Kommentar zu Missbrauch in der KircheEs eilt – wichtige Zeitzeuginnen sterben weg
Opfer befürchten, dass Kirchenleute bereits Akten vernichtet haben – um sexuelle Übergriffe zu vertuschen. Doch das Forscherteam wird das erst recht anstacheln, genau hinzuschauen.
Endlich hat sich die katholische Kirche dazu entschlossen, die Vorfälle von sexueller Ausbeutung unabhängig aufarbeiten zu lassen. Geleitet wird ein jetzt lanciertes Forschungsprojekt von zwei Professorinnen der Universität Zürich. Es ist höchste Zeit. Die katholische Kirche hat für diesen Schritt viel zu lange zugewartet. Wichtige Zeitzeuginnen und -zeugen sterben langsam weg.
Auf sie kommt es aber an. Sagen doch die zuständigen Historikerinnen Monika Dommann und Marietta Meier, dass es sie nicht wundern würde, wenn bereits Akten vernichtet worden wären. Sie wissen aus anderen Forschungsarbeiten, dass bei heiklen Themen oftmals die Bereitschaft nicht gross ist, sich der Vergangenheit zu stellen.
Die SRF-Sendung «10 vor 10» berichtete letzte Woche, dass nach kanonischem Recht Akten zu Sittlichkeitsverbrechen nach zehn Jahren, oder wenn der Täter tot ist, vernichtet werden. Nur ein kurzer Tatbestandsbericht sei aufzubewahren.
Es geht bei Opfern deshalb die Angst um, dass die Spuren der sexuellen Ausbeutung durch Kirchenleute längst beseitigt worden sind.
Sollten Kirchenleute nicht kooperieren, wäre der Imageschaden für die Kirche gigantisch.
Doch selbst geschredderte Akten verhindern die Erforschung dieses dunklen Kapitels nicht. Im Gegenteil: Ein solcher Vorgang lässt sich schwer komplett verheimlichen und weckt das Interesse der Forschenden erst recht. Denn auch wenn Akten fehlen, finden akribisch arbeitende Forscherinnen und Forscher diejenigen Zeugen, die von Übergriffen oder von verdächtigen Vorgängen berichten können.
Dazu gehören in erster Linie die Opfer, aber beispielsweise auch Pfarrköchinnen, die Bistumsgärtner oder die Sakristane und Sakristaninnen, die sich um die Pflege der Kirchen kümmern. Und viele mehr.
Dieses Forschungsprojekt ist ein grosser Schritt für die katholische Kirche. Es ist eine Chance, aber auch ein Risiko. Denn sollte das Pilotprojekt in einem Jahr zeigen, dass Kirchenleute gegenüber dem Forscherteam nicht kooperierten oder noch schnell Aktenbestände beiseiteschafften, wäre der Imageschaden für die Kirche gigantisch.
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