Fabian Unteregger im Interview«Es fasziniert die Leute, dass ich am Telefon alle an der Nase herumführen könnte»
Was macht eine gute Polit-Parodie aus? Fabian Unteregger erklärt, wieso Trump ein Sonderfall ist und warum er vor Rösti-Imitationen zuerst in Kandersteg auf der Gemeindeverwaltung anruft.
Am Dienstag ist es so weit: In den USA wird gewählt. Es war ein besonderer Wahlkampf, gehässig geführt, medial bisweilen alarmistisch begleitet. Aber immerhin gab es über die Wochen auch ein paar richtig gute Politparodien zu bestaunen: Allen voran bei «Saturday Night Live», wo sowohl das republikanische Kandidatenduo Donald Trump und J. D. Vance als auch ihre demokratischen Antipoden Kamala Harris und Tim Walz parodiert wurden.
In der Schweiz gibt es so etwas kaum zu sehen. Exponenten, die sich an die berühmten Figuren wagen, gibt es wenige. Warum ist das so? Fabian Unteregger, als Host und Gründer der SRF-3-Sendung «Zum Glück ist Freitag» so etwas wie der Schweizer Vorzeigeparodist, hat Antworten.
In diesem US-Wahlkampf hatten Politparodisten Hochkonjunktur. Wie beurteilen Sie das Niveau, Herr Unteregger?
Vieles ist wirklich gut gemacht. Die Parodien zuletzt bei «Saturday Night Live» von Trump, Harris, Vance und Walz gefielen mir sehr, auch der letzte Sketch mit Harris, Trump und Biden kam gut an, das konnte man spüren.
Sind Sie beim Zuschauen Parodist oder Konsument?
Da bin ich Konsument, ich geniesse das. Wenn es schlecht gemacht ist, klicke ich weg. Ich schaue mir gern amerikanische Late-Night-Shows an, etwa die von Jimmy Kimmel, Steven Colbert oder Jon Stewart.
Trump scheint überparodiert. Alle denken, sie könnten ihn gut imitieren.
Er ist als Figur vielleicht komplexer, als man zunächst denkt. Es gibt viele schlechte Trump-Parodien, weil er ja eigentlich «en Ufgleite» ist.
Was macht ihn aus?
Die Körperhaltung, die Tempowechsel in seiner Sprache, die Betonungen, mal laut, dann wieder sehr leise: Ihn kann man sehr vielschichtig bauen. Er hat eine variantenreiche Stimme.
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Ist Trumps schillernder Auftritt nicht ein Sonderfall? Er kommt bereits wie eine Parodie daher.
Das ist tatsächlich so. Auch durch seine abenteuerlichen Behauptungen, die zum Teil absurd sind – niemand in Springfield isst Haustiere. Er ist eine Parodie seiner selbst. Für die Medien ist das spannend. Aber das hat Auswirkungen auf den Wahlkampf, weil es ihm eine mediale Präsenz verschafft, die sich Kamala Harris teuer erkaufen muss.
Was bedeutet es, wenn man Trump parodieren will: Muss man da vom Gas?
Nein, man kann ihn richtig energetisieren. Seine Auftritte sind einfach mega skurril: Jüngst holte ihn in New York seine Frau Melania auf die Bühne. Im Vergleich dazu waren Begrüssungen zwischen Queen Elizabeth und ihren Gästen geradezu heissblütig.
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Was macht Kamala Harris aus?
Sie ist eine knallharte Frohnatur, ein klassischer Commander-Typ mit markantem Lachen. Dieses Lachen gilt es zu treffen, wenn man sie imitieren will, das ist nicht ganz einfach. Maya Rudolph ist das bei «Saturday Night Live» hervorragend geglückt. Auch Tim Walz treffen sie dort super: Die Kombination aus Jäger und Vater, dieses gutmütig Brummelnde …
… ein brummelnder Linker als willkommene Figur?
Nun ja, die Demokraten in den USA sind nicht im europäischen Sinne links. Das ist immer noch ziemlich nationalistisch. Aber natürlich hat Walz die Republikaner irritiert, als Demokrat, der bei der National Guard war und mit Camouflage-Cap auftritt.
«Die Leute müssen gut unterhalten werden. Punkt.»
Erleichtern es uns die Parodien, den so erbittert geführten Wahlkampf zu verfolgen?
Das ist das Wesen der Comedy: Auch wenn es rundherum düster ist, werden wir nicht aufhören, den Leuten eine gute Zeit zu geben.
Ist es also das, was eine gute Parodie ausmacht?
Ja. Die Leute müssen gut unterhalten werden. Punkt. Idealerweise ist es so gut gemacht, dass man mit einem Ton erkennt, um wen es geht – und ab da über die Pointen lacht.
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Das «Ja!» von Bastien Girod, das Ächzen von Christoph Blocher: Es braucht sekundenschnellen Wiedererkennungswert.
Genau, das ist unser Konzept bei «Zum Glück ist Freitag» auf SRF 3. Es fasziniert die Leute, dass da einer rumläuft, der als jemand anderes aus dem Radio tönt und am Telefon im Prinzip alle an der Nase herumführen könnte.
Was man doch mit künstlicher Intelligenz und Deepfakes schon kann. Wann löst Sie die KI als Parodist ab?
Nie! (lacht) Ein Deepfake tönt so wie das Original. Ich aber überziehe die Person gezielt und punktuell, was dann idealerweise lustig wird.
Vielleicht kann das dereinst auch eine KI.
Dazu bräuchte es hinreichend Trainingsdaten aus dem Comedy-Bereich, und die gibt es derzeit nicht. Wir Menschen mit unserem Gespür sind hier der Maschine klar überlegen. Die Modelle, die es gibt, halluzinieren viel und merken im Gegensatz zu uns Menschen nicht, was nicht stimmt.
«Meine Basis ist Stand-up-Comedy – ein Mikrofon und basta.»
Warum haben wir in der Deutschschweiz so wenig Comedians, die auf Politparodien setzen?
Weil es nicht so einfach ist. Tun ist wie wollen, nur krasser. Es braucht ein gewisses Talent. Meine Basis ist Stand-up-Comedy – ein Mikrofon und basta. Bei Bedarf kann ich die Schublade Parodie öffnen oder mich ans Klavier setzen oder die Ukulele zücken. Das Gros der Comedians beschränkt sich darauf, einfach Geschichten zu erzählen. Da fehlt oft das Einzigartige. Es ist simpel: Sobald du einen weiteren Skill im Köcher hast, stichst du heraus.
Erfolg haben stereotypisierte Imitationen: Mike Müller wurde mit Mergim Muzzafer berühmt, Viktor Giacobbo mit Junkie Fredi Hinz. Wo liegt der Unterschied zur persönlichen Parodie?
Dr. Klöti von Giacobbo fand ich grandios, das «kehrt» mich noch heute fast, Viktor muss wahrscheinlich jeweils eine Woche in den Schwarzwald in Kur, nachdem er den gemacht hat. Wenn du selber eine Figur definierst, arbeitest du mit den Ressourcen, die du hast, veränderst deine Stimme so, wie sie es zulässt. Bei der Parodie einer real existierenden Figur jedoch ist das alles vorgegeben. Wenn du das nicht hinkriegst, hast du verloren.
Geben Sie doch mal ein Beispiel.
Bundesrat Albert Rösti, eine schwierige Figur. Weil: Er hat einen hybriden Dialekt. Aufgewachsen in Kandersteg, studiert an der ETH, gearbeitet meist in Bern und wohnhaft in Uetendorf. Das gibt einen wilden Mix.
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Wie gingen Sie vor, als Sie beschlossen, ihn zu parodieren?
Wir wollen in der Sendung bei SRF 3 schnell sein. Als Rösti an einem Mittwoch gewählt wurde, hiess das für mich: Ab id Hose! Ich wollte ihn am Freitag in der Sendung haben. Also rief ich in Kandersteg auf der Gemeindeverwaltung an und wollte wissen, wie man dort so spricht. Seither rufe ich immer Vize-Gemeindepräsidentin Franziska Ryter an, bevor wir am Freitagmorgen bei SRF 3 den Rösti machen. Das ist Service public.
Und worüber reden Sie?
Zuerst kündige ich mich per Whatsapp an: Haben Sie Zeit? Wir haben übrigens erst letzten Donnerstag Duzis gemacht. Dann trage ich meinen Text vor und sie röstet ihn dann quasi.
Der Dialekt ist für Ihre Deutschschweizer Figuren ein ideales Distinktionsmerkmal.
Das ist absolut zentral und für mich der wichtigste Skill. Wenn ich jemanden sprechen höre, so kann ich die Person bis auf ein paar Kilometer genau auf der Schweizer Karte einordnen, ich habe auch schon die genaue Gemeinde «getüpft». Das ist Dialekt-Profiling.
Sie sind also ein Kenner und hören auch mal die «Schnabelweid» auf SRF 1?
Ich bin natürlich ein SRF-3-Hörer (lacht), aber wenn ich dort reinhöre, habe ich eine Riesenfreude. Es ist grossartig, wie unsere Dialekte dort gepflegt werden. Insbesondere die Etymologie fasziniert mich, woher kommen unsere Familiennamen? Als ich als Student im Spital in Lugano gearbeitet habe, fielen mir plötzlich die Dialekte der italienischen Ärzte auf.
Für Sie als Parodisten ist das dankbar, führen wir unsere Dialekte so prominent spazieren. In Deutschland etwa ist das verpönt.
Absolut. Man versucht dort ständig, seinen Dialekt zu vertuschen. Wenn ich mit so Leuten zu tun habe, sage ich als erstes: Sprich Dialekt mit mir! Vielleicht schlummert da ein Komplex, man hat das Gefühl, man verkauft sich unter seinem Wert.
«Das Militär ist die beste Dialektausbildung, die man sich wünschen kann.»
Welcher Schweizer Dialekt ist am schwierigsten?
Anspruchsvoll finde ich Baseldeutsch, wenn man es wirklich gut sprechen will, und Walliserdeutsch, natürlich. Bei der Parodie kommt das Individuum dazu: Christoph Blocher etwa ist ein Schaffhauser, der aber in Zürich lebt, dieser Hybrid ist anspruchsvoll.
Ist das Merkmal für Deutschschweizer Figuren vielleicht fast zu prägnant: Wer keine Dialekte imitieren kann, muss die Finger von Imitationen lassen?
Das ist so. Ich habe mir das in der Kanti und in der Rekrutenschule angeeignet. Das Schweizer Militär ist ein unglaubliches Ökosystem, die beste Dialektausbildung, die man sich wünschen kann. Das Flair dazu hatte ich schon immer. Interessanterweise denkt man ja, dass das nichts Besonderes ist – und merkt dann, dass viele die verschiedenen Dialekte gar nicht auseinanderhalten können.
Umgekehrt liesse sich auch sagen: Wenn Sie Bundesrätin Viola Amherd imitieren, hören eh alle nur aufs «Wallisertytsch». Der Rest braucht gar nicht witzig zu sein.
Bei gewissen Figuren ist man halt schneller am Ziel. Aber es muss schon alles stimmen: Dialekt, Singsang, Inhalt, Art.
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An wem haben Sie sich orientiert, als Sie mit Parodieren angefangen haben?
Ich habe mich an denen versucht, die gerade so in der Öffentlichkeit standen: Christoph Mörgeli, Christian Gross, Roger Federer. Und so ergab sich organisch immer die nächste Parodie: An einem Spiel von Federer sprach ich einmal mit Heinz Günthardt, kurz darauf hatten wir ihn in der Sendung. Wenn Bundesratswahlen sind, haben wir das auf dem Schirm: Wer gewählt wird, muss wenig später bei uns auf dem Sender sein. Das ist mein Anspruch.
Wie stark muss man eine Person für eine gute Parodie überzeichnen? Ist es noch witzig, wenn man jemanden perfekt imitieren kann?
Ich finde es interessanter, meine Figuren ein wenig zu überzeichnen. Aber hey, Comedy ist nicht skalierbar, es gibt kein Rezept dafür. Alle, die Comedy machen, müssen selber durchs Stahlbad der Publikums-Exposition. Du musst Dreck fressen, um Gold schürfen zu können.
Gehen Sie jeweils von sich aus auf die Parodierten zu?
Wenn ich jemanden treffe, freue ich mich. Ich sage hallo und mache die Person vielleicht darauf aufmerksam, falls sie es noch nicht weiss, dass sie von mir parodiert wird.
Und was kriegen Sie für Rückmeldungen?
Als Stephan Eicher erzählte ich bei uns in der Sendung mal von Herbstlaub. Daraufhin schickte er mir ein gepresstes, gerahmtes Herbstblatt ins Studio, schrieb «Herbstgrüsse von Stephan Eicher» darunter. Nun habe ich einen echten Eicher. Grandios.
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Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger zeigte sich einst irritiert über Ihre Parodie.
Er sagte einmal, er erkenne sich da nicht wieder. Aber er beehrte uns dann zum 10-Jahr-Jubiläum von «Zum Glück ist Freitag» im Studio. Und bei einem Auftritt am Wirtschaftsforum Graubünden in Chur traf ich auf Christoph Blocher. Erst hielt er mich für einen Bühnentechniker, bis ich in seiner Stimme sprach. Und als er merkte, dass mir zur Imitation noch die richtige Brille fehlt, liess er mir eine zukommen.
Was sagt die Qualität der Parodien über den Humor im Land?
Ich glaube, der Schweizer Humor ist eher Typ Streichelzoo. Für mich kann es manchmal auch derber, englischer sein, aber c’est le ton qui fait la musique, daran halte ich mich. Ich sage über andere nur das, was ich okay fände, auch über mich zu hören.
Ist es denn überhaupt wichtig, was Ihre Parodiefiguren sagen? Oder investieren Sie bei Parodien weniger Zeit in die Pointen, weil gewissermassen halt Form vor Inhalt kommt?
Nein, das muss schon beides passen. Die Pointen müssen im Rahmen der Realität bleiben, in der die Figur sich bewegt. Ich kann Rösti nicht als einen mit Expat-Rucksack zeichnen, der plötzlich über Corporates in Frankreich referiert. Das funktioniert nicht.
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