Krass für die Schweiz, harmlos im Vergleich
Geht der Bundesrat mit seinen Verboten zu weit? Nein – er hätte eher schneller sein sollen.
Es sind staatliche Eingriffe in unser Leben, wie es sie in der jüngeren Geschichte noch nie gegeben hat. Keine Veranstaltungen mit über 100 Personen, kein Unterricht an den Schulen mehr, eingeschränkte Reisefreiheit, Wiedereinführung von Grenzkontrollen, maximal noch 50 Menschen in Restaurants und Bars: Das alles hat der Bundesrat am Freitag entschieden, um die erschreckend schnelle Ausbreitung des tückischen Corona-Virus ein wenig zu bremsen. Obendrein wird noch die beachtliche Summe von 10 Milliarden Franken aufgeworfen, um zumindest die ärgsten wirtschaftlichen Folgeschäden zu mindern.
So krass sich das alles aus Schweizer Binnenoptik ausnimmt, so durchschnittlich wirkt es im internationalen Vergleich. In Deutschland hat der Shutdown der Schulen schon vor Tagen eingesetzt. In Österreich stehen ganze Regionen unter Quarantäne. In Italien ist die gesamte Volkswirtschaft per staatliches Dekret lahmgelegt. Viele Fachleute und Virologen forderten zuletzt angesichts der explodierenden Fallzahlen auch in der Schweiz weitergehende Massnahmen. Dass der Bundesrat mit seinem jetzigen Massnahmenpaket «überborden» würde, liesse sich nur noch mit gehöriger Ignoranz behaupten.
Eher schon ist in die gegenteilige Richtung zu fragen: Müsste der Bundesrat noch weitergehen? Oder hätte er die jetzigen Restriktionen früher beschliessen sollen? Im Rückblick lässt sich zumindest die zweite Frage bejahen. Das bisherige Krisenregime hat den Kantonen im Kampf gegen Corona zu viel Freiheit gelassen, aber auch zu viel Verantwortung aufgebürdet. Das föderalistische Durcheinander etwa im Umgang mit mittelgrossen Veranstaltungen hat Unsicherheit ausgelöst und einen effizienten Kampf gegen Corona vermutlich eher behindert als befördert. Die neuen strengeren Regeln des Bundesrats gewährleisten mehr Einheit, Rechtssicherheit und Effizienz.
Medizin mit schwerer Nebenwirkung
Ansonsten verbleibt als bittere Einsicht, dass rigorose staatliche Massnahmen zwar das Virus wirksamer bekämpfen, aber auch die Wirtschaft und das öffentliche Leben nachhaltiger schädigen.
Es ist Medizin mit schwerer Nebenwirkung. Hier die richtige Dosis zu finden, ist schwierig. Erst der Rückblick auf die dannzumal überwundene Krise wird ein gerechtes Urteil erlauben. Die echte Bewährungsprobe steht ohnehin erst bevor. Dann nämlich, wenn die Zahl der Kranken ihren Höhepunkt erreichen wird – und die Betroffenen Pflege und Spitalbetten benötigen werden.
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