Empfehlungen der MaschineDie KI kennt Filme und Bücher, die sich wirklich lohnen
Geheimtipps liefern die Algorithmen von Amazon und Netflix nicht. Die Chatbots ChatGPT, Bing und Bard machen es besser – aber nur, wenn man sie richtig fragt.
Der «Kunden kauften auch»-Algorithmus von Amazon war wegweisend. Als es Anfang der Nullerjahre mit dem Onlineshopping losging, hat er diesem den Schrecken genommen: Wir waren mit einem Sortiment konfrontiert, das um Welten grösser war als in jedem herkömmlichen Laden. Doch die Software mit ihren Empfehlungen half uns weiter. Das wirkte persönlich und nahbar.
Dabei war es das gar nicht: Der Algorithmus basiert auf den Verkäufen, nicht etwa auf individuellen Vorlieben. Das sogenannte kollaborative Filtern bevorzugt Produkte mit hohen Verkaufszahlen. Bezogen auf die Bücher zeigt es uns Bestseller, aber keine Perlen aus der Nische. Ausserdem krankt der Mechanismus daran, dass die Leute Bücher auch gern verschenken und ihre Kauf-Historie längst nicht nur die eigenen Vorlieben widerspiegelt.
Tipps zu ganz speziellen Wünschen
Die künstliche Intelligenz merzt diese Nachteile aus. ChatGPT als universelle Auskunftsmaschine (chat.openai.com) macht Empfehlungen anhand des Inhalts und geht tatsächlich auf unsere Wünsche und Vorlieben ein. Sie können auch Microsoft Bing (bing.com) oder Google Bard (bard.google.com) fragen. Allerdings hat Google zwischendurch auch mal ein Buch erfunden («Dino-Kids» von Michael Ende), während die Tipps von ChatGPT bei den Tests fast immer zutreffend und meist auch überzeugend waren.
Also, fragen Sie drauflos, ob die KI die Geschichte kennt, die Sie gern lesen möchten. Ein lockeres Zeitreise-Abenteuer mit Dinosauriern? «Dinosaur Summer» von Greg Bear. Eine Liebesgeschichte in New York? «Brooklyn» von Colm Tóibín. Ein Thriller zum Klimawandel? «The Ministry for the Future» von Kim Stanley Robinson.
Das funktioniert ebenso gut für Filme und Fernsehserien. Die Antworten werden umso treffender, je genauer Sie fragen: Geben Sie das Genre, die Zeitperiode der Handlung oder der Entstehung an und machen Sie klar, welche Stimmung und Tonalität Sie suchen. Eine homurvoll-melancholische Zeichentrickserie? Die KI rät zu «BoJack Horseman». Und wichtig: Sie können die KI jederzeit bitten, die Vorschläge zu revidieren oder zu verfeinern, indem Sie beispielsweise sagen, wenn es Sie nach einem Blockbuster oder aber nach weniger bekannten Titeln gelüstet oder mehr oder weniger Spannung wünschen.
ChatGPT kann auch mit kniffligen Fragen etwas anfangen. Zum Beispiel: In welchen Filmen kam der Song «Johnny B. Goode» von Chuck Berry vor? In «Back to the Future» von 1985 – natürlich! –, aber auch in «American Graffiti». Oder: Welcher oskargekürte Film hatte die grössten Lücken in der Handlung? ChatGPT nominiert James Cameron als den «Master der Plotholes», weil seine beiden Kassenschlager «Titanic» (1997) und «Avatar» (2009) durch einige Inkonsistenzen aufgefallen sind.
Ein Quiz hat ChatGPT auch auf Lager
Nebenbei: Der Chatbot hilft nicht nur bei der Planung eines Filmabends mit Freunden. Er kann hinterher auch beim geselligen Teil behilflich sein. Bitten Sie ihn, Quizfragen zu einem Film zusammenzustellen, und Sie erhalten umgehend eine entsprechende Liste. Die Antworten gibt er Ihnen ebenfalls, wenn Sie ihn darum bitten.
Eine naheliegende Methode ist, nach ähnlichen Werken oder Autoren zu fragen. Das funktioniert auch über die Mediengrenzen hinweg: Sie können sich anhand eines Buchs Filme oder TV-Serien empfehlen lassen oder umgekehrt. Mir als Liebhaber von Robert Galbraiths Reihe zu Cormoran Strike und Robin Ellacott schlägt ChatGPT die Serien «Broadchurch» und «Luther» vor – und rennt damit offene Türen ein.
Allerdings ist das nicht immer der Fall. Die Chancen auf gute Ratschläge erhöhen sich auch hier, wenn Sie erläutern, was Ihnen besonders gefallen hat: War es der Plot, der Erzählstil oder haben es Ihnen die Figuren, Dialoge oder Schauplätze angetan?
Noch besser als ChatGPT
Es gibt auch spezialisierte Empfehlungs-KI. librarian-ai.com für Bücher bzw. watchnowai.com für Filme funktionieren beide nach dem gleichen Prinzip: Sie geben einige ihrer Favoriten an und erhalten Tipps, was Ihnen auch noch gefallen könnte. Stichproben mit beiden Websites zeigen, dass die Vorschläge in Ordnung, aber nicht sehr überraschend sind.
Aller KI zum Trotz bleibt es dabei: Die besten Empfehlungen gibt es im Freundes- und Bekanntenkreis. Was Bücher angeht, vertraue ich den Tipps meiner Mutter, und was Ratschläge für Fernsehserien angeht, kommt niemand an meine Schwägerin in Karlsruhe heran.
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