Schoggiriegel, Chips und Co.Wie Snacken Leber und Gehirn verändert
Bereits fünf Tage lang exzessiv Snacks zu essen hat Einfluss auf die Leberwerte und führt zu Insulinresistenz im Gehirn. Gemäss einer neuen Studie dürften diese Auswirkungen längerfristig sein.

- Übermässiger Snackkonsum führt zu Gehirn- und Leberveränderungen bei jungen Männern.
- Bereits nach fünf Tagen zeigen sich Effekte ähnlich wie bei Übergewichtigen.
- Insulinresistenz im Gehirn lässt Übergewichtige die Sättigung nicht mehr spüren.
- Vor allem lang anhaltender Snackkonsum sei ungesund, sagt ein Basler Forscher.
Das klingt verlockend: Schlemmen für die Wissenschaft. Für dieses ungewöhnliche Experiment stellten sich 18 junge Männer zur Verfügung. Das Ziel: Sie sollten fünf Tage lang zusätzlich zur normalen Ernährung täglich 1500 Kilokalorien in Form von hoch verarbeiteten fettreichen süssen oder salzigen Snacks zu sich nehmen. Sie assen also zum Beispiel pro Tag neben den regulären Mahlzeiten drei Schoggiriegel (je circa 50 Gramm) oder drei Müesliriegel (je 50 Gramm) oder 300 Gramm Pommes Chips oder 250 Gramm Erdnüsse oder eine Mischung aus diesen und ähnlichen Snacks.
Das exzessive Snacken fiel den jungen Männern gar nicht so leicht. Sie erreichten die Vorgaben nicht ganz, steigerten aber im Durchschnitt ihre normale Kalorienaufnahme immerhin um 1200 Kilokalorien durch die Snacks.
Das Ergebnis der Studie, die ein Forschungsteam um Stephanie Kullmann von der Universität Tübingen durchführte, klingt dann nicht mehr so beneidenswert: Bereits nach fünf Tagen führte das Übermass an Schoggi, Chips und Co. zu Veränderungen in der Leber und im Gehirn bei den Testpersonen, wie sie bei Übergewichtigen zu beobachten sind. Das Team hat die Ergebnisse der Studie kürzlich im Fachjournal «Nature Metabolism» veröffentlicht.
Stoffwechsel war nicht verändert
An der Studie nahmen insgesamt 29 normalgewichtige, gesunde Männer im Alter zwischen 19 und 27 Jahren teil, 11 von ihnen gehörten zur Kontrollgruppe und ernährten sich wie gewohnt. Alle Teilnehmer wurden vor dem Versuch, währenddessen und jeweils drei bis vier Wochen danach untersucht. Dabei fanden die Forscherinnen und Forscher zunächst, dass der Stoffwechsel der 18 Männer mit den Extrakalorien gut zurechtkam. Beispielsweise hatte die snackende Gruppe keine erhöhten Entzündungswerte wie Interleukin-6 oder andere Zytokine, die vom Immunsystem gebildet werden. Auch nahmen die Männer trotz der Snacks nur wenig zu und bildeten dabei kein Bauchfett, das als gefährlich gilt, weil es besonders hormonaktiv ist und deshalb den Stoffwechsel negativ beeinflussen kann.
Verblüffend war jedoch, wie schnell sich der Fettgehalt in der Leber bei den Schoggi- und Chipsliebhabern in nur fünf Tagen erhöhte, von durchschnittlich 1,6 Prozent auf 2,5 Prozent. Von einer Fettleber, die zu Entzündungen oder Lebererkrankungen führen kann, spricht man zwar erst, wenn mehr als 10 Prozent des Gesamtgewichts der Leber verfettet sind. Dennoch fand das Team, die Fetteinlagerung sei in dem kurzen Zeitraum beachtlich.
Der Fokus der Untersuchung lag jedoch auf dem Gehirn, und auch dort gab es eine Überraschung. Während die Blutwerte beider Gruppen nicht auf eine Insulinresistenz hindeuteten, fand das Team hingegen den Beginn einer Insulinresistenz im Gehirn der snackenden Männer. Die Forscherinnen hatten für die Untersuchung den Männern mit einem Spray durch die Nase Insulin verabreicht und mithilfe einer funktionellen Magnetresonanz beobachtet, wie es im Gehirn wirkt.
Insulin reguliert im Gehirn die Sättigung
Insulin reguliert normalerweise im Gehirn den Appetit, den Stoffwechsel und hat auch einen Einfluss auf die Erinnerung. Vor dem Versuch zeigten die Männer in beiden Gruppen vergleichbare Reaktionen im Gehirn, als sie Insulin über die Nase aufgenommen hatten. Beim gleichen Versuch fünf Tage später hatten sich die Reaktionen im Gehirn der Teilnehmer mit den Extrakalorien hingegen so verändert, wie es in Gehirnen von Übergewichtigen zu sehen ist.
«Wie es zu diesen Veränderungen im Gehirn von Übergewichtigen kommt, ist noch unklar», sagt Marc Donath von der Universität Basel. Der Diabetologe betreut übergewichtige Patientinnen und Patienten und erforscht Veränderungen im Stoffwechsel der Betroffenen. «Es wird diskutiert, ob Übergewicht zu Entzündungen im Gehirn führt und deshalb das Insulin dort nicht mehr richtig wirken kann», sagt der Mediziner. Insulin hat normalerweise einen sättigenden Effekt. Übergewichtige, bei denen die Funktion des Insulins gestört ist, können mehr essen, weil sie sich nicht satt fühlen. Das könne zu einer Negativspirale führen, sagt Donath.
Die aktuelle Studie zeige, dass sich die Insulinempfindlichkeit des Gehirns bei Männern mit gesundem Gewicht an kurzfristige Veränderungen der Ernährung anpasse, schreiben Stephanie Kullmann und ihr Team. So zeigten sich zu Beginn des Versuchs bei den Snackessern zunächst Belohnungsreize im Gehirn. Allerdings nahmen bei der zweiten Untersuchung, wenige Tage später, diese Belohnungsreaktionen ab. Und selbst nachdem die Männer ihren Schoggiriegel- und Chipskonsum wieder einschränkten, blieben die Veränderungen im Gehirn bestehen. Das deute auf eine langfristige Auswirkung aufs Gehirn hin durch den übermässigen Konsum von Knabbersachen, schreibt das Team.
Zwischenmahlzeiten weglassen oder nicht?
Marc Donath, der nicht an der Studie beteiligt war, findet es interessant, dass bereits nach so wenigen Tagen mit einer überreichen Ernährung Anpassungen im Körper ersichtlich werden. «So einen raschen Effekt konnte man bis jetzt noch nicht nachweisen», sagt er. Der Diabetologe findet es aber nicht sinnvoll, aus der Studie mit nur wenigen Testpersonen Empfehlungen für den Alltag abzuleiten. «Wer zum Beispiel in den Ferien oder an Feiertagen zu viel und zu ungesund gegessen und getrunken hat, sollte also nicht in Panik verfallen», sagt Donath. Ein Problem werde es aber natürlich, wenn man ein Jahr lang derart hohe Kalorienmengen zusätzlich zu sich nehme.
Neben den zusätzlichen Kalorien bedeutet Snacken auch, dass immer wieder zwischendurch etwas gegessen wird. Heisst es nicht derzeit: Drei Mahlzeiten am Tag und Zwischenmahlzeiten weglassen?
«Aussagen darüber, wie viele Mahlzeiten man am Tag essen soll oder wie viele und welche Snacks, sind wissenschaftlich schlecht belegt», sagt Donath. Als erfahrener Arzt und Forscher gehe er mit seinen Patientinnen und Patienten pragmatisch vor. «Es gibt Menschen, für die es sinnvoll ist, fünf kleine Mahlzeiten am Tag zu essen, weil sie dazwischen keinen Heisshunger haben», sagt er. «Andere können sich nicht beherrschen und essen dann bei mehreren Mahlzeiten den ganzen Tag lang immer etwas – und das ist natürlich nicht gut.»
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