Restriktives Gesetz in PolenSelbst die Regenbogenfahne soll verboten werden
Keine Ehe für alle, keine Paraden von Schwulen und Lesben, kein offener Sexualunterricht in den Schulen, so verlangt es eine im Parlament eingereichte Vorlage. Als hätte Warschau nicht schon genug Ärger.
Für Kaja Godek ist es ein grosser Erfolg, dass ihr Gesetzentwurf es auf die Tagesordnung des polnischen Parlaments geschafft hat: «Stop LGBT» wird ihre Vorlage genannt. Sie will nicht nur Regenbogenparaden von Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Minderheiten verbieten, sondern jede Art von öffentlichem Eintreten für gleichgeschlechtliche Ehen, Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare oder andere Rechte für sexuelle Minderheiten. Kurz: Es geht um ein generelles «Verbot für die Propagierung anderer sexueller Orientierungen», in Polen soll es nur noch Heterosexuelle geben.
Wäre es nach Aktivistin Godek gegangen, hätte der polnische Sejm schon im November 2020 über die umstrittene Initiative beraten. Doch die nationalpopulistische Regierungspartei PiS hatte da schon genug Ärger: Nachdem das PiS-kontrollierte Verfassungsgericht im Oktober 2020 ein faktisches Abtreibungsverbot verhängt hatte, gingen Hunderttausende Frauen in ganz Polen auf die Strasse. Zudem machte die EU klar, dass sie polnischen Regionen, die sich für «LGBT-frei» erklärten, Fördermilliarden sperren werde.
2021 sammelten sie erneut 140’000 Unterschriften
Und so weigerte sich die PiS-Parlamentspräsidentin, den als Bürgerinitiative eingereichten Gesetzentwurf auf die Tagesordnung zu setzen. Als Begründung schob sie Formfehler vor. Doch Aktivistin Godek und ihre vom konservativen Flügel der katholischen Kirche gestützte Stiftung für das Leben und die Familie gaben nicht auf: 2021 sammelten sie erneut 140’000 Unterschriften – genug, um den Gesetzentwurf erneut ins Parlament zu bringen.
Der Entwurf will nicht nur Demonstrationen, sondern jedes öffentliche Eintreten für freie Sexualität und neue Rechte sexueller Minderheiten verbieten. Demonstrationen etwa für die Einführung der in Polen bisher nicht erlaubten gleichgeschlechtlichen Ehe dürften dann nicht mehr stattfinden, auch die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare dürfte nicht mehr gefordert werden. Zudem gäbe es keinen modernen Sexualunterricht in Polens Schulen mehr, der auch über Homosexualität aufklärt oder über die Möglichkeit von Geschlechtsumwandlung. Auch das Eintreten für Sex unter 18 soll verboten werden.
Unter öffentlichem Eintreten verstehen Godek und ihre Gesinnungsgenossen auch Ausstellungen, Geschäfte, die Sexspielzeug oder Regenbogenflaggen verkaufen. Und selbst Werbekampagnen von Weltfirmen wie Apple oder Google, bei denen diese die Regenbogenfarben nutzen oder die Nicht-Diskriminierung sexueller Minderheiten etwa am Arbeitsplatz unterstützen, sollen untersagt werden. Verboten werden soll jedwedes öffentliche Verhalten oder Handlungen, die «die öffentliche Moral» angreifen, besonders solche, die Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren «verderben oder demoralisieren» könnten. Zur Begründung wärmen die Autoren unter Berufung auf pseudowissenschaftliche Machwerke längst widerlegte Vorwürfe auf, dass etwa Homosexuelle oft für Kindesmissbrauch verantwortlich seien oder Kinder zu Homosexualität verführen wollten.
Würde der Entwurf Gesetz, würden wohl viele Polen wieder protestieren. Die Frauenrechtlerin Marta Lempart kündigte dies bereits an. Warschau würde auch sein miserables Verhältnis zur EU weiter verschlechtern. Selbst PiS-Politiker wunderten sich, dass ihre Führung den Gesetzentwurf nicht etwa in einem Parlamentsausschuss beerdigte, sondern zur Beratung angesetzt hat. Spekuliert wird, dass PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sich im Parlament so die Stimmen von stramm rechtsnationalistischen, gegen LGBT-Rechte eintretenden Gruppierungen sichern wolle.
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