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Elektronisches Patientendossier
Wer seine Daten digitalisieren will, stösst auf grosse Hürden

Müssen Spitäler stärker in die Pflicht genommen werden? Für die Patienten wird die Suche nach den eigenen Krankenakten zum Hindernislauf. 
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2017 erkrankte H. W. an einer seltenen Form von Hirnentzündung. Fünf Monate lag er im Kantonsspital Freiburg, davon drei Monate im Koma. Der Mann beschreibt die Krankheit als «Feuer im Kopf». Zuerst landete er auf der Notfallabteilung des Berner Inselspitals, von dort wurde er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen mit dem Verdacht auf Schizophrenie. Eine befreundete Ärztin erwirkte, dass der Mann ins Kantonsspital Freiburg, in seinem damaligen Wohnkanton, zur neurologischen Untersuchung überwiesen wurde. Die Diagnose lautete schliesslich: Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis. Dabei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Entzündung des zentralen Nervensystems, die oft zuerst psychische Störungen, aber auch epileptische Anfälle verursacht.

Mittlerweile geht es dem 62-Jährigen wieder gut. Nun möchte er seine Krankengeschichte elektronisch verfügbar machen, falls er erneut ins Spital eingeliefert werden muss. Dazu eröffnete er im Sommer 2022 ein elektronisches Patientendossier (EPD). Doch damit begann ein Hindernislauf. Zunächst verlangte er vom Inselspital den Notfallbericht. Doch statt eines vollständigen Dokuments erhielt er jene Version, die zur Verlegung in ein anderes Spital erstellt worden war. Wichtige Angaben etwa zu den behandelnden Ärzten hätten gefehlt, sagt H. W. Mehrere Anrufe im Inselspital führten nicht zum Erfolg. Schliesslich ging er selbst zur Notfallabteilung des Universitätsspitals, um den Bericht zu bekommen. Schliesslich erhielt er die gewünschten Patientendaten, die er in sein EPD hochlud.

Alte Daten müssen Patienten selber besorgen

Noch schwieriger gestaltet sich die Beschaffung der Krankenberichte des Kantonsspitals Freiburg. Er muss jede Abteilung, auf der er behandelt wurde, selber anschreiben. Doch H. W. hat keinen Überblick über die Behandlungsstationen, da er wegen der schweren Erkrankung monatelang stark eingeschränkt war und insgesamt wohl etwa zehnmal verlegt wurde. Um seine Zeit im Freiburger Spital zu rekonstruieren, gelangte H. W. auch an seine Krankenversicherung. Allerdings beschied ihm diese, dass sie aus den Abrechnungsdaten keine Rückschlüsse auf den Behandlungsablauf ziehen könne. Der Mann kann nicht glauben, dass ihm derartige Hürden in den Weg gelegt werden. «Diese medizinischen Daten gehören laut Gesetz mir», sagt er.

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Damit hat er zwar recht. Allerdings besteht für die Spitäler keine Pflicht, Daten, die vor der Eröffnung eines EPD angefallen sind, ins Dossier zu übertragen. Dazu sind sie nur verpflichtet, wenn bereits ein Patientendossier eröffnet wurde, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage mitteilt. Gesundheitsdaten, die aus Behandlungen vor der Eröffnung des EPD stammen, müssten Patientinnen und Patienten bei den Spitälern anfordern, und diese müssen sie herausgeben. Doch sind es wiederum die Patienten, die die Daten selber ins EPD hochladen müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Patienten in der Regel ihre Daten bei jenen Spitalabteilungen einfordern müssen, auf denen sie behandelt wurden. Dies kann bei grossen Spitälern aufwendig sein.

Die Hälfte der Spitäler macht nicht mit

H. W. kann nicht verstehen, warum die Spitäler von den zuständigen Behörden nicht stärker in die Pflicht genommen werden. Dies will der Bundesrat nun auch tun. Mit gutem Grund: Denn an sich wären Spitäler und Pflegeheime bereits heute verpflichtet, das EPD zu führen, wenn Patientinnen und Patenten dies verlangen. Das Kantonsspital Freiburg und das Inselspital sind dem EPD-System angeschlossen, verhalten sich diesbezüglich also gesetzeskonform. Doch mehr als die Hälfte der 276 Spitäler sind bisher dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, die seit 2020 besteht. Bei den Pflegeheimen hat sich erst ein Drittel dem EPD angeschlossen.

Deshalb will der Bundesrat mit einer Gesetzesrevision Sanktionen ermöglichen. Medizinische Leistungserbringer, die sich nicht ans Patientendossier anschliessen und somit keine Patientendaten übertragen, müssen mit Bussen bis zu 250’000 Franken rechnen. Im Extremfall kann sogar das Recht entzogen werden, Leistungen über die Grundversicherung abzurechnen. Zudem sollen alle Versicherten ein Patientendossier erhalten, ausser sie lehnen dies explizit ab. Auf der anderen Seite sollen nun auch alle ambulant tätigen medizinischen Akteure zur Führung des EPD verpflichtet werden: Arzt- und Physiotherapiepraxen, Apotheken und Spitalambulatorien.

Bis diese Neuerungen in Kraft sind, die das EPD zur elektronischen Patientenakte machen sollen, dauert es allerdings noch. Zurzeit läuft die Vernehmlassung, im nächsten Jahr wird der Bundesrat die Gesetzesänderungen ans Parlament schicken. Damit dürften die Neuregelungen frühestens ab 2026 gelten.