EM ohne die Schweiz: Unser RatgeberUm 23 Uhr müsste Yamal doch eigentlich im Bett sein
Spanien, die Niederlande, England und Frankreich spielen um den Titel. Was jetzt für wen spricht – und was nicht.
Es war ein bitterer Abend für den Schweizer Fussball. Die Nationalmannschaft scheiterte in Düsseldorf im Viertelfinal an England. Und das im Penaltyschiessen. Für sie ist das Turnier vorbei, aber in München, Dortmund und schliesslich in Berlin wird noch gespielt, Spanien trifft im Halbfinal auf Frankreich (Dienstag, 21 Uhr), England auf die Niederlande (Mittwoch, 21 Uhr).
Nur: Wen soll man jetzt noch anfeuern? Wir helfen Ihnen mit unserem Ratgeber – immer mit einem Augenzwinkern und noch etwas angeschlagen von diesem nur schwer zu verdauenden Viertelfinal.
Spanien
Pro
Williams! Yamal! Rodri! Olmo! Das könnte jetzt noch eine Weile so weitergehen. Ja, auch die anderen haben ein paar gute Fussballer, aber die spielen oft nicht so gut Fussball. Die Spanier hingegen machen Fussball zu dem, was es ganz ursprünglich mal war: ein Spiel. Ein Triumph dieses Teams wäre im Sinn dieses Sports. Und vor allem im Vergleich zur Hälfte aller Halbfinalisten (Sie finden gleich heraus, wer hier gemeint ist) eine grosse Erlösung.
Kontra
Weil er erst 16 ist, darf der eben erwähnte Yamal in Deutschland bloss bis 23 Uhr arbeiten. Weil die Spanier regelmässig gegen diesen Paragrafen verstossen, schreiben wir, gesetzestreu wie wir sind, gleich einen Beschwerdebrief ans Bundeskriminalamt. Wobei: Hätten wir einen Yamal, würden wir ihn wohl auch zu später Stunde einsetzen, oder? Eben. Also suchen wir dann doch weiter nach Gründen, die gegen Spanien sprechen. Und kommen auf diesen: Schaffen sie es in den Final, wird der im Halbfinal gesperrte Dani Carvajal wieder spielen. Eine Nervensäge des modernen Fussballs. Muss nicht sein.
Frankreich
Pro
Sie nerven viele Menschen, und das wohl nicht zu Unrecht, dazu mehr im Kontrapunkt. Aber wie Kylian Mbappé, Marcus Thuram und Ousmane Dembélé sich momentan gegen die Rechtsextremen im Land starkmachen, verdient Respekt. Wir staunen und fragen uns: Was wäre in der Schweiz los, wenn sich unsere Sporthelden mal positionieren würden? Wenn Federer einfach mal sagen würde: «So nicht!» Oder Odermatt verlauten lassen würde: «Ich hoffe, dass ich auch nach Olympia noch stolz bin, den Schweizer Renndress zu tragen.» Aber wir schweifen ab. Zurück zu Frankreich und seinen Fussballern: Sympathiepunkt verdient!
Kontra
Erinnern Sie sich an Griechenland? Den Europameister von 2004? Spielerisch kaum etwas gerissen, Eckball, Kopfball, 1:0, Abpfiff. Purer Minimalismus. Und sogar das unterbieten die Franzosen! 1:0, 0:0, 1:1, 1:0 und 0:0 lauten die Resultate dieser EM, gegen Portugal kamen sie erst im Penaltyschiessen weiter. Die drei Tore? Zwei Eigentore und ein Elfmeter. Das ist doch ein schlechter Witz! Stellen Sie sich mal einen Final gegen England vor, das ist der Stoff, aus dem Fussball-Albträume gemacht sind. Verhindern die Spanier und/oder die Niederländer dieses Schreckensszenario nicht, reicht es, zum Penaltyschiessen einzuschalten und den Abend davor mit dem Lesen eines Wörterbuchs zu verbringen.
England
Pro
Nun, vielleicht wäre es in Zukunft mal schön, zu sagen, gegen den späteren Europameister verloren zu haben. Aber sonst? Granit Xhaka hat für uns alle ja schon anständig gratuliert, das reicht dann auch. Gehen wir besser gleich weiter zum Kontra.
Kontra
Natürlich sind wir befangen. Aber wo, wenn nicht bei einem Fussballturnier, dürfen wir denn noch befangen sein? Im Ernst: Der Goalie nervt noch mehr als Carvajal, der Mann mit der Nummer 10 ist längst abgehoben und wird Shaqiri wahrscheinlich (und natürlich völlig zu Unrecht!) die Auszeichnung für das schönste Tor des Turniers klauen. Das Team hat einen Marktwert von 1,5 Milliarden Euro und spielt Fussball zum Einschlafen. Der Trainer ist gleich langweilig wie der der Franzosen. Die Fans singen seit bald dreissig Jahren «It’s Coming Home», ohne dass es nach Hause kommt. 1966 mal Weltmeister geworden, seither das Gefühl, die Könige dieses Sports zu sein. Ist jetzt auch mal gut, kommt in zwei Jahren wieder, wenn wieder WM ist. Und unterhaltet uns!
Niederlande
Pro
Sie sind so unberechenbar, dass es Spass macht, ihnen zuzuschauen. Liegen gegen Polen hinten und gewinnen dann doch. Kommen gegen Österreich zweimal zurück ins Spiel und verlieren dann doch. Schicken die Rumänen diskussionslos nach Hause und müssen dann gegen die Türkei doch wieder zittern. Bei den Niederländern darf sich das Publikum auf einen Fussballabend voller Wendungen freuen, das ist spannender als jeder Christopher-Nolan-Film. Mehr davon!
Kontra
Ziemlich genau gleich klein, eine lustige Sprache, dicht besiedelt, eine Nationalmannschaft, die das Land abbildet. Die Niederlande sind wie wir. Dabei wollen doch wir die sein, die die ganz Grossen mal so richtig ärgern. In einem Halbfinal zum Beispiel. Den Niederländern gelingt das mit Fussballern wie Cruyff, Van Basten, Gullit oder Robben immer wieder mal. Uns nie so richtig. Darum sind wir etwas eifersüchtig. Und überhaupt: Wäre es nicht super, wenn der Torschützenkönig dieses Turniers ein Georgier wäre? Georges Mikautadze führt das Klassement momentan mit der gleichen Ausbeute wie Cody Gakpo an, wäre aber der Gewinner, weil er weniger gespielt hat.
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