«Es wird eine Chaos-Phase geben»
Die neuen Corona-Massnahmen des Bundesrates werden allgemein begrüsst. Die Präsidentin der nationalen Erziehungsdirektion warnt aber auch.
Einhellige Zustimmung zu Bundesratsbeschlüssen gegen Coronavirus In seltener Einmütigkeit habe Parteien, Gewerkschaften und Berufsverbände das Massnahmenpaket des Bundesrates zur Eindämmung des Coronavirus begrüsst. Es werden jedoch Ergänzungen gewünscht.
Die FDP stellt sich vorbehaltlos hinter den Bundesrat. Nur mit rechtzeitigen entschlossenen Massnahmen könnten die Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung vermindert werden, hält die FDP in ihrer Mitteilung vom Freitag fest. Die Partei fordert aber auch genügend Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter, insbesondere für all jene Eltern, deren Arbeit derzeit unabdingbar sei.
Alle Menschen in der Schweiz müssten nun in dieser ausserordentlichen Situation gemeinsam Verantwortung übernehmen und Solidarität zeigen für die ganze Gesellschaft. Politische oder ideologische Grabenkämpfe seien fehl am Platz. Vielmehr müssten kurzfristig die Bevölkerung geschützt und langfristig die Lehren aus der Krise diskutiert werden, heisst es bei der FDP weiter.
SVP: Besser zu viel als zu wenig
Die Massnahmen seien massiv, ohne dass man vom Ereignis, wie etwa bei einem Erdbeben, etwas sehe, sagte SVP-Präsident Albert Rösti im Blick TV. Aber es sei besser, wenn man später sagen werde, man habe zu viel gemacht als zu wenig. Die Bevölkerung müsse jetzt zusammenstehen. Es sei eine Frage der Solidarität, sagte Rösti. Dass der Bundesrat der Wirtschaft beisteht, begrüsst die Partei.
Die Massnahmen an der Grenze gehen für die SVP nur «in die richtige Richtung», wie sie in einer Mitteilung schreibt. Sie verlange weiterhin, dass die Grenzen geschlossen werden.
Und auch die SP Schweiz unterstützt die Massnahmen und hat nach eigenen Angaben vollstes Vertrauen in die Entscheide der Behörde. Nun sei die Solidarität von allen gefragt, schreibt die SP.
Der Entscheid, die Schulen ab Montag zu schliessen, stelle zahlreiche Familien mit berufstätigen Eltern vor grosse Schwierigkeiten, heisst es in der Mitteilung der SP weiter. Die SP appelliert deshalb an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Sie sollen die Mitarbeitenden unterstützen und es ihnen ermöglichen, sich um ihre Kinder zu kümmern. Wo möglich, sei Home-office eine gute Wahl.
Grüne fordern Konjunkturprogramm
Die Grünen unterstützen die Massnahmen des Bundesrates im Kampf gegen das Coronavirus zwar, fordern aber neben kurzfristigen Notmassnahmen rasch ein umfassendes Konjunkturprogramm. Neben Bundesrat und Parlament seien auch die Kantone und Gemeinden gefordert, Massnahmen gegen eine drohende Wirtschaftskrise zu beschliessen.
Die Massnahmen des Bundes reichten nicht aus, um den mittel- und langfristigen Folgen zu begegnen. Zusammen mit den Kantonen und Gemeinden sei ein koordiniertes Not- und Konjunkturstützungspaket zwingend. Im Vordergrund sollen Massnahmen zur Beschleunigung des notwendigen ökologischen Umbaus und zur Aus- und Weiterbildung stehen.
Economiesuisse gegen Konjunkturprogramm
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse begrüsst hingegen den Entscheid des Bundesrates, auf zielgerichtete Massnahmen zu setzen und auf ein Konjunkturprogramm zu verzichten, wie es in einer Mitteilung heisst.
Der Entscheid, den freien Personenverkehr an der Grenze ausnahmsweise einzuschränken, sei angesichts der Situation nachvollziehbar. Dass der Transit- und Warenverkehr weiterhin erlaubt sind, ist aus der Sicht des Verbandes zwingend, damit die Produktion in der Schweiz aufrechterhalten kann. Economiesuisse begrüsst zudem, dass der Bund vor allem auf das bewährte Instrument der Kurzarbeit zurückgreift.
SBG schlägt Lohnersatz für Eltern vor
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordert, dass der Bundesrat bis zur Schulschliessung am Montag Massnahmen vorlegt, wie die Löhne garantiert werden können und die Kinderbetreuung in allen Kantonen sichergestellt werden kann. Der SGB schlägt einen Lohnersatz für Eltern mit Betreuungspflichten vor.
Der Kaufmännische Verband begrüsst es, dass der Bund Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft beschlossen hat. Darüber hinaus brauche es jetzt aber auch eine Stabilisierung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt als Schutz gegen den exogenen Schock. Er erachte es als besonders wichtig, dass die Politik schnell weitergehende Massnahmen ergreift, damit Arbeitsplätze gesichert und die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen für Arbeitnehmende wie auch Unternehmen abgefedert werden könnten, heisst es in einer Mitteilung des Kaufmännischen Verbandes vom Freitag.
Das Votum der Erziehungsdirektoren-Präsidentin
«Es wird eine Chaos-Phase geben», sagt die Präsidentin der kantonalen Erziehungsdirektoren, Silvia Steiner. Aber diese Massnahme sei leider nötig.
Man sei froh um den Entscheid des Bundesrates, den Unterricht an den Schulen ausfallen zu lassen, sagte Steiner am Freitag vor den Medien. Steiner, die zugleich Zürcher CVP-Bildungsdirektorin ist, betonte dabei aber, dass die Schulen nicht geschlossen werden. «Die Schulen sind schon offen, wir stellen aber den Unterricht ein.» Die Eltern sind angehalten, ihre Kinder wenn immer möglich selber zu betreuen. Am kommenden Montagmorgen werden in vielen Schulen aber dennoch Kinder auftauchen - jene, die von ihren Eltern unmöglich selber betreut werden können, etwa weil diese im Gesundheitswesen arbeiten, bei der Polizei oder in einem Altersheim.
«Kein Kind soll unbetreut sein»
«Kein Kind soll unbetreut sein», sagte Steiner weiter. Die Schulen müssten Wege finden, diese Kinder, die nicht zuhause bleiben könnten, irgendwie zu betreuen. Sie könnten durchaus in den Schulen sein, aber nur in kleinen Gruppen.
Bis ins Detail wird nicht alles geregelt, vieles ist den Gemeinden selber überlassen. «Es wird eine Chaos-Phase geben. Daran führt kein Weg vorbei», prophezeite Steiner.
Appell an Kinder und Jugendliche
Steiner äusserte auch einen Appell direkt an die Kinder und Jugendlichen. «Bitte haltet euch an die Regeln. Ihr könnt mit dem Einhalten der Verhaltensregeln viel bewirken.» Zwar hätten Kinder und Jugendliche einen milden Krankheitsverlauf, aber durch ihre Mobilität und Aktivität könnten sie viele Menschen anstecken.
Etwas Positives hat die Corona-Krise für die oberste Bildungsdirektorin trotzdem. «Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Kinder irgendwann wieder sehr gerne zur Schule gehen.»
Lehrerverband: Folgerichtig
Der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer der Schweiz (LCH) erachtet die vom Bundesrat verfügte flächendeckende Schulschliessung als folgerichtig. In den Schulen sei das Coronavirus schon länger ein Thema, sagte LCH-Präsidentin Dagmar Rösler am Freitag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Mit den Schülern habe man zum Beispiel das Händewaschen eingeübt. Im Lehrpersonal seien auch Grosseltern, die zwar keinen Kontakt mit ihren Enkelkindern pflegen sollen, andererseits aber unterrichten.
Gastgewerbe hart getroffen
Die vom Bundesrat drastisch verschärften Massnahmen treffen das Gastgewerbe in aller Härte, wie der Branchenverband Gastrosuisse am Abend mitteilte. Die Branche habe infolge der Corona-Krise bereits jetzt massive Umsatzeinbussen zu bewältigen. Die nächsten Wochen werden über die Existenz zahlreicher Betriebe entscheiden. Dazu komme, dass die organisatorische Umsetzung der neuen Auflagen für viele Lokale ausserordentlich schwierig sein werde. Gastrosuisse würdige die Bereitschaft des Bundesrates, Wirtschafts-Soforthilfe für die betroffenen Unternehmen bereit zu stellen. Es sei zwingend, dass diese Gelder schnell und unbürokratisch fliessen.
Unterhaltungsbranche existenziell bedroht
Der Schweizer Live Entertainment Branche werde mit den Massnahmen des Bundesrates ein existenzbedrohendes Berufsverbot auferlegt, wie der Branchenverband der professionellen Schweizer Konzert-, Show- und Festivalveranstalter (SMPA) mitteilte. Die SMPA begrüsse deshalb das vom Bundesrat angekündigte Hilfspaket zur Abfederung von wirtschaftlichen Auswirkungen.
Der Branchenverband sowie diverse wichtige Player der Schweizer Event- und Unterhaltungsszene bekräftigen in der Mitteilung den Willen, den Besuchern und Fans weiterhin sämtliche Tickets von abgesagten Veranstaltungen zurückzuerstatten. Dies führe jedoch zu einem riesigen administrativen Aufwand.
SDA/fal
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