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Abschiebungen nach Afrika
Streit um Ruanda-Plan spaltet Tories kurz vor Abstimmung

A handout photograph released by the UK Parliament shows Britain's Prime Minister Rishi Sunak speaking during the weekly session of Prime Minister's Questions (PMQs) in the House of Commons, in London, on January 17, 2024. (Photo by JESSICA TAYLOR / UK PARLIAMENT / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - NO USE FOR ENTERTAINMENT, SATIRICAL, ADVERTISING PURPOSES - MANDATORY CREDIT " AFP PHOTO / Jessica Taylor /UK Parliament"
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Vor einer erneuten Kraftprobe mit seiner Parteirechten sieht sich Grossbritanniens Tory-Premierminister Rishi Sunak heute in Westminster. Nach zweitägiger Debatte seines heiss umstrittenen «Ruanda-Gesetzes» soll gegen Mitternacht im Unterhaus abschliessend über die Vorlage abgestimmt werden – falls Sunak nicht noch in letzter Minute kalte Füsse bekommt und die Gesetzesvorlage zurückzieht oder die Abstimmung verschiebt.

Denn rund 60 konservative Abgeordnete fordern von ihrer Regierung seit Wochen eine härtere Version des Gesetzes. Und niemand weiss, wie viele von ihnen Sunak letztlich die Gefolgschaft versagen, wenn dieser das Gesetz nicht noch vor der Abstimmung in ihrem Sinne verschärft.

Da alle Oppositionsparteien bis auf eine gegen das Gesetz votieren wollen, bräuchte es nur etwa 30 Nein-Stimmen aus dem Tory-Lager oder eine entsprechend höhere Zahl an Enthaltungen, um es zu Fall zu bringen. Ein solches jähes Ende des «Gesetzes zur Sicherheit Ruandas» wäre ein schwerer Schlag für den Regierungschef, der Massendeportationen von Asylsuchenden in den afrikanischen Staat zu einem Kernpunkt seines politischen Programms gemacht hat.

Sunak wollte auf Antipathien reagieren

Mit seinem Gesetz hatte Sunak ursprünglich gehofft, den rechten Flügel seiner Partei zufriedenstellen zu können und generell auf neue Antipathien gegen Immigranten in der Bevölkerung zu reagieren. Die Idee, Asylsuchende «zwecks Abschreckung» zu Tausenden nach Ruanda zu verfrachten, war bereits im April 2022 vom damaligen Premier Boris Johnson zur Regierungspolitik erhoben worden.

Rishi Sunak übernahm den Plan, als er im Oktober desselben Jahres in No. 10 Downing Street einrückte. Vor zwei Monaten entschied aber das Oberste Gericht, dass der Plan nicht umgesetzt werden könne, weil Ruanda Flüchtlingen «nicht die nötige Sicherheit» bot.

Daraufhin hatte Sunak im Eilverfahren ein neues Gesetz erarbeiten lassen, das Ruanda nun ganz einfach für «sicher» erklären soll. Die im Dezember im Parlament eingebrachte Gesetzesvorlage sieht zugleich vor, alle Einspruchsrechte und Berufungsmöglichkeiten der zur Abschiebung bestimmten Asylsuchenden auf ein Minimum zu reduzieren.

«Verfassungsmässig fragwürdig»

Moderate Konservative haben von Anfang an heftige Kritik an dem Gesetz geübt. Sie fürchten, dass es die Autorität der Justiz im eigenen Land untergraben und internationale Menschenrechtsverpflichtungen Londons gefährden würde. Rechtsexperten haben das Gesetz «verfassungsmässig fragwürdig» genannt.

Rechtsgerichtete Tories, insbesondere Brexit-Hardliner und Nationalkonservative, haben dagegen eine zusätzliche Verschärfung des Gesetzes verlangt. Sie wollen, dass Asylsuchenden überhaupt keine Möglichkeit mehr gegeben wird, gegen ihre Deportation Einspruch zu erheben.

Former Labour Leader Jeremy Corbyn (C) stands with demonstrators during a protest against the British Government's latest plan to deport immigrants to Rwanda, outside the Home Office in central London on December 18, 2023. The Safety of Rwanda (Asylum and Immigration) Bill 2023 is the UK government's latest attempt to deport asylum seekers to the east African country as part of efforts to cut immigration, after previous attempts were ruled illegal. (Photo by HENRY NICHOLLS / AFP)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte soll ihrer Ansicht nach britische Massnahmen nicht länger aufschieben oder verhindern können. Weder an die Europäische Menschenrechtskonvention noch an irgendwelche eigenen Menschenrechtsgesetze soll London künftig gebunden sein. Notfalls, meint die Tory-Rechte, müsse man halt aus der Konvention austreten. Und eventuell sogar aus der Flüchtlingscharta der UN.

Sunak soll «noch mal von vorne anfangen»

Hinter diesen Maximalforderungen haben sich prominente Tories wie Sunaks frühere Innenministerin Suella Braverman, Kurzzeit-Regierungschefin Liz Truss und Ex-Wirtschaftsminister Sir Jacob Rees-Mogg sowie die DUP, die Partei der nordirischen Unionisten, gestellt.

Braverman hat erklärt, das Gesetz in seiner jetzigen Form sei «untauglich». Sunak müsse «noch mal von vorne anfangen» und ein neues, strikteres Ruanda-Gesetz konzipieren. Die beiden Vize-Generalsekretäre der Partei, Lee Anderson und Brendan Clarke-Smith, traten bereits am Dienstag von ihren Ämtern zurück, weil sie nicht einverstanden waren mit dem Gesetz.

Sunak geht auf Risiko

Premier Sunak hat der Forderung der «Rebellen» allerdings auch am Mittwoch nicht nachgeben wollen. Er baut darauf, dass seine Kritiker es am Ende nicht wagen werden, den Ruanda-Plan zu sabotieren. Mit dem Angebot, mehr Richter für Asylverfahren abzustellen und dafür zu sorgen, dass Staatsbeamte internationalen Einspruch rundum ignorieren, suchte er am Mittwoch noch seine Kritiker auf der Rechten zu beschwichtigen.

Vertreter der gemässigten Konservativen versicherten freilich ihrerseits, dass sie gegen das Gesetz stimmen würden, falls der Premier dem rechten Flügel nachgeben sollte. Eine Gruppe moderater Tories um den ehemaligen Justizminister Sir Robert Buckland hält es eh schon für unakzeptabel, dass Ruanda vom Parlament als «sicher« eingestuft werden soll.

Innenministerium räumt «Probleme» ein

Immerhin hat sogar das Londoner Innenministerium eingeräumt, dass es in Ruanda gewisse «Probleme mit der Achtung der Menschenrechte» gebe, «was politische Opposition zum gegenwärtigen Regime, abweichende Meinungen und Redefreiheit betrifft».

Ein Bericht der liberalen Londoner Zeitung «i» bestätigte diese Woche, dass London in den letzten zehn Jahren Dutzenden aus Ruanda nach England geflüchteten Personen Asyl gewährte, weil sie in Ruanda verfolgt wurden und sich in Gefahr befanden. Sechs dieser Personen erhielten Asylrecht seit April 2022: dem Zeitpunkt, an dem die Johnson-Regierung mit ihrem Deportationsplan an die Öffentlichkeit trat.

Aber selbst wenn es Sunak gelingen sollte, sein Ruanda-Gesetz durchs Unterhaus zu bringen, haben Lords und Ladies im Oberhaus, wo es anschliessend behandelt wird, in grosser Zahl Widerstand angekündigt. Unter diesen Umständen könnte sich die Parlamentsschlacht leicht bis Ostern hinziehen. Und danach müsste die Regierung mit weiteren langwierigen Konflikten rechnen im Bereich der Justiz.