Feuerwerk im AllFantastische Lichtspiele
Mehr als Schall und Rauch: Das James-Webb-Weltraumteleskop liefert faszinierende Bilder aus den Tiefen des Alls. Die Highlights des kosmischen Spektakels – und deren wissenschaftliche Bedeutung.
Sonnen, Fontänen und Spiralen – diese Art von Feuerwerk gibt es an Silvester zu bestaunen. Mindestens so eindrückliche Phänomene zeigen sich in den Tiefen des Alls – und werden seit einem halben Jahr mit den Infrarotkameras des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) fotografiert. So zeigen die Bilder des Hubble-Nachfolgers die Überreste explodierender Sterne, geheimnisvolle Nebelschwaden, leuchtende Staubwolken und einen Planeten, der schimmert wie eine Christbaumkugel aus Glas.
«Die auf den Bildern des JWST sichtbaren Details sind unglaublich, es überwältigt mich jedes Mal, wenn ich das sehe», sagt Adrian Glauser von der ETH Zürich, der den Schweizer Beitrag zum JWST verantwortet.
Wir zeigen die bisher eindrücklichsten Bilder des Weltraumteleskops – und was sie bedeuten.
Eine Sanduhr, geformt bei der Geburt eines Sterns
Versteckt im Zentrum dieser leuchtenden Sanduhr befindet sich eine Ansammlung von heissem Gas, aus dem sich gerade ein Stern bildet, genannt L1527. Es wird noch einige Zeit vergehen, bis das Gas so weit kollabiert ist, dass die Kernfusion stattfindet und L1527 so zu leuchten beginnt, wie es sich für einen ordentlichen Stern gehört. Aber bereits jetzt schickt er Material nach oben und unten in seine Umgebung. Das lässt die Ränder der «Sanduhr» aufleuchten.
Wo die Sanduhr blau leuchtet, ist das Gas weniger dicht als in den orangen Bereichen. Besonders spannend ist laut Glauser das kleine dunkle Band im Zentrum der Sanduhr: «Das ist die protoplanetare Scheibe, aus der sich Planeten bilden», sagt er. «Wir untersuchen diese protoplanetaren Scheiben auch von anderen Objekten. Bei chemischen Analysen haben wir Moleküle entdeckt, die man zuvor noch nie in protoplanetaren Scheiben gesehen hat. Sogar einzelne Isotope konnten wir identifizieren. Solche Daten sind ein wichtiger Vergleich mit unserem Sonnensystem. Wir sehen Abweichungen, die sehr spannend sind.»
Das Licht von L1527 ist übrigens rund 460 Jahre unterwegs, bis es die Erde erreicht. Das bedeutet: Die komische Sanduhr ist 460 Lichtjahre von uns entfernt. Zum Vergleich: Ein Lichtjahr sind 9,46 Billionen Kilometer.
Der südliche Ringnebel
In Schönheit sterben – das beherrschen manche Sterne perfekt. Der südliche Ringnebel ist der Überrest von einem Stern, der vor rund 20’000 Jahren in einem letzten Kraftakt seine äussere Hülle abgestossen hat. Wie die Bilder des JWST zeigen, sitzen mindestens vier teils kaum sichtbare Sterne im zentralen Bereich des Ringnebels. Sie haben bei der Formgebung des Nebels mitgewirkt.
Erstmals konnten nun fast 70 Forschende um Orsola De Marco von der Macquarie University in Sydney, Australien, anhand der Daten des JWST die Masse des zentralen Sterns bestimmen. Nach dem Abstoss seiner Hülle besitzt er demnach noch rund 60 Prozent der Sonnenmasse. Das erlaubt Rückschlüsse auf die ursprüngliche Masse des Sterns. «Die Anfangsmasse zu kennen ist eine wichtige Information, die dem Team half, die Szene zu rekonstruieren und zu berechnen, wie dieser Nebel geschaffen wurde», erläutert die US-Weltraumbehörde Nasa die Studie.
Der Ringnebel ist rund 2300 Lichtjahre von uns entfernt.
Spukhafte Nebelschwaden
Knorpelige Finger, in mystisches Licht getaucht, umgeben von bläulich und rötlich funkelnden Sternen – so sieht das JWST die «Pfeiler der Schöpfung». Das ist eine Region im sogenannten Adlernebel, in der aus dem vorhandenen Staub viele neue Sterne entstehen. Die Region ist rund 6500 Lichtjahre von uns entfernt.
Das Bild entstand durch eine Überlagerung der Aufnahmen von zwei Kameras des JWST, der Near-Infrared Camera (NIRCam) und des an der ETH Zürich mitentwickelten Mid-Infrared-Instruments (Miri). Dank der Sensitivität dieser Kameras im infraroten Bereich des Lichtspektrums können die Forschenden tiefer in die staubigen Nebel hineinblicken, als es mit Hubble möglich war.
Der Exoplanet WASP-39 b
Dieses Bild ist ein Fake respektive eine Illustration – selbst das JWST kann den 700 Lichtjahre entfernten Exoplaneten WASP-39 b nicht so genau ablichten. Dennoch hat das Weltraumteleskop den Exoplaneten untersucht und dabei die Zusammensetzung von dessen Atmosphäre entschlüsselt.
«Besonders wichtig ist der erste Nachweis von Kohlendioxid auf einem Exoplaneten, zusammen mit anderen Substanzen», sagt Glauser. «Das ist eine Sensation. Wir hatten gehofft, dass das möglich ist. Jetzt sehen wir, dass es tatsächlich geht. Das bedeutet: Mit dem JWST können wir jetzt eine chemische Analyse der Atmosphäre von Exoplaneten machen.»
Beringte Christbaumkugel
Der Planet mit den Ringen, das ist doch – Saturn. Genau. Zu sehen ist hier aber der eisige und weiter entfernte Planet Neptun. Auch er besitzt Ringe. Abgelichtet hat sie die Near-Infrared Camera des JWST. Wir sehen den Neptun und seine Ringe also im für uns unsichtbaren Infrarotlicht. Helle Bereiche auf dem Bild von Neptun zeigen hohe Wolken aus Methaneis, die einfallendes Sonnenlicht zum Teil reflektieren. Das JWST zeigt also das Wettergeschehen in der turbulenten, windigen Atmosphäre des Neptuns.
Das helle, sternartige Objekt oben links im Bild ist der Neptun-Mond Triton. Neben entfernten Galaxien und nahe gelegenen Sternen sind noch sechs weitere der insgesamt 14 Monde von Neptun zu sehen.
Der Wolf-Rayet 140
Das Objekt wirkt, als hätte eine Kreuzspinne ihr Radnetz im Weltall aufgespannt. Verantwortlich für diese 5000 Lichtjahre entfernte Struktur ist ein Doppelsternsystem namens Wolf-Rayet 140: Zwei Sterne umkreisen sich im Zentrum des Spinnennetzes. Alle acht Jahre kommen sie sich dabei besonders nah. Dabei wechselwirken die von den Sternen abgestrahlten Teilchen, die sogenannten stellaren Winde. Insgesamt 17 Fangspiralen aus stellarem Wind konnten die Forschenden identifizieren. Ähnlich wie Baumringe zeigen sie das Alter der Spiralen an: Die äusserste ist mehr als 130 Jahre alt.
Erstmals ist es Forschenden um Ryan Lau vom NOIRLab der US-amerikanischen National Science Foundation gelungen, die chemische Struktur der Staubringe aufzuschlüsseln. Demnach ist das himmlische Spinnennetz hauptsächlich aus polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) zusammengesetzt. Dieses Material spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung von Sternen und Planeten, doch die genaue Herkunft war bisher unbekannt. Nun haben die Forschenden Hinweise, dass Wolf-Rayet-Sterne eine wichtige Quelle für diese PAK sind.
Kosmisches Wagenrad: die Cartwheel-Galaxie
Leuchtende Speichen, die eine helle Nabe im Zentrum mit dem äusseren Ring des Rads verknüpfen: Das ist die Cartwheel-Galaxie, die sich in rund 500 Millionen Lichtjahren Entfernung befindet.
Dieses Wagenrad hat sich gebildet, als eine kleine Galaxie mit einer grossen kollidierte. Das JWST konnte dank seiner Infrarotkameras viel tiefer in die stark von Staub verdeckten Bereiche der Cartwheel-Galaxie blicken und viele Details ans Tageslicht befördern. Junge Sterne zeigen sich als blaue Punkte, insbesondere in den Speichen und im äusseren Ring. Der rötlich leuchtende Staub ist reich an Kohlenwasserstoffen. Auf dem Bild überlagert sind Röntgenaufnahmen des Chandra X-ray Observatory der Nasa, das hochenergetische Phänomene zeigt. Diese sind im Bild violett dargestellt. Links zwei kleinere Begleitgalaxien.
Tiefster Blick ins All
Es ist eines der grossen Ziele des JWST, das sanfte Infrarotlicht der ersten Sterne und Galaxien im frühen Universum zu erspähen. Bereits hat es hierbei einen Rekord geliefert und die bisher ältesten Galaxien des Universums beobachtet, vier davon sind im Bild markiert. Zwei von ihnen existierten bereits rund 330 Millionen Jahre nach dem Urknall. Das Licht dieser Galaxien war somit mehr als 13,4 Milliarden Jahre bis zu uns unterwegs.
Nun können Astronomen mit dem JWST die Eigenschaften dieser ältesten Galaxien genauer untersuchen. «Es ist schwierig, Galaxien zu verstehen, wenn man die ersten Phasen ihrer Entwicklung nicht versteht», sagt der Astronom Sandro Tacchella von der University of Cambridge, der an zwei aktuellen Publikationen beteiligt ist. «Viele Fragen zu Galaxien haben auf die transformativen Möglichkeiten des JWST gewartet, und wir sind begeistert, an der Offenlegung dieser Geschichte beteiligt zu sein.»
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