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Bundesgericht
Doch verurteilt: Wende im Rechtsstreit um Pierin Vincenz

Pierin Vincenz verlässt mit Anwalt das Gericht in Zürich am Abend nach Prozessverhandlung.
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Es war ein Knall, der in der ganzen Schweiz gehört wurde, als das Zürcher Obergericht seinen Beschluss vom 25. Januar 2024 veröffentlichte. Mit diesem Beschluss kippten die Zürcher Oberrichter Christian Prinz, Maya Knüsel und Roberto Faga das Urteil des Bezirksgerichts im Fall Raiffeisen/Pierin Vincenz.

Nun setzte das Bundesgericht das Urteil wieder in Kraft. Pierin Vincenz und seine Mitangeklagten sind jetzt, drei Jahre nach dem Prozess und einem bizarren Rechtsstreit, definitiv in erster Instanz verurteilt. Drei Jahre und neun Monate müsste Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz gemäss erstinstanzlichem Urteil hinter Gitter, sein Komplize Beat Stocker sogar vier Jahre. Hinzu kommen hohe Geldstrafen, auch für die meisten Mitangeklagten, diese allerdings bedingt. Gegen dieses Urteil können nun die Betroffenen auf dem normalen Weg ein Berufungsverfahren führen.

Es stellt sich die Frage, warum überhaupt der Umweg über das Bundesgericht nötig war.

Fehlende Übersetzung auf Französisch

Dazu muss man etwas ausholen. Nach dem erstinstanzlichen Urteil gingen sämtliche Angeklagten in Berufung, teilweise aus materiellen Gründen, teilweise wegen Formalien.

Das Obergericht verweigerte eine materielle Beurteilung. Gutgeheissen wurde einzig der Einwand des Angeschuldigten Stéphane Barbier-Mueller, der sich wegen einer fehlenden vollständigen Übersetzung der Anklage auf Französisch beschwerte. Das Obergericht selber führte einen zweiten Punkt hinzu, nämlich dass die 356 Seiten umfassende Anklage die Anforderung an eine möglichst kurze, aber genaue Umschreibung des Sachverhalts nicht erfülle.

Dabei stützte es sich teilweise auf das Plädoyer von Rechtsanwalt Fatih Aslantas, der den inzwischen verstorbenen Nebenangeklagten Peter Wüst vertritt. Aus diesen zwei formellen Gründen hob das Obergericht das Urteil auf und verknurrte die Staatsanwaltschaft dazu, die Anklage teilweise neu zu formulieren.

Teures, «nicht nachvollziehbares» Verfahren

Die beschwerte sich nun ihrerseits vor Bundesgericht und bekam fast auf der ganzen Linie recht. Dabei wählte das Bundesgericht teilweise deutliche Worte. «Zusammenfassend genügt die Anklageschrift den gesetzlichen Anforderungen. Die Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft zur Verbesserung der Anklageschrift und neuerlichen Anklageerhebung bei der Erstinstanz verletzt Bundesrecht», schreiben die Bundesrichter.

Und betreffend die teilweise nicht erfolgte Übersetzung: «Das ist nicht nachvollziehbar. Weder die Vorinstanz noch der Beschwerdegegner begründen, weshalb die Übersetzung und das Verständnis von Anklagepunkten, in denen keine strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Beschwerdegegner erhoben werden, für die Wahrung von dessen Verteidigungsrechten notwendig sein sollen.» Die Beschwerdegegner* müssen deswegen 10’000 Franken an die Verfahrenskosten bezahlen.

Aus Sicht des Steuerzahlers, der sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Gerichte finanzieren muss, hat das «nicht nachvollziehbare» Verfahren wohl Millionen gekostet.

Aus Sicht der Angeklagten hat sich das Verfahren in die Länge gezogen. Davon haben die meisten wohl nichts, egal ob sie letztinstanzlich verurteilt werden oder nicht.

* Ursprünglich hiess es, dass das Obergericht die 10’000 Franken zahlen muss, doch das ist falsch, es sind die Beschwerdegegner, also Vincenz und die Mitangeklagten.