Familie in Gazastreifen verschlepptVater von deutsch-israelischen Geiseln der Hamas: «Wir wollen Frieden»
Yoni Asher bangt um das Leben seiner Frau und seiner beiden Töchter, die am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt wurden. Doch er sorgt sich nicht nur um seine eigene Familie.
Für Yoni Asher ist die Zeit am 7. Oktober stehen geblieben. An jenem Tag, an dem die Hamas seine deutsch-israelische Frau und die beiden kleinen Töchter entführte. «Ich arbeite nicht, ich schlafe nicht. Ich esse nur das Nötigste, um zu überleben», sagt Asher. Die Erschöpfung ist dem 37-Jährigen anzusehen, dennoch kämpft er unermüdlich für die Freilassung seiner Familie.
Das Forum der Angehörigen der Geiseln und Vermissten hat in Tel Aviv ein Treffen mit Journalisten organisiert. Er habe in den vergangenen vier Wochen «fast 300 Interviews» gegeben, sagt Asher. Der Immobilienunternehmer reiste Ende Oktober auch nach Berlin, um in Deutschland um Unterstützung zu bitten.
Asher starrt ins Leere, bevor er von dem Tag zu erzählen beginnt, an dem das Grauen begann. Er blieb allein im Haus nördlich von Tel Aviv, während seine Frau Doron mit der vierjährigen Raz und der zwei Jahre alten Aviv seine Schwiegermutter Efrat im Kibbuz Nir Os besuchten, ganz in der Nähe des Gazastreifens. Die kleine ländliche Siedlung war ein Hauptziel des Überfalls der radikalislamischen Hamas. Die palästinensischen Angreifer töteten nach Angaben des Kibbuz mehr als 20 der etwa 400 Bewohner und entführten mindestens 75.
Der letzte Lebensbeweis
Auf Videos sah Asher, wie Hamas-Kämpfer seine Familie auf einem Pick-up verschleppten. Grossmutter Efrat lebte auf den Aufnahmen noch, doch kurz darauf gab die israelische Armee ihren Tod bekannt. Das Video ist der letzte Lebensbeweis für Doron Asher und die Mädchen, die neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben.
Die Hamas tötete nach israelischen Angaben am 7. Oktober mindestens 1400 Menschen und nahm mindestens 242 als Geiseln. Neben der Vernichtung der Palästinenserorganisation ist die Befreiung der Geiseln Israels wichtigstes Ziel im Krieg gegen die Hamas. Durch die israelischen Angriffe kamen laut Hamas bisher fast 10'000 Menschen ums Leben.
«Stellen Sie sich vor, wie gross unsere Angst jetzt ist, wo überall bombardiert wird.»
Die unablässigen Luftangriffe gefährden auch die Geiseln. «Als Eltern haben wir schon Angst, wenn ein Kind auf seinem Bett herumspringt», sagt Asher. «Stellen Sie sich vor, wie gross unsere Angst jetzt ist, wo überall bombardiert wird.» Doch der Vater sorgt sich nicht nur um seine eigene Familie: «Wir wollen Frieden, wir wollen nicht, dass die Zivilbevölkerung leidet.»
Medizinische Behandlung nötig
Die Stimme von Adva Adar zittert, als sie von ihrer Grossmutter Jafa erzählt, die ebenfalls aus dem Kibbuz Nir Os stammt und in Gaza gefangen gehalten wird. «Jede Minute ist für sie ein Alptraum», sagt Adar. Die 85-Jährige habe Herz- und Nierenprobleme, Bluthochdruck und chronische Schmerzen. Die Enkelin fürchtet, dass ihre Grossmutter nicht ausreichend medizinisch versorgt wird. Auch Jafa ist auf einem Video lebend zu sehen. Von Adars Cousin Tamir hingegen fehlt seit dem Hamas-Angriff jede Spur.
Die Eltern von Ella Ben Ami wurden aus dem Kibbuz Beeri entführt. Ihre Mutter Raz leide an Hirn- und Wirbelsäulentumoren und müsse dringend behandelt werden, sagt Ben Ami. Sie selbst nehme jetzt «viele Pillen», um überhaupt noch schlafen zu können, und gehe zweimal pro Woche zur Therapie. Dennoch gibt die Tochter weiterhin Interviews, damit die Geiseln nicht in Vergessenheit geraten.
In Beeri tötete die Hamas nach Angaben der Kibbuz-Leitung 85 Menschen, 32 weitere werden vermisst. Die Überlebenden aus dem Kibbuz sind in einem Hotel am Toten Meer untergebracht. Jeden Tag kämen sie zusammen, um «gemeinsam zu singen» und zu trauern, sagt Ben Ami. Und um zu erfahren, «wer tot ist, denn viele Leichen sind noch immer nicht identifiziert worden».
AFP/oli
Fehler gefunden?Jetzt melden.