stimmen auf unser Deck, der Blick über die Reling zeigt eine Reihe erwartungsvoller Kinder, die unsere Jungs auffordern, mit ihnen zu kommen. Mit kleinen Fangnetzen an langen Stecken stehen unsere französischen Nachbarn und Nachbarinnen Jules, Mathéo, May, Lou und Ulysses bereit, Abfall aus dem Hafenbecken zu fischen.

Mindelo, die zweitgrösste Stadt der Kapverden, ist momentan unsere Heimat, unser Schiff liegt hier seit einigen Tagen fest vertaut. Um uns herum wuselt das Leben; für eine Schweizer Familie, wie wir es sind, ist es exotischer als alles, was wir bisher auf dem Weg hierhin von Südportugal über Porto Santo, Madeira und einer langen Zeit auf den Kanaren erlebt haben.

So viele neue Eindrücke auf einmal – und doch war es auch ein Heimkommen.

Für unsere Kinder, die in den vergangenen Jahren hauptsächlich die Schweiz und ab und an ein Nachbarland bereist haben, war die Ankunft auf den Kapverden aufregend, die Augen beim ersten Landgang auf der nordöstlichsten Insel Sal gross. Zappelnde Fische auf dem Steg, beschwingte Rhythmen und viele hilfreiche Hände, die uns kurzerhand vom Beiboot hievten – ein spezieller Empfang, insbesondere nach sieben ruhigen, beschaulichen Tagen auf hoher See, die wir damals hinter uns hatten. So viele neue Eindrücke auf einmal – und doch war es auch ein Heimkommen.

Freundschaften reisen mit

Heimelige Gefühle in einem fremden Land? Für Langfahrtenseglerinnen eine wunderbare Tatsache. Die Route, die Familien wie wir mit einem Jahr Zeit von Europa aus befahren, ist aufgrund der Windverhältnisse und des Klimas in der Regel ungefähr dieselbe. Das heisst, man trifft sich nicht nur einmal im Leben, sondern immer wieder – und neue Freundschaften reisen so ganz einfach mit. Wird einmal eine andere Insel angesteuert, sieht man sich etwas länger nicht mehr, dafür kreuzen sich die Wege vielleicht am übernächsten Ankerplatz wieder.

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Umgeben vom weiten Meer: Impression von der Reise unserer Autorin.
Vor beinahe sechs Monaten brach die Familie unserer Autorin für eine 13-monatige Segelreise aus dem Alltag aus.
Ist es in Ordnung, wenn die Kinder sich jeweils nach kurzer Zeit wieder auf einen neuen Ort einlassen müssen? Das war eine der Fragen, die sich unsere Autorin vor der Reise stellte. Hier gehts an Land.

Natürlich gibt es auch Abschiede für lange Zeit; Familien, die länger als ein Jahr unterwegs sind oder gar ganz auf dem Schiff leben, nehmen sich mehr Zeit oder überwintern an einem geeigneten Ort. Dann werden die Routen der anderen auf den sozialen Medien verfolgt und Nachrichten verschickt. Das gute Gefühl bleibt, nun nicht nur in der Schweiz, sondern weit verteilt neue Anlaufstellen zu haben, und Menschen zu kennen, die uns mit offener Türe begrüssen würden. Für sogenannte «boatkids», Kinder, die längere Zeit auf einem Segelschiff leben, sind all diese Begegnungen ein Glück. Nicht nur die Familie und das schaukelnde Daheim bleiben konstant, sondern immer wieder auch das soziale Umfeld mit ungefähr Gleichaltrigen. Natürlich weiss das nicht nur die junge Generation zu schätzen, schliesslich wollen wir kein symbiotisches Dasein fristen, sondern gemeinsam mehr von der Welt kennenlernen. Am besten gelingt das, wenn trotz engem Wohnraum Freiheiten möglich sind.

Klopft es am Schiffsrumpf, ist es oft der 12-jährige Asger aus Dänemark, der unseren Ältesten zum Fussballspiel abholen möchte. Seit die beiden in La Gomera herausgefunden haben, dass sie diese Leidenschaft teilen, kicken sie den Ball auf jeder neuen Insel und lernen dabei die Kinder vor Ort kennen. Die Jüngeren treffen sich gern mit ihren Freunden auf nahen Spielplätzen oder auf deren Schiffen. Eine Kiste Lego ist oft vorhanden und «Uno» lässt sich auch ohne gemeinsame Muttersprache spielen. Wird die Verständigung zu anstrengend, können Grimassen die Stimmung lockern, bis sich alle wieder in Englisch versuchen mögen. Nach und nach wird so ein feines, soziales Netz gewoben, das trotz vielen Veränderungen Sicherheit gibt.

Sozialleben auf See

Ein soziales Umfeld, das auch die Eltern schätzen. Andere Familien hadern ebenfalls ab und an mit dem «Boardschooling», das durchaus anstrengend sein kann, und schätzen die Erfahrungen der anderen, wenn es um ein technisches Problem geht. Man steckt gemeinsam die Nase in die Wetter-Apps, bespricht Sorgen und Nöte des Familienlebens, isst und trinkt gemeinsam, berät sich gegenseitig bei Reparaturen und borgt Nachbar:innen Werkzeuge. Ein Geburtstag wird mit denjenigen gefeiert, die gerade am selben Ort sind, wird ein Fest im Städtchen gefeiert, mischt sich die Segelgemeinschaft mit der Bevölkerung an Land. Es ist eine besondere Art zu reisen, zwar eigentlich zu fünft als Familie, aber dennoch immer umgeben von Menschen, mit denen uns einiges verbindet: Der Wunsch nach einem entschleunigten Leben mit wenig Material, mehr Zeit für das Familienleben und der steten Vorfreude auf die nächste Ankunft; ein Traum, für den alle viel getan haben. Umso wichtiger, dass sich auch die jungen Mitreisenden wohlfühlen.

Hier mischt sich Aufbruchstimmung mit Dorfleben, man kennt sich.

Mindelo auf der kapverdischen Insel Sao Vicente ist der letzte Halt vor der Passage in die Karibik, die am besten von Anfang Dezember bis Ende Januar befahren wird, da dann der Passat am zuverlässigsten von Ost nach West bläst. Das heisst: Jeder und jede segelt hierhin, sofern das Schiff nicht von den Kanaren aus über den grossen Teich gesteuert wird. So wird der kleine Hafen vor dem lebendigen Städtchen zum kleinen Vorort. Hier mischt sich Aufbruchstimmung mit Dorfleben, man kennt sich. Oder hat zumindest das Schiff auf der Vorbeifahrt auf dem Ankerfeld gesehen und bei der Ankunft ein paar Worte gewechselt. «Do you come with us?», ruft es nun lauter vom Steg. Der französische Mathéo versucht, sich auf Englisch bemerkbar zu machen, obwohl keine weitere Aufforderung notwendig wäre. Gewandt klettern unsere Kinder vom Schiff, um sich der munteren Kindergruppe anzuschliessen.