Polnische Aktivistin Kaja GodekSie führt einen Feldzug gegen Abtreibung und LGBT-Rechte
Kaja Godek hält Homosexualität für eine «Abartigkeit» und will ein komplettes Abtreibungsverbot. Wer ist die Frau, die im impfskeptischen Polen ihre nächste Attacke gegen Covid-Impfstoffe reitet?

Es kommt nicht oft vor, dass Aktivisten vom Rednerpult des Parlaments zum polnischen Volk sprechen dürfen. Kaja Godek wurde diese Ehre bereits dreimal zuteil. Vergangene Woche durfte sie im Sejm den Gesetzentwurf «Stop LGBT» begründen. Seit gut einem Jahrzehnt ist Godek Polens führende Aktivistin im Kampf für ein komplettes Abtreibungsverbot und gegen die Rechte von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten.
Ihr politisches Erweckungserlebnis hatte die heute 39 Jahre alte studierte Anglistin 2008: Da eröffneten Warschauer Ärzte der damals Schwangeren, dass sie am Fötus das Down-Syndrom festgestellt hätten, doch sie könne abtreiben. Die streng katholische Godek sah dies als «Euthanasie». Sie brachte das Kind, ein Mädchen, zur Welt – und trat einer Bürgergruppe bei, die für eine weitere Verschärfung des ohnehin restriktiven polnischen Abtreibungsrechts eintrat. Als Godek vier Jahre später in Polens damals populärster TV-Talkshow auftrat, wurde sie weithin bekannt. Im Herbst 2013 durfte sie das erste Mal im Sejm sprechen, nachdem sie gut 400’000 Unterschriften für ein Abtreibungsverbot gesammelt und das Parlament so verpflichtet hatte, den Bürger-Gesetzesentwurf zu behandeln.
100’000 Polinnen protestierten
Der Entwurf wurde abgelehnt, doch Godek liess sich nicht entmutigen. 2016 wurde das Abtreibungsverbot, unterstützt von der mittlerweile regierenden nationalpopulistischen PIS, im Parlament zunächst angenommen. Doch nach Protesten von mehr als 100’000 Polinnen in 143 Städten lehnte das Parlament dann doch ab. Zwei Jahre später scheiterte Godeks nächster Versuch, der von den Bischöfen in Polen massiv unterstützt wurde, erneut an Massenprotesten. Die nationalpopulistische Regierung führte das Abtreibungsverbot daraufhin über einen Umweg ein: Im Oktober 2020 entschied das PIS-kontrollierte Verfassungsgericht, das seit Jahrzehnten geltende Abtreibungsrecht sei verfassungswidrig. Godek, die verheiratet ist und neben ihrer Tochter auch noch zwei Söhne grosszieht, feierte ihren ersten Triumph.
Seitdem kämpft sie mit ihrer Bürgergruppe «Für das Leben und die Familie» gegen Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten, die in ihrer Weltsicht für Kindesmissbrauch oder gar Mord an Adoptivkindern verantwortlich seien, die Minderjährige zu hemmungslosem Sex verführten und Familien zerstörten. Für Godek ist Homosexualität eine «Abartigkeit». Gern hätte sie ihren Feldzug gegen Abtreibung und LGBT-Rechte auch im Europäischen Parlament geführt – doch die Wahlallianz, die sie 2019 mit Rechtsaussen-Vertretern der polnischen Politik schloss, blieb erfolglos. Auch in Polen verliess Godek das Lager der rechtsnationalistischen Konföderation bald wieder, weil ihre Themen dort ihrer Ansicht nach zu wenig präsent waren.
Mitten im Lockdown begann Godek Unterschriften für ein «Anti-LGBT-Gesetz» zu sammeln. Das soll Regenbogenparaden und anderes öffentliches Eintreten etwa für die Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen oder ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ebenso verbieten wie die Beteiligung von Aktivisten an moderner Sexualaufklärung in Schulen. Ihr erster Anlauf, den Gesetzentwurf ins Parlament zu bringen, scheiterte.
Auf eine Stufe mit Faschisten
Doch Anfang August übergab Godek im Sejm zwölf Kisten mit 140’000 Unterschriften. Bereits wenige Wochen danach, am 28. Oktober, wurde ihr Anti-LGBT-Gesetz im Sejm beraten und in erster Lesung angenommen. Auch die Aufregung, dass ihr engster Mitstreiter Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten auf eine Stufe mit Faschisten stellte, verhinderte dies nicht. Wann das Gesetz weiterberaten wird, ist noch offen. Bis es so weit ist, reitet Godek im impfskeptischen Polen ihre nächste Attacke: gegen Covid-Impfstoffe, die, so behauptet sie, unter Nutzung von Zellmaterial zustande kommen, das von abgetriebenen Föten stammen soll.
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