Neustart für PatientendossierNun kommt die digitale Krankenakte
Der Bundesrat reagiert auf die Kritik am elektronischen Patientendossier. Aus dem PDF-Friedhof soll eine Ablage für aktuelle Behandlungsdaten von Patientinnen und Patienten werden.
Die Pandemie hat die ungenügende Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen schonungslos offengelegt. Ein Symbol für den digitalen Rückstand ist das elektronische Patientendossier (EPD), das bisweilen als PDF-Friedhof bezeichnet wird. Der Nutzen des EPD in der heutigen Form ist gering, da das Dossier nur als Ablage für Dokumente in PDF-Form taugt, nicht aber als digitales Behandlungsdossier. Entsprechend wurden erst einige Tausend Dossiers eröffnet.
Doch nun lanciert der Bundesrat die seit langem geforderte Weiterentwicklung des EPD. Dieses soll gemäss den am Mittwoch präsentierten Plänen künftig den Onlinezugriff auf behandlungsrelevante Informationen ermöglichen. Zwar werden die Daten weiterhin dezentral abgelegt sein, aber Ärztinnen und Ärzte oder Spitäler können diese Daten jederzeit abrufen. Es sollen laut Bundesrat «dynamische Daten» erfasst werden können, etwa Medikationspläne. Werden der Patientin oder dem Patienten andere oder zusätzliche Medikamente verschrieben, ist dies im Dossier vermerkt und sofort ersichtlich. Zudem sollen medizinische Daten für die Forschung zugänglich sein, sofern die Patientinnen und Patienten dem zustimmen.
Schluss mit Freiwilligkeit
Schluss machen will der Bundesrat mit der Freiwilligkeit des EPD, die wesentlich zur geringen Verbreitung beigetragen hat. Ein Grund ist, dass sich sowohl die Ärzteschaft wie auch Patientenvertreter lange gegen eine EPD-Pflicht wehrten. Doch nun sollen alle medizinischen Leistungserbringer zur Führung des elektronischen Dossiers verpflichtet sein, also von der Spitex über die Physiopraxis bis zu den bestehenden Arztpraxen. Bis jetzt müssen erst Spitäler und Pflegeheime sowie neu praktizierende Ärztinnen und Ärzte ein EPD führen.
Aber auch für die Patientinnen und Patienten soll der Besitz eines EPD zur Regel werden, ausser sie lehnen ein solches explizit ab. Dieses Opt-out-Modell zieht der Bundesrat der bisherigen Freiwilligkeit für die Versicherten vor, auch wenn er in der Konsultation das freiwillige Modell ebenfalls vorschlagen wird. Die Pläne des Bundesrats erfordern eine Gesetzesrevision. Das Departement von Gesundheitsminister Alain Berset wird die Vorlage nun im Detail ausarbeiten und dann in die Vernehmlassung geben.
Die Anbieter und die involvierten Kreise begrüssen die Pläne des Bundesrats einhellig, so auch die grösste Betreibergesellschaft Axsana. Diese bietet das EPD unter anderem in den Kantonen Zürich, Bern und Basel an. Axsana hat bisher wegen des umständlichen Anmeldeprozesses auf eine breite Lancierung des EPD verzichtet. Geschäftsführer Samuel Eglin hofft, dass Bundesrat und Parlament nun aufs Tempo drücken, denn der Neustart sei dringlich. Ungelöst ist für Eglin jedoch das Problem der dezentralen Infrastruktur, das der Bundesrat nicht anpacke. Heute gibt es für das EPD vier Provider: Post, Swisscom, AD Swiss und Abilis/Ofac. Dies erschwere die Einführung von neuen Anwendungen beim EPD und verursache unnötige Kosten, sagt Eglin. Er würde eine Zentralisierung bei einem Provider begrüssen.
Auch die Allianz für die digitale Transformation im Gesundheitswesen, der unter anderen die Ärzteverbindung FMH und der Apothekenverband angehören, sieht die meisten ihrer Forderungen erfüllt. Massnahmen, die ohne Gesetzesrevision möglich sind, solle der Bundesrat rasch umsetzen. Dazu gehört die Möglichkeit, dass Versicherte das EPD zu Hause online eröffnen können. Zudem fordert die Allianz eine Abgeltung, sofern den medizinischen Leistungserbringern ein Mehraufwand durch das EPD entsteht.
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