EU im Streit mit PolenDie EU sei kein Bancomat, sagt Monsieur Klartext
Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo kritisiert die Gängelung der Justiz in Polen scharf. Warschau könne nicht einfach das Geld nehmen und die Werte Europas verweigern.
Wenn die Lage wirklich ernst ist, braucht es jemanden, der Klartext spricht. Die EU sei kein Bancomat, sondern eine Wertegemeinschaft, sagte Belgiens Premierminister Alexander De Croo an die Adresse der rechtsnationalen Regierung in Warschau: «Sie können nicht alles Geld einstecken, aber die Werte verweigern.» Was ist es, was den Liberalen aus Flandern so in Rage bringt? Polen gehört zu den grossen Geldbezügern in der EU, macht aber gleichzeitig mit Angriffen auf Rechtsstaat, unabhängige Medien oder Frauenrechte Schlagzeilen und lässt Migranten an der Grenze zu Weissrussland sterben.
Die Konfrontation zwischen Polen und seinen europäischen Partnern in der EU hat gerade eine neue Eskalationsstufe erreicht, wobei ein Ausweg nicht in Sicht ist. Und so erteilt der Belgier den Polen eine Lektion in Staatskunde: Ein Sieg an der Urne bedeute nicht absolute Macht, sagt Alexander De Croo bei seiner Rede zum Semesterbeginn am Europakolleg in Brugge Richtung Warschau. Wer regiere, habe auch Verantwortung für Minderheiten. Und unabhängige Gerichte seien ein Markenzeichen für eine liberale Demokratie, als Sicherung gegen eine tyrannische Mehrheit.
Ein Urteil bestellt und auch bekommen
In Polen werden Richter willkürlich entlassen und durch regierungsnahe Leute ersetzt, so auch beim Verfassungsgericht. Dort hat die polnische Regierung zuletzt ein Urteil bestellt und auch bekommen. Sozusagen als Schutzschild gegen jegliche Kritik von den europäischen Partnern. Das Urteil besagt, dass Polen sich nicht dreinreden lassen will, wenn es die Gewaltenteilung im Land aufhebt. EU-Staaten dürfen zwar ihre Justiz organisieren, wie sie wollen, müssen aber die Unabhängigkeit der Richterinnen garantieren. Schliesslich müssen diese jeden Tag auch EU-Recht umsetzen. Doch diese Unabhängigkeit sieht der Europäische Gerichtshof (EuGH) inzwischen gefährdet.
Bis Polen einem Urteil des EuGH nachkommt und eine umstrittene Disziplinarkammer auflöst, muss die Regierung jeden Tag eine Million Euro nach Brüssel überweisen. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki spricht von Erpressung: «Wenn sie den Dritten Weltkrieg beginnen, werden wir unser Recht mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen.» Für Belgiens Alexander De Croo spielt Morawiecki da mit der Wortwahl ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Was nach dem Ende der kommunistischen Ära 1989 selbstverständlich gewesen war, sei es heute nicht mehr. Menschen weltweit hätten damals den Siegeszug der liberalen Demokratie in Osteuropa bewundert. China und Russland hätten heute einen anderen Weg eingeschlagen, den in die Autokratie. Und auch in Europa wollten einige die illiberale Demokratie einführen, für den flämischen Liberalen ein Widerspruch in sich.
Der Liberale erinnert an die Eurokrise, als die EU im Krisenmanagement lange eine schlechte Figur machte.
Der Belgier fällt auf mit seinen scharfen Worten, weil die anderen Staats- und Regierungschefs im Konflikt mit Polen sich mit Klartext schwertun oder sich überhaupt hinter der EU-Kommission und dem Europäischen Gerichtshof verstecken. Allen voran Angela Merkel, die zuletzt am Gipfel den Konflikt kleinredete und sich dem Vorwurf des Appeasement ausgesetzt sah. Auch hier hat jedoch Alexander De Croo eine klare Botschaft. Der Liberale erinnert an die Eurokrise, als die EU im Krisenmanagement lange eine schlechte Figur machte und das Feuerlöschen der Europäischen Zentralbank überliess. Die Regierungen müssten das Problem lösen, etwa mit einem klaren Bekenntnis zu den Grundwerten. Alles andere, so Alexander De Croo, sei nicht mehr, als die «Bestuhlung auf der Titanic umzustellen». Die Titanic ist bekanntlich am Ende untergegangen.
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