SynfuelsFahren mit Luft und Wasser?
Als Ergänzung zur Elektromobilität werden in Zukunft auch synthetisch hergestellte Treibstoffe zum Einsatz kommen. Flugzeuge, Schiffe, Lastwagen, Rennautos und Oldtimer warten darauf.
Synthetische Treibstoffe lassen Rennwagen röhren und Oldtimer knattern, ohne dass dabei die Umgebung mit Schadstoff- und CO2-Emissionen belastet wird. Flugzeuge können fliegen, Schiffe cruisen ohne üblen ökologischen Fussabdruck. Möglich wird dies, wenn Synfuels zum Einsatz kommen, Treibstoffe, die nachhaltig hergestellt und den Verbrennungsmaschinen optimal angepasst wurden. Die Zutaten für die Säfte der Zukunft sind überschaubar, wenn auch nicht überall in gewünschtem Mass leicht verfügbar: Strom, Wasser und CO2.
Gute Sache, technisch beherrschbar, auch kostenseitig umsetzbar. So gehört beim Synfuel-Forum im Rahmen der Swiss Classic World in der Messe Luzern, vorgetragen von Insidern aus renommierten Unternehmen wie Bosch, Porsche, Aramco, Empa. Viel Know-how wird auch aus der Schweiz beigetragen: H2 Energy will für die nachhaltige Herstellung von Wasserstoff sorgen, Climeworks fischt CO2 aus der Umgebungsluft, und Synhelion – wie Climeworks ein ETH-Spin-off – stellt synthetische Treibstoffe gar ohne Strom her, nur mithilfe extrem hoher Temperaturen durch Solarwärme.
Björn Noack, Director Sustainable Mobility beim Zulieferer Bosch, sagt, dass auch im Jahr 2030 noch rund 30 Prozent der im Verkehr zugelassenen Fahrzeuge mit einem Verbrenner ausgestattet sein werden. Die Bestandsfahrzeuge würden dann noch immer rund 200 Millionen Tonnen Treibstoff jährlich benötigen. Diese Menge müsste sukzessive durch Synfuels ersetzt werden. Ohne die Treibstoffe seien die Klimaziele nicht zu erreichen, hält Noack fest.
Mit Strom aus Wasser-, Solar- und Windkraft wird Wasser elektrolytisch aufgeteilt in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2). Aus H2 und CO2, das aus Industrieanlagen zugeführt oder aus der Umgebungsluft extrahiert wird, entsteht ein Synthesegas, das durch Methanisierung, Fischer-Tropsch-Verfahren oder Methanolsynthese sowie weitere Veredelungsschritte zu e-Methanol, e-Benzin, e-Kerosin, e-Diesel und e-Methan verarbeitet wird. Das ermöglicht eine CO2-neutrale oder mindestens CO2-arme Verbrennung. Dank grösserer Klopffestigkeit oder höherer Cetan-Zahl werden Benzin- und Dieselmotoren noch effizienter, also leistungsfähiger oder sparsamer – je nach Optimierungsrichtung. Ausserdem sind Synfuels eine Option für die Gewährleistung der Energieversorgung im Winter, denn sie sind problemlos speicher- und transportierbar.
Viele Argumente dafür, viele Argumente dagegen
Ob überhaupt – und wenn ja wie weit – synthetische Treibstoffe Verbreitung finden werden, ist aber noch umstritten. Skeptiker und erklärte Gegner bringen Argumente aufs Tapet, die nicht alle einfach zu widerlegen sind.
Da wird beispielsweise angeführt, es sei wenig sinnvoll, ein Mehrfaches an Strom für die Herstellung von Wasserstoff und die weiteren Prozesse aufzuwenden, als für den Betrieb in Fahrzeugen mit Batterie-Elektroantrieb nötig wäre. Der schlechte Gesamtwirkungsgrad würde die Herstellung synthetischer Treibstoffe verhindern. Tatsächlich ist die Synfuel-Produktion nur in Gebieten sinnvoll, wo die Rohstoffe Sonneneinstrahlung und Wasser in überschüssigen Mengen vorhanden sind – also an Küsten in den heissesten Gebieten der Erde.
Oft wird die Frage gestellt, wie denn CO2 in grossen Mengen verfügbar gemacht werden soll, wenn es in Direct-Air-Capture-Anlagen aus der Umgebungsluft ausgefiltert wird. Da in der Luft effektiv nur geringe CO2-Konzentrationen vorkommen, wird es zumindest teilweise auch aus nahe gelegenen Industrieanlagen zugeführt werden müssen.
Um die Klimaziele des Pariser Abkommens einzuhalten und den Anstieg der Durchschnittstemperatur sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern, hat sich die EU ambitionierte Energie- und Klimaschutzziele gesetzt. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gesenkt werden. CO2-Neutralität, heute das Ziel vieler Autohersteller, reicht dazu jedoch nicht. Nötig sind CO2-Negativemissionen. Das Kohlendioxid muss also im Boden gelagert werden, damit es dort versteinert und nicht im Kreislauf wieder in die Luft emittiert wird. Deshalb sind zurzeit Verfahren in Erprobung, wie atmosphärisches CO2 eingesammelt und im Untergrund endgültig gespeichert werden könnte.
Schliesslich steht das immer zentrale Thema der Kosten und Preise im Raum. CO2-neutrale Treibstoffe sind gut für die Klimaentwicklung, aber bezahlen kann sie niemand mehr, wird argumentiert. Keines der Unternehmen, die derzeit auf dem Gebiet der Synfuels forschen, möchte in Zukunft nur ein Nischenanbieter sein. Daher werden Lösungen gefunden werden, die nachhaltige Treibstoffe wettbewerbsfähig machen. So hält etwas Christian Bach von der Empa Dübendorf fest, dass die Produkte ohne Massnahmen zwar zu teuer zu stehen kämen, dass aber durch die Anrechenbarkeit der CO2-Minderung für die Automobilbranche eine Reduktion der Säulenpreise erzielt werden könnte. Eine Umlage von nur 30 Franken pro Tonne CO2 auf fossile Treibstoffe – was etwa acht Rappen pro Liter Dieseläquivalent entspricht – könnte die Kosten auf das langfristig zu erwartende Niveau senken.
Fehler gefunden?Jetzt melden.