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Politisches Erdbeben in Portugal
Ministerpräsident António Costa tritt überraschend zurück

Portuguese Prime Minister Antonio Costa speaks during a news conference in Lisbon, Portugal, Tuesday Nov. 7, 2023. Costa says he is resigning after being involved in a widespread corruption probe. Costa said in a nationally televised address that "in these circumstances, obviously, I have presented my resignation to the president of the republic." Earlier the state prosecutor said police have arrested Costa's chief of staff while raiding several public buildings and other properties as part of a widespread corruption probe. An investigative judge issued arrest warrants for Costa's chief of staff, the mayor of Sines, and three other people. (AP Photo/Ana Brigida)
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Der seit 2015 regierende Ministerpräsident Portugals, António Costa, hat am Dienstagnachmittag überraschend seinen Rücktritt erklärt. Zweimal hatte er zuvor um die Mittagszeit den Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa in dessen Residenz in Belém aufgesucht, um diesem seine Entscheidung mitzuteilen. Der Präsident nahm das Rücktrittsangebot umgehend an.

Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur Machenschaften von Politikern und Mitarbeitenden im Umfeld des sozialistischen Regierungschefs untersucht, sondern dass zudem der dafür zuständige oberste Gerichtshof gegen Costa selbst ermittelt. Es geht dabei um den Vorwurf der Korruption und Vorteilsnahme bei der Vergabe von Lizenzen für Lithium-Bergbau sowie die Herstellung von grünem Wasserstoff in Portugal.

Wenige Stunden bevor Costa vor die Fernsehkameras trat, um seine Entscheidung zu verkünden, waren mehrere Festnahmen in seinem Umfeld bekannt geworden. Neben anderen waren Costas Kabinettschef und rechte Hand, Vítor Escária, sowie der einflussreiche Unternehmer und Costa-Freund Diogo Lacerda Machado am Nachmittag verhaftet worden, ebenso der Bürgermeister von Sines, einer Hafenstadt, in der eine gigantische Anlage zur Herstellung von Wasserstoff entstehen sollte sowie ein Rechenzentrum, das ebenfalls im Fadenkreuz der Ermittler steht. Die Details der Vorwürfe gegen Costa und seine Vertrauten sind allerdings noch nicht bekannt geworden.

«Es ist ein Lebensabschnitt, der zu Ende ist.»

Portugals Premier António Costa

«Ich werde mich nicht erneut für das Amt des Premierministers bewerben», beteuerte António Costa vor den TV-Kameras. «Es ist ein Lebensabschnitt, der zu Ende ist», sagte er. Strafverfahren seien selten schnell. Er werde mit Sicherheit nicht auf die Ergebnisse der Ermittlungen warten, um Konsequenzen zu ziehen.

Fehlverhalten im Amt leugnete er allerdings und äusserte sich «überrascht von den Handlungen der Staatsanwaltschaft». Costa sagte: «Ich möchte den Portugiesen von Angesicht zu Angesicht sagen, dass die Ausübung jeglicher illegaler oder sogar verwerflicher Handlungen mein Gewissen nicht belastet.» Er sei bereit, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, um die ganze Wahrheit herauszufinden, «was auch immer die Sache sein mag».

«In der portugiesischen Verfassungsgeschichte gibt es keine Situation mit solch grosser institutioneller Diskreditierung», sagte der Verfassungsrechtler Paulo Otero der Zeitung «Público». «Was auf dem Spiel steht, ist nicht der Verdacht gegen ehemalige Machthaber oder einen ehemaligen Premierminister, sondern gegen einen amtierenden Premierminister.»

42 Wohnungen und Büros wurden durchsucht

Die Staatsanwaltschaft liess am Dienstagmorgen landesweit 42 Wohnungen und Büros durchsuchen, darunter die Residenz von Ministerpräsident Costa sowie Büros im Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, im Ministerium für Infrastruktur und im Staatssekretariat für Energie und Klima.

Bei der Ermittlung, in der auch der Minister für Infrastruktur, João Galamba, und der Präsident der portugiesischen Umweltbehörde, Nuno Lacasta, beschuldigt werden, gehe es um «Straftaten wie Amtsmissbrauch, aktive und passive Bestechung politischer Amtsträger und Einflussnahme», erklärte die Generalstaatsanwaltschaft.

Der Skandal, dessen Ausmasse Portugals politische Klasse zutiefst erschüttern, rankt sich unter anderem um das mittlerweile gescheiterte Megaprojekt H2Sines, das zum Ziel hatte, Wasserstoff mit der Produktionsleistung von einem Gigawatt zu erzeugen, was zwei Kernkraftwerksreaktoren entspricht. Das Gas sollte für die einheimische Industrie sowie für den Export verwendet werden.

Offenbar geht es nun um den Vorwurf, dass bei den Auftragsvergaben rund um das Wasserstoffprojekt einzelne Firmen bevorzugt wurden. Womöglich steht auch Subventionsbetrug im Raum. Ähnlich lautet der Verdacht rund um Konzessionen zur Exploration von Lithium in Minen an zwei Standorten Portugals.