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Die besondere Europameisterschaft
Schotten dicht am Marienplatz – unsere EM-Momente

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Widmers Welt bricht zusammen

81 Minuten sind zwischen der Schweiz und Deutschland gespielt. Silvan Widmer hält David Raum an der Schulter zurück und sieht dafür die Gelbe Karte. Die Kamera zoomt auf Widmers Gesicht, auf diese kleine Welt, die dort gerade zusammenbricht. Widmer wird wegen der Szene den Achtelfinal verpassen, schon zwei Jahre zuvor war er an der WM im ersten K.-o.-Spiel nicht dabei. Diese Widmer-Tragik, im Grossen unbedeutend, sie ist für mich einer der bleibendsten TV-Momente dieses Turniers.

Switzerland's disappointed Silvan Widmer, left, reacts after a draw (1-1) during a Group A match between Switzerland and Germany at the Euro 2024 soccer tournament in Frankfurt am Main, Germany, Sunday, June 23, 2024. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Der Schaffner beruhigt

Düsseldorf, erste Turnierwoche. Viele Österreicherinnen und Österreicher steigen in einen ICE, der auch heute einfach irgendwann nach irgendwo unterwegs ist. Darum leichter Stress unter den Passagieren. Nach wenigen Minuten folgt die erste Durchsage des blendend aufgelegten Schaffners: «Liebe Leut, unsere beiden Mannschaften haben beide schon ein Eigentor geschossen an diesem Turnier. Aber nicht verzagen: So viele Eigentore, wie die Deutsche Bahn schiesst, schaffen Deutschland und Österreich zusammen nicht.»

Darauf kommt nur Shaqiri

Gut möglich, dass die Fans des Nationalteams in den nächsten Jahren noch darüber reden werden: «Weisch no, de Shaq, wänn dä ine wär …» Um wenige Zentimeter ist Xherdan Shaqiri im Viertelfinal gegen England an der Sensation vorbeigeschrammt. Dieser Eckball in der 117. Minute, es wäre ein Tor für die Geschichtsbücher des Fussballs geworden. So aber ist es halt bloss ein Versuch. So tollkühn, dass er wohl nur einem Spieler wie Shaqiri in den Sinn kommt. Ach, wenn der rein wäre … 

epa11463280 Goalkeeper Jordan Pickford of England (R) in action against a corner kick by Xherdan Shaqiri of Switzerland (unseen) during the UEFA EURO 2024 quarter-finals soccer match between England and Switzerland, in Dusseldorf, Germany, 06 July 2024.  EPA/ANNA SZILAGYI

Sakas Elfmeter macht alles wieder gut

19 Jahre ist Bukayo Saka alt, als er 2021 im Wembley zum Elfmeter antritt. EM-Final gegen Italien, er muss treffen, damit die Engländer im Rennen um den Titel bleiben. Er scheitert. Und in den Tagen darauf bricht ein Sturm mit teils rassistischen Beleidigungen über ihn herein. 22 Jahre ist Bukayo Saka, als er 2024 in Düsseldorf zum Elfmeter antritt. Er bezwingt Yann Sommer, England steht im Halbfinal. Wegen der Vorgeschichte dürfen wir uns auch in der Schweiz über diesen Saka-Moment freuen.

Alle bejubeln den Mann mit dem Fahrrad

Ach, es gab so viele grosse Geschichten an dieser EM. Aber der Moment, der mir ein Schmunzeln ins Gesicht malte und sich sehr weit vorne in die Hirnrinde eingebrannt hat, findet abseits des Stadions statt: nach dem Viertelfinal Deutschland - Spanien im Stuttgarter Hauptbahnhof. Da steht der Metropolexpress nach Pforzheim. Er ist rappelvoll, bei den Eingängen stehen die Leute praktisch auf dem Trittbrett. Und dann kommt der Mann mit dem Fahrrad und will auch noch mit. Also fängt er an, das Ding unter dem Gejohle der schon sehr dicht stehenden Passagiere in den Zug zu drücken. Zentimeter für Zentimeter. Bis das Fahrrad drin ist. Und er auch. Am Ende jubeln alle. 

Ruefer fragt nach Forrest Gump

Es ist einer jener Momente, derentwegen Sascha Ruefer so geliebt wird – oder eben nicht. Breel Embolo hat das erlösende 3:1 für die Schweiz gegen Ungarn erzielt, da ist in der Wiederholung zu sehen, wie dem Stürmer bei seinem Lauf eine Manschette vom Oberschenkel rutscht und zu Boden fällt. Ruefer: «Kennen Sie Forrest Gump? Der sprintete doch auch los und verlor alles, was um sein Bein gebunden war, diese Knieschiene! Forrest Gump 2024: Breel Embolo mimt den Kinoklassiker!» Herrlich! Oder eben nicht.

Schotten dicht am Marienplatz

Tag des Eröffnungsspiels im Zug nach München. Die Schotten tragen Kilt, trinken Jägermeister und grölen, begleitet von einem zur Mittagszeit schon eindrücklich angeheiterten Dudelsackspieler. Die Deutschen versuchen dagegenzuhalten, man klopft Sprüche, man klopft sich auf die Schulter, aber man verkloppt sich nicht. Es bleibt friedlich – wie meistens an dieser EM. Im Zug, später in München, ist vor allem die grenzenlose Vorfreude zu spüren. «Schotten dicht am Marienplatz» titelt die «Süddeutsche Zeitung», weil dieser überfüllt ist und von der Polizei zeitweilig geschlossen werden muss. Und liefert damit schon am ersten Tag eine der schöneren Schlagzeilen des Turniers.

23.06.2024, Baden-Württemberg, Stuttgart: Fußball, UEFA Euro 2024, EM, Schottland - Ungarn, Vorrunde, Gruppe A, Spieltag 3, Stuttgart Arena, schottische Fans feiern vor dem Spiel. Auf dem Smartphone ist die Uhrzeit 20:17 zu erkennen. Foto: Marijan Murat/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Marijan Murat)

Trinkt das Bier doch lieber!

Neben dem Fussball wurde es beinahe zum Volkssport während der EM: das Bierbecherwerfen. Sei es im Stadion oder im Public Viewing. Unsäglich, dass der Gerstensaft nicht getrunken, sondern fliegend ausgeschüttet wurde. Dass diverse Verbände dafür gebüsst wurden, ist korrekt. Das Fehlverhalten der Schweizer Fans nach dem 3:1 von Breel Embolo gegen Ungarn kostete den SFV 40’000 Euro. Zu Hause sind solche Bussen kaum vorstellbar. In den eigenen vier Wänden benehmen sich die meisten Anhänger wohl kaum wie im Stadion oder im Public Viewing.

Die EM-Fans bejubeln die Alternativ-Liga

Gleich hinter der Südtribüne des Kölner Stadions gibt es eine riesige Rasenfläche, Jahnwiese genannt. Alternativ-Liga oder Junioren tragen hier ihre Spiele aus. Findet nebenan ein Anlass statt, eine Europameisterschaft zum Beispiel, stehen plötzlich viele fremde Fans an der Seitenlinie und johlen, sehr zur Erheiterung der involvierten Akteure. Im Anschluss an die Spiele drüben im Stadion wird die Wiese wieder von EM-Fans bevölkert – von all jenen, die sich nicht in überfüllte Trams zwängen wollen. Oder die das eine oder andere Bier eben nicht verschüttet haben (siehe oben). Selbst ein Ball ist schnell gefunden: ein paar Schritte weiter im Fanshop. Zu EM-Preisen, versteht sich.

Mein Vater holt die Gratulation der Italiener ab

Selten war ich so froh, pünktlich nach der Halbzeitpause wieder auf meinem Platz zu sitzen wie an diesem Abend im Berliner Olympiastadion. In der linken Hand die warme Currywurst, in der rechten das kühle Bier, vor mir das Traumtor von Ruben Vargas – just eine Minute nach Wiederanpfiff zum 2:0 der Schweiz gegen Italien. Mein Vater, neben mir jubelnd, heimste die Gratulationen der hinter ihm stehenden italienischen Fans ein. Auch sie schienen zu wissen: Dieses Spiel ist gelaufen.

hustle_hard_304 feiert seinen Sohn

Jugendlich, unbekümmert, hemmungslos: Das beschreibt Spaniens heimlichen Shootingstar Munir Nasraoui wohl am besten. Er ist der Vater des Shootingstars dieser EM: Lamine Yamal, gerade 17 Jahre alt geworden. Nach dem Traumtor seines Sohns im Halbfinal gegen Frankreich kennt sein Jubel keine Grenzen. Jubelfaust, Jubelsprünge, Jubelumarmungen, Jubelschreie – alles ist in diesem Moment dabei: hemmungslos. Während die Eltern anderer Stars in VIP-Logen Cüpli trinken, sitzt der Mittdreissiger zwischen den Fans im Stadion: unbekümmert. Die schönsten Momente mit seinem Sohn teilt Nasraoui auf Instagram. Der Account-Name klingt wie der eines pubertierenden Hip-Hop-Teenies: hustle_hard_304. Eben: jugendlich. Genau wie sein Sohn.

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