Frauenpower in BrüsselVon der Leyen für zweite Amtszeit nominiert – auch Kallas und Metsola jubeln
Am EU-Gipfel wurde Kommissionschefin Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit nominiert. Teil des Personalpakets sind auch die künftige EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.
Beim zweiten Anlauf wenige Wochen nach der Europawahl geht es jetzt schnell: Die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Brüssel gestern Abend das Personalpaket für die EU-Spitze auf den Weg verabschiedet. Wer weiss, wie in Frankreich die Parlamentswahlen ausgehen und ob die Koalition in Berlin noch lange hält. Emmanuel Macron und Olaf Scholz hatten es mit der Verteilung der Spitzenjobs eilig.
Dabei galt es, die Partner der künftigen informellen Koalition im EU-Parlament zu bedienen und auch die geografische Balance zu berücksichtigen. Die siegreichen Konservativen können zwei der vier Posten für sich beanspruchen. Ursula von der Leyen ist für eine zweite Amtszeit als Kommissionschefin nominiert. Die Maltesin Roberta Metsola darf zudem zweieinhalb Jahre als Parlamentspräsidentin anhängen. Die Liberalen besetzen mit Estlands Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der EU-Aussenbeauftragten. Der portugiesische Sozialdemokrat António Costa wird EU-Ratspräsident.
Ursula von der Leyen
Lange musste Ursula von der Leyen bangen. Wird ihr Erfinder Emmanuel Macron sie diesmal wieder unterstützen und Olaf Scholz die Christdemokratin dann auch vorschlagen? Zumindest bis zur Europawahl haben Frankreichs Präsident und der deutsche Bundeskanzler sich bedeckt gehalten. Macron hat vor fünf Jahren die damalige deutsche Verteidigungsministerin überraschend vorgeschlagen.
Diesmal soll er angeblich nach Alternativen gesucht und unter anderem den Italiener Mario Draghi ins Spiel gebracht haben. Am Ende wohl nur eine Drohkulisse, um von Ursula von der Leyen Konzessionen mit Blick auf Programm und Personal abzuringen. So könnte ein Franzose als Aufpasser Kabinettschef oder mächtiger Generalsekretär der EU-Kommission werden.
Auch für Olaf Scholz führte am Ende kein Weg an der Kandidatin der Opposition zu Hause vorbei. Sonst hätte er einen Grünen als EU-Kommissar nach Brüssel nominieren müssen, wie es in Koalitionsvertrag in Berlin vorgesehen ist.
Für Ursula von der Leyen wartet nun die nächste, womöglich schwierigere Hürde: Das EU-Parlament muss dem Vorschlag der Staats- und Regierungschefs voraussichtlich am 18. Juli noch zustimmen. Dies mit Mehrheit aller Abgeordneten und zwar in geheimer Abstimmung. Weil es bei Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen einige Abweichler gibt, dürfte es knapp werden. Die eigenen Leute bei den Konservativen kritisieren ihr Engagement für den Green Deal, andere stören sich an ihrem präsidialen Stil und werfen ihr einen Mangel an Transparenz vor. Ursula von der Leyen wird in den nächsten Wochen bei Grünen und bei den postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni diskret um zusätzliche Stimmen werben, kein einfacher Spagat.
Roberta Metsola
Weil die Konservativen mit Abstand stärkste Kraft im EU-Parlament sein werden, beanspruchen sie mit Roberta Metsola einen zweiten Spitzenjob: Die Maltesin darf als Parlamentspräsidentin noch einmal zweieinhalb Jahre anhängen. In der Mitte der Legislaturperiode wird sie dann voraussichtlich einer Sozialdemokratin aus Spanien Platz machen, so der Deal zwischen den beiden grössten Fraktionen.
Roberta Metsola hat die Sichtbarkeit des EU-Parlaments verbessert, etwa mit ihren Solidaritätsbesuchen in der Ukraine oder in Israel nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober vergangenen Jahres. Die Präsidentin hat das Parlament auch mit ruhiger Hand durch die Affäre um «Katargate» gesteuert, in der verschiedene Abgeordnete der Korruption beschuldigt werden. Die 45-Jährige gilt als Alternative für die Kommissionsspitze, sollte Ursula von der Leyen bei der Wahl im EU-Parlament in einem Monat scheitern.
Kaja Kallas
Die dritte Frau im Bunde ist Estlands derzeitige Regierungschefin: Kaja Kallas wird neue EU-Aussenbeauftragte werden, als Nachfolgerin des Spaniers Josep Borrell. Die Estin ist aufgefallen durch ihre klaren Positionen zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sie warnt eindringlich vor Wladimir Putins imperialen Ambitionen, die auch das Baltikum einschliessen könnten.
Kaja Kallas wird eine Chefdiplomatin mit klarem Profil sein, die deutliche Worte nicht scheut. Einigen Staats- und Regierungschefs ist sie zu profiliert und zu sehr ein rotes Tuch für Moskau. Die Südeuropäer dürften zudem den einseitigen Fokus auf Russland kritisieren und darauf drängen, dass die künftige EU-Aussenbeauftragte auch die Krisenherde im Süden ernst nimmt.
António Costa
Die Sozialdemokraten sichern sich mit António Costa den Posten des EU-Ratsvorsitzenden, eine Art Sekretär und Sprecher der Staats- und Regierungschefs. Der ehemalige linke Regierungschef Portugals galt schon länger als Favorit für den Posten. Korruptionsvorwürfe gegen das Umfeld des Regierungschefs schienen den Plänen aber lange im Weg zu stehen. Glaubt man den Sozialdemokraten, sind die Vorwürfe inzwischen ausgeräumt. Andere sehen hingegen noch ein Restrisiko, dass Costa von der Affäre eingeholt werden könnte.
Für António Costa spricht, dass er sich mit Ursula von der Leyen gut versteht. Der bisherige Ratspräsident Charles Michel hat sich die letzten fünf Jahre einen permanenten Machtkampf mit der Kommissionschefin geliefert. Tiefpunkt war das sogenannte Sofagate, als der Belgier Michel sich neben Recep Tayyip Erdogan setzte und Ursula von der Leyen am Katzentisch Platz nehmen musste.
Bis zuletzt soll Charles Michel versucht haben, die Nominierung der deutschen Christdemokratin zu torpedieren. So lancierte das Umfeld des Ratspräsidenten alternative Namen wie den griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis und brachte sich selber als EU-Aussenbeauftragten ins Spiel. Die Intrigen waren am Ende eher kontraproduktiv.
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