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Epidemie-Versicherungen
KMU stehen mit leeren Händen da

Ein geschlossenes Restaurant in Rheinfelden, das in der Corona-Krise auf den Verkauf über die Gasse umgestellt hat.
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Knapp 86 Franken beträgt die jährliche Prämie. Der Besitzer eines Gastro- und Hotelleriebetriebs in der Nähe von Baden AG hat sich damit gegen das Risiko einer Epidemie abgesichert. In weiser Voraussicht, wie man meinen würde.

Doch nun zeigt sich: Von der Axa wird der Wirt keinen Franken bekommen. Dabei gefährdet die behördlich angeordnete Schliessung die Existenz seines Betriebs. Zum Verhängnis wurde ihm und zahllosen anderen kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU) die Weltgesundheitsorganisation: Sie erklärte am 11. März die Corona-Seuche zur Pandemie. Und Pandemien sind in den Epidemieversicherungen ausgeschlossen. Nicht nur bei der Axa.

Schwer kalkulierbare Pandemie

So ist auch der Besitzer eines Pubs im Kanton Zürich aus allen Wolken gefallen, als ihm sein Versicherungsbroker eröffnete, dass von der Epidemieversicherung der Helvetia keine Schadenzahlungen zu erwarten sind. «Das war auch meinem Broker so nicht bewusst», erklärt der Pubbetreiber. Seine Rechtsschutzversicherung will sich nun der Sache annehmen.

«Eine Epidemie ist per Definition eine zeitlich und örtlich beschränkte Verbreitung eines Krankheitserregers», sagt Axa-Sprecherin Nicole Horbelt. Epidemieversicherungen kämen zum Tragen, wenn ein Betrieb wegen eines epidemischen Ereignisses in diesem Betrieb auf behördlichen Beschluss geschlossen werde. Als Beispiele nennt Horbelt eine Salmonellenverbreitung in einem Restaurant oder einen Norovirus-Ausbruch in einem Altersheim.

«Eine Epidemie ist eine zeitlich und örtlich beschränkte Verbreitung eines Krankheitserregers.»

Nicole Horbelt, Axa-Sprecherin

Und wo ist der Unterschied zu einer Pandemie? «Sie gehört zu den nur sehr beschränkt versicherbaren Ereignissen», sagt Helvetia-Sprecher Jonas Grossniklaus. «Denn sie ist schwer kalkulierbar und tritt weltweit mit grossem Ausmass auf.» Der für Versicherer wichtige Grundmechanismus – Risikoausgleich in einem grossen Kollektivverbund – funktioniere hier nicht, weil nicht mehr nur Einzelbetriebe, sondern landesweit alle Betriebe betroffen seien.

Für die KMU, die bei der Helvetia eine Epidemieversicherung abgeschlossen haben, heisst das: Alle nach dem 11. März eingetretenen Schadenereignisse sind nicht mehr gedeckt. «In solchen Fällen bedarf es staatlicher Unterstützung», sagt Grossniklaus.

Unterschiedliche Risikodeckungen

Doch es geht auch anders: Die Mobiliar unterscheidet nicht zwischen Epidemie und Pandemie. Sie deckt diese Risiken in der Sachversicherung über ein Zusatzangebot ab. Die Abschlüsse bewegen sich indes laut Mediensprecher Jürg Thalmann «im einstelligen Prozentbereich aller bei uns versicherten Unternehmen».

Die Zurich Schweiz hat in Einzelfällen auch das Pandemierisiko abgedeckt – zu entsprechend höheren Prämien. Umgekehrt lässt der Sprecher der Baloise, Roberto Brunazzi, durchblicken, dass eine Pandemie nur «in einem Teil des Portfolios (…) bei uns explizit ausgeschlossen ist». Die Allianz Suisse bietet keine Epidemieversicherung an.

Wie der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) am 20. März mitteilte, ist sich die Branche einig, den «von dieser Krise besonders Betroffenen, darunter (…) den KMU, in dieser schwierigen Phase ganz besonders beizustehen». Daher empfehle der Verband den Mitgliedsgesellschaften, «gegenüber diesen wichtigen (…) Kunden in Zeiten angespannter Liquidität Verständnis und Entgegenkommen zu signalisieren».

«Für unsere Branche steht die Frage der Reputation aktuell nicht im Vordergrund.»

Takashi Sugimoto, Sprecher des Schweizerischen Versicherungsverbandes

Soll dies mit einschliessen, dass die SVV-Mitglieder bei der Epidemieversicherung besondere Kulanz walten lassen? Verbandssprecher Takashi Sugimoto beliess es bei der Antwort, es sei am einzelnen Versicherer, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um Geschädigten Hilfe zu leisten.

Drohender Reputationsschaden

«Die Schäden der Corona-Pandemie entgegen den Vertragsbedingungen durch die Epidemieversicherung zu decken, ginge willkürlich zulasten aller anderen Versicherten», sagt Axa-Sprecherin Horbelt. Auch die Helvetia begründet ihr Beharren auf den Vertragsklauseln mit «der Fairness gegenüber den anderen Prämienzahlern».

Das mag korrekt sein. Dennoch könnte die Haltung der Versicherer als Versuch gesehen werden, sich in einer Notlage hinter dem Kleingedruckten zu verstecken. Zur Frage eines möglichen Reputationsschadens für die Branche antwortet SVV-Sprecher Sugimoto: «Für unsere Branche steht die Frage der Reputation aktuell nicht im Vordergrund.» In dieser ausserordentlichen Lage gehe es darum, zusammen mit Bund, Kantonen und Unternehmen «unsere Wirtschaft am Laufen zu halten».