Mission des Icy Moons ExplorerExistiert Leben auf den Eismonden von Jupiter und Saturn?
Bei der Suche nach Leben in unserem Sonnensystem rücken die Trabanten der Riesenplaneten in den Fokus. Die europäische Weltraumorganisation startet eine Reise mit Schweizer Beteiligung.
Für mehr als ein Jahrhundert galt der Mars als Mekka für die Suche nach ausserirdischem Leben in unserem Sonnensystem. Nun jedoch nimmt die Fachwelt zunehmend andere Himmelskörper ins Visier, und zwar die Monde von Jupiter und Saturn. Denn unter der eisigen Oberfläche dieser Monde gibt es etwas, das dem Mars zumindest heute fehlt: Ozeane aus Wasser. Und flüssiges Wasser gilt als der zentrale Baustein für die Entstehung von Leben.
«Was die Suche nach Leben in unserem Sonnensystem anbelangt, sind die Eismonde in gewisser Hinsicht das Gegenstück zum Mars», sagt Yann Alibert, Professor für Astrophysik an der Universität Bern und Co-Direktor des Center for Space and Habitability. Der Mars ist heute knochentrocken. Grössere Wasservorkommen wurden nicht entdeckt. Sicher ist nur, dass in früheren Epochen Flüssigkeit über den Mars floss und sich in Seen sammelte. Ob es Wasser war, ist nicht sicher. Beim Mars steht daher heute vor allem die Frage im Raum, ob es dort zumindest in früheren Epochen mikrobielles Leben gab.
Drei Schweizer Organisationen beteiligt
«Bei den Eismonden stehen indes die Suche nach aktuell vorhandenen lebensfreundlichen Bedingungen und die Suche nach aktivem Leben im Vordergrund», sagt Alibert. Um das voranzutreiben, soll am 13. April der Jupiter Icy Moons Explorer (Juice) der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) seine Reise zum Jupiter antreten und unter anderem drei Eismonde eingehend untersuchen. Mehrere Schweizer Forschungseinrichtungen sind an drei von zehn Detektoren von Juice beteiligt, darunter die Universität Bern, das Paul-Scherrer-Institut und die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt. Zudem haben mehrere Schweizer Industriepartner am Bau von Juice mitgewirkt.
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Die ersten Hinweise auf potenziell lebensfreundliche Bedingungen auf den Eismonden lieferte in den 1990er-Jahren die Raumsonde Galileo der US-Weltraumbehörde Nasa. Die Daten von Galileo deuteten zur Überraschung der Fachwelt darauf hin, dass der Jupitermond Europa wie auch immer mit dem mächtigen Magnetfeld des Jupiter wechselwirkt. Nachdem Galileo zwölfmal an Europa vorbeigeflogen war und Daten gesammelt hatte, kristallisierte sich eine Erklärung heraus: Unter der eisigen Kruste von Europa muss es einen Ozean aus Salzwasser geben. Er könnte wenige Kilometer bis zu mehr als 100 Kilometer tief sein und ein eigenes Magnetfeld erzeugen, das mit jenem von Jupiter interagiert.
«Auf der Erde gehen wir davon aus, dass sich Leben wahrscheinlich am Ozeanboden entwickelt hat, dort, wo flüssiges Wasser direkten Kontakt zum Meeresgrund hat», sagt Alibert. «Da es am Grund des Ozeans von Europa eine vergleichbare Umwelt gibt wie am Meeresboden auf der Erde, ist Europa für die Suche nach Leben so interessant.»
Magnetfeldmessungen von Galileo deuteten weiter an, dass es auch im Inneren des Jupitermonds Ganymed einen Ozean oder gar mehrere Ozeanschichten gibt. Auch im Innern von Kallisto wird ein Ozean vermutet.
Nur Io, der innerste der vier grossen Jupitermonde, ist anders. Er wird von den Gezeitenkräften des Jupiter so stark durchgeknetet, dass im Gesteinsmantel bei Temperaturen von weit über tausend Grad Celsius Magma entsteht und von Vulkanen an die Oberfläche befördert wird.
Wo Wasser an die Oberfläche tritt
Weitere Eismonde mit innen liegenden Ozeanen finden sich beim zweitgrössten Planeten unseres Sonnensystems, dem Saturn. Dort war es die Raumsonde Cassini-Huygens, ein Gemeinschaftsprojekt von Nasa und ESA, die bei den Eismonden Enceladus und Titan Hinweise auf innen liegende Ozeane gefunden hat.
Enceladus stösst sogar hohe Fontänen aus Wassereispartikeln aus. Mit den Fontänen gelangt Material aus dem innen liegenden Ozean an die Oberfläche. «Daher ist Enceladus besonders interessant für die Suche nach Leben», sagt Alibert. Aber auch beim Jupitermond Europa könnte Wasser aus dem Innern an die Oberfläche gelangen, und zwar bei den rotbraunen Narben, die auf dem Mond zu sehen sind. «Wenn man ein Landevehikel auf Europa hätte, wären diese Streifen gute Orte, um die Zusammensetzung des Wassers zu analysieren und um nach Lebensspuren zu suchen», sagt Alibert.
Das ist aber eine Aufgabe für künftige Missionen. Juice wird weder auf Europa noch auf einem der anderen Eismonde landen. «Die Raumsonde wird aber die physikalischen und chemischen Bedingungen auf der Oberfläche von Europa, Ganymed und Kallisto messen und kann damit die besten Landeplätze für künftige Missionen identifizieren», sagt Alibert, der schon vor 20 Jahren an Modellen zur Bildung von Jupiter und seinen Monden geforscht hat. Damals war er auch an der Ausarbeitung einer Weltraummission beteiligt, die letztendlich zu Juice geführt hat.
Nach der Ankunft im Jupitersystem im Juli 2031 soll Juice in eine Umlaufbahn um Jupiter einschwenken. Dabei wird er Europa und Kallisto mehrmals begegnen. Doch sein Hauptziel ist Ganymed, der grösste Mond unseres Sonnensystems. Nach einigen Vorbeiflügen wird Juice 2034 die Umlaufbahn des Jupiter verlassen und in eine Umlaufbahn um Ganymed einschwenken. Das ist eine Premiere: Erstmals soll eine Raumsonde einen anderen Mond umkreisen als den irdischen.
Ähnlich wie bei Europa wird Juice auch bei Ganymed die Oberfläche und die Geologie untersuchen. Und natürlich soll die Sonde ein besseres Bild der Wassereinlagerungen gewinnen und nach Biosignaturen suchen.
«Leben auf der Erde ist zum Beispiel mit einem gewissen Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope C-12 und C-13 verknüpft», sagt Alibert. «Würden wir auf den Eismonden ein ähnliches Verhältnis finden, wäre das zwar noch kein Beweis für Leben, aber doch ein Hinweis, dass Leben im Spiel sein könnte.»
Bekannt ist auch, dass Lichtwellen ihre Schwingungsrichtung – die Polarisation – auf eine charakteristische Art ändern, wenn sie auf gewisse Biomoleküle treffen. «Wenn wir die Veränderung der Polarisation von Licht auf den Oberflächen der Eismonde beobachten, wäre das auch ein Hinweis auf Leben», sagt Alibert.
Aktives Leben direkt aufspüren kann Juice allerdings nicht. Die Sonde kann nur indirekte Hinweise auf dessen Existenz liefern.
Erforscht wird mit Juice auch der Planet Jupiter selbst, unter anderem seine Rolle für die Entstehung von Leben auf der Erde. Gemäss einer Theorie hat Jupiter dafür gesorgt, dass nicht zu viel Wasser auf die Erde gekommen ist, da er durch seine Schwerkraft viele wasserhaltige Asteroiden von der Erde ferngehalten hat. Ohne Jupiter hätte es auf der Erde vielleicht hundertmal so viel Wasser, unser Planet wäre von einem globalen Ozean bedeckt. Dieser wäre so mächtig, dass Wasser am Grund des Ozeans wegen des hohen Drucks zu Eis kristallisieren würde. Das hätte den direkten Kontakt von Wasser mit dem Meeresgrund verhindert. Die für Leben vorteilhaften Bedingungen – Kontakt von flüssigem Wasser mit dem Ozeanboden – wären auf der Erde nicht vorhanden gewesen.
Juice wird nicht allein sein beim Jupitermond Europa
«Wenn wir die Entstehung von Jupiter nicht gut verstehen, verstehen wir auch nicht, warum die Bedingungen für Leben auf der Erde so gut sind», sagt Alibert. «Daher sind die Entstehung von Jupiter, seine Grösse und sein Aufenthaltsort im Sonnensystem zentrale Fragen, die Juice ebenfalls beantworten soll.»
Ganz allein wird Juice nicht sein, wenn die Sonde Jupiter und seine Monde untersucht. Voraussichtlich im Oktober 2024 soll der Europa Clipper der US-Weltraumbehörde Nasa starten und 2030 – ein Jahr vor Juice – beim Jupitermond Europa eintreffen. Der Europa Clipper soll ebenfalls das Potenzial für Leben erforschen und Juice bei der Suche nach einem Landeplatz für eine zukünftige Mission unterstützen.
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