Mamablog: Abenteuer AuszeitFrischer Wind im Familienalltag
Unsere Autorin und ihr Partner wagen mit ihren drei Kindern den Schritt aus dem Alltag in ein gemeinsames Familienabenteuer. Wie sie sich darauf vorbereitet hat.
Die honigsüsse Wärme, sie kam von selbst, als ich den Kleinsten schlafend von meinem Bett hob, um ihn in sein eigenes Bett umzusiedeln und dabei darauf achtete, dass seine Stoffkatze nicht zu Boden fiel. Ich hob dieses Gewicht hoch, das Gewicht eines Sechsjährigen, den ich gerade noch tragen kann. Kaum in der Luft, zuckte er mit Beinen und Füssen, seufzte kurz den Seufzer eines tief Schlafenden. Und dann schlang er ganz automatisch seine Ärmchen um meinen Hals, klammerte sich mit den Beinen um meinen Bauch fest und legte den Kopf an die bequeme Stelle zwischen meinem Schlüsselbein und meinem Hals. Ich hielt kurz inne, liess es mir nicht nehmen, diesen wohligen Moment kurz aufzusaugen. Die Zeit, in der ich einen unserer Söhne von einem Bett ins andere tragen kann, sie neigt sich dem Ende zu.
Dieses Gefühl bestätigte sich beim Räumen einiger Schränke einige Tage später. Im stämmigen Einbauschrank ertasteten meine Fingerspitzen den ausgetragenen Spielgruppenrucksack des Ältesten, der nun zehn Jahre alt ist. Im Täschchen, hinter einem Reissverschluss verborgen, fühlte ich den fast vergessenen Gegendruck vom kleinkindtauglichen, BPA-freien Mundstück eines Schnullers, der sofort wieder vertraut war. Auf dem Weg zum Abfalleimer spielten meine Finger automatisch damit, eine Gewohnheit mit einem Relikt aus Kleinkindtagen. Leicht drückte ich das Fundstück in meiner geschlossenen Faust, bevor ich es im Eimer verschwinden liess und damit die Tür zu einer sehr anstrengenden, aber umso innigeren Ära wieder ein Stückchen mehr schloss. Eine, die mit der Geburt unseres ältesten Kindes vor zehn Jahren begonnen hatte. «The days are long, but the years are short», übersetzt: «Die Tage sind lang, aber die Jahre sind kurz.» Auch ich bin zehn Jahre älter und vielleicht ein bisschen weiser geworden, die Aussage der amerikanischen Autorin Gretchen Rubin kann ich jedenfalls jetzt, ein bisschen wehmütig, aber auch froh um weniger Fremdbestimmung, unterschreiben.
Raus aus dem Alltag
Wer weiss schon, was die nächsten zehn Jahre bringen werden? Jeder Blick in die Zukunft ist mit einem Fragezeichen versehen. Fest stand für mich und meinen Partner allerdings, dass es an der Zeit wäre, wieder mit kleineren Schritten durch das Leben zu gehen. Viel zu oft rannten wir durch den Alltag, waren gefordert von Terminen, Hausaufgaben, Job, Ausnahmesituationen. Gründe, die dafür sprachen, eine Auszeit zu nehmen, ganz ohne Ausfallschritte und Hetzerei. Lange hatte uns der Gedanke begleitet, ein Jahr auf einem Segelschiff zu leben. Plötzlich schwebte die Möglichkeit, ein fahrtentaugliches Zuhause von einem Freund mieten zu können, greifbar in der Luft.
Acht Monate sind nun vergangen, seit wir zugegriffen und damit die Chance gepackt haben, unseren Alltag zurückzulassen und den Schritt aus unserer Komfortzone in ein kleines, aufregendes Abenteuer zu wagen. Fünf Monate blieben uns nach der gesetzten Unterschrift unter den Mietvertrag für die Organisation des Schulstoffes für unsere drei Söhne, die medizinische Ausrüstung, die Räumung unserer Wohnung und was sonst noch anfiel. Viel Arbeit, viel Stress, aber ein Ziel: Dreizehn Monate, die wir als Familie zusammen verbringen würden.
Hinein ins Unbekannte
Wie fühlt es sich an, in dieser Zeit ohne feste Strukturen auf engem Raum zu leben? Wie ist es, am Morgen aufzustehen und sich überraschen zu lassen, was die Stunden, die vor uns liegen, wohl bringen mögen? Eine Überraschung, jeden Tag, ganz ohne festgelegte Start- und Endzeiten für alle. Vielleicht geht es schief, vielleicht sind wir uns irgendwann zu viel, vielleicht erträgt ein Kind die Enge nicht, vielleicht passiert etwas in der Heimat, das uns zum Umkehren veranlasst. Aber woher sollen wir das wissen, wenn wir es nicht ausprobieren? Fragen ohne Antworten, die uns damals umtrieben. Jetzt sind wir dabei, diese Erfahrungen zu sammeln, seit ein paar Wochen schaukelt es meist leicht unter unseren Füssen und strecken wir den Kopf aus unserem Daheim, zeigt sich oft viel Meer und wenig Land.
Damals, nach der honigsüssen Wärme, beim Räumen der Schränke, ertasteten meine Fingerspitzen im nächsten Schrank einen breiten Bändel, an dem ich zog. Es folgte das Chindsgitäschli mit einem aufgedruckten Delfin, das unser Ältester vor sechs Jahren stolz mit Znüni gefüllt in den Kindergarten getragen hatte. Ich drehte es in den Händen, verstaute es nach kurzem Nachdenken wieder. Der Jüngste lieh es gern ab und zu, diese Freude wollte ich ihm auch den Rest des zweiten Kindergartenjahres lassen. So lange, bis ihn die Meeressäuger am Bug unseres Segelschiffes besuchen können würden.
Seit wir Anfang Juli die Leinen gelöst und er Teil unserer Familiencrew ist, hat er das nun schon einige Male erlebt. Hier auf dem Atlantik seine und die strahlenden Augen seiner Brüder zu sehen, wenn Delfine tatsächlich unser Schiff umtanzen, war jede Mühe wert und gibt mir – zumindest bis jetzt – die Sicherheit, dass ein Schritt in eine neue, unbekannte Richtung manchmal genau der richtige ist.
In den kommenden Monaten werden wir weitere Reiseberichte unsere Autorin Susanna Valentin veröffentlichen, wobei sie uns an ihrem Familienabenteuer fernab vom durchgetakteten Alltag teilhaben lässt.
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