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Meinung

Analyse zum Nationalcoach
Jetzt warten grosse Fragen auf Yakin – auch unbequeme

Switzerland's head coach Murat Yakin, left, and assistant coach Giorgio Contini listen to the national anthem prior to a Group A match between Switzerland and Germany at the Euro 2024 soccer tournament in Frankfurt am Main, Germany, Sunday, June 23, 2024. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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Als die Nationalmannschaft letzten Sonntag in Zürich euphorisch empfangen wurde, gelang Murat Yakin einer dieser Yakin-Sätze: «Jetzt habe ich ein paar Tage frei. Und dann freue ich mich auf die Ferien.»

Die freien Tage vor den Ferien hat er nun immerhin genutzt, um seine Zukunft zu klären. Und das Ergebnis ist das, was nach dieser Europameisterschaft nur richtig sein kann: Yakin bleibt Trainer der Nationalmannschaft, und Giorgio Contini bleibt der Vertraute an seiner Seite. Ihr nächstes bedeutendes Ziel ist die Monumental-WM 2026 mit den Gastgebern USA, Mexiko und Kanada.

Wie lange die neue Zusammenarbeit fixiert ist, will der Schweizerische Fussballverband erst an einer Pressekonferenz am Montag mitteilen. Dass er nun gleich zwei Trainer weiterbeschäftigt, die sich im Grundsatz als Cheftrainer verstehen, ist durchaus ein Luxus. Leisten will er sich diesen, nachdem ihm die EM dank des Einzugs in den Viertelfinal Einnahmen von 15,25 Millionen Euro beschert hat.

Yakin und Contini harmonieren, wie Yakin und Vincent Cavin das vorher nicht taten. Yakin hätte Contini gern schon früher als Assistent gehabt, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass sein alter Weggefährte sich mit dieser Rolle anfreunden kann. Anfang Jahr änderte sich die Ausgangslage, weil Contini ohne Anstellung war und sich dafür begeistern konnte, eine EM unmittelbar zu erleben.

«Für uns ist er ein Glücksfall», sagte Yakin während der EM über ihn. Und betonte dabei eines: dass er Contini nicht als Assistenten sieht, sondern «als Partner, als Mittrainer». Contini hat mit seiner Art und seiner Kompetenz jedenfalls dazu beigetragen, dass sich das, was vorher wie eine Gewitterwolke über Yakin und der Mannschaft hing, quasi über Nacht in Luft aufgelöst hat.

An Yakin perlte einfach alles ab

Der kleine Rückblick: diese schlechten Gefühle nach der turbulenten Qualifikation. Die Leistungen, die mau waren. Diese Diskussion um Yakin, ob er übers Jahr hinaus bleiben soll, die nicht nur in dieser Zeitung geführt wurde, sondern auch im Verband. Und im Frühjahr wurde bekannt, dass Yakin einen Hells Angel damit beauftragt hatte, sechs teure Uhren zu verkaufen. Fatalerweise wurde dieser Hells Angel kurz vor der EM in Basel wegen mehrfacher Vergewaltigung und versuchten Missbrauchs einer Minderjährigen zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt. An Yakin perlte das ab, als würde ihn das alles nichts angehen: Der Vorfall mit den Uhren liege vier Jahre zurück. Darum sei das kein Thema für ihn.

Auch das steht für Yakin: diese Fähigkeit, Vergangenes zumindest auszublenden. Das war ihm bei der Aufarbeitung der WM 2022 mit dem 1:6 gegen Portugal gelungen, als er drei Monate später salopp sagte, die WM sei ja letztes Jahr gewesen. Darum zeigte er sich vor der EM auch gnädig mit seinen Kritikern: «Mehrere Journalisten dürfen auch mal einen schlechten Tag haben. Das ist vorbei. Es geht vorwärts.»

Und es ging vorwärts, weil Yakin sich in Deutschland in bester Form zeigte und viele richtige Personalentscheide traf, weil in diesen Tagen eine Dynamik entstand, wie sie wohl nur an einem Turnier entstehen kann. Er fühlte sich herausgefordert und im Element, weil die Gegner grosse Namen hatten – Deutschland, Italien, England – und nicht mehr Weissrussland, Andorra und Kosovo hiessen. Er genoss es auch, vor den Spielen vor die Fankurve zu gehen. Das wurde für ihn gar zum Bad in der Menge. Er konnte in diesen Momenten das ausleben, was ihn zeitlebens ausgezeichnet hat: seine Art, Menschen für sich zu gewinnen.

So schön nun dieser Sommer gewesen ist, so gross das Verlangen ist, es möge immer so sein: So gross sind vor allem die Fragen, mit denen sich Yakin, im Tandem mit Contini, früher oder später beschäftigen muss. Was bleibt von dieser Europameisterschaft? War sie nur ein Traum oder der Beginn von etwas Neuem? Wie viel kann an Gefühlen und Harmonie in den eher profanen Alltag einer Nations League gerettet werden, die im Herbst mit den Spielen gegen Dänemark, Spanien und Serbien wartet?

Die Goalie-Frage

Personelle Fragen müssen beantwortet werden. An allererster Stelle jene des Goalies. Yann Sommer hat zehn Jahre lang wertvolle Dienste geleistet, aber im Dezember wird er 36, und dahinter drängt mit Gregor Kobel einer auf seine Chance, der längst in der europäischen Spitze angekommen ist. Kobel muss sie bekommen, um die Lust aufs Nationalteam nicht zu verlieren. Und wie geht Yakin mit Sommer um, der selbst von unbändigem Ehrgeiz getrieben ist?

Viele Stützen der aktuellen Mannschaft sind wie Sommer in den Dreissigern. Fabian Schär wird 33, Ricardo Rodriguez bald 32, Granit Xhaka auch, Remo Freuler ist schon 32. Ein Turnier haben sie wohl noch in den Beinen, allen voran Xhaka dank seiner Professionalität und Spielweise.

Aber Yakin muss im Herbst schon beginnen, die Antwort darauf zu finden, wie tragfähig der Unterbau ist, wie gut die Jungen wirklich sind, die hinten anstehen. Vor allem auch: Wo ist der nächste Rodriguez? Der nächste Silvan Widmer? Wo ist endlich der Mittelstürmer, der zuverlässig trifft wie einst Alex Frei? Und auch das: Hat er das Glück, eines Tages einen neuen Xherdan Shaqiri zu bekommen? Oder ist der einst Unverzichtbare, der mit bald 33 Jahren zum Bankdrücker geworden ist, ein Schweizer Unikat für alle Zeiten?

Langweilig kann es Yakin nicht werden, im Gegenteil. Er ist gefordert, weil er sein eigenes Erbe verwalten muss. Immerhin ist er am richtigen Ort. Er ist ein Trainer, der seine Auszeiten braucht. Nirgends bekommt er sie mehr als beim Verband.