ProbefahrtElektro-SUV als Quell des Lebens
Skoda sieht den neuen Enyaq als «Beginn einer neuen Ära». Und das erste als reines Elektrofahrzeug entwickelte Modell der tschechischen VW-Tochter hat es tatsächlich in sich.
Enya – der Quell des Lebens. Diesem gälischen Wort hat Skoda ein «q» angehängt, wie es alle SUV der tschechischen Marke tragen. Auf Kodiaq, Karoq und Kamiq folgt nun also Enyaq. Der Name ist Programm: Für Skoda soll dieses neue Modell belebend wirken. Denn obwohl die VW-Tochter kerngesund dasteht und in den vergangenen Jahren von einem Verkaufsrekord zum nächsten schwebte, brachen nun wegen der Corona-Krise die Verkäufe im ersten Quartal um 24,3 Prozent auf 232’900 Fahrzeuge ein, der operative Gewinn sackte um 25 Prozent auf 307 Millionen Euro ab. Und natürlich spürt auch Skoda den politischen Druck: Elektroautos müssen her, bald, am besten gleich. Dank Technik aus dem Mutterhaus Volkswagen konnte Skoda diesen Wunsch (oder Befehl) vergleichsweise rasch umsetzen und hat in weniger als vier Jahren Entwicklungszeit einen elektrisch angetriebenen SUV auf die Räder gestellt. Einen, der es in sich hat. «Der Enyaq iV markiert für uns den Beginn einer neuen Ära», betont Skoda-CEO Bernhard Maier denn auch stolz. «Er ist das Aushängeschild unserer E-Mobilität-Offensive.»
Ungewohnte Extravaganz
Dass die erste Probefahrt im noch getarnten Vorserienmodell in Irland stattfand, hängt natürlich mit dem irischen Namen zusammen. Doch das Land passt auch so gut zum neuen Elektro-SUV: Die «Grüne Insel» kann als Symbol für die Elektromobilität herhalten, die so gerne als grüne Antriebstechnik bezeichnet wird. Obwohl die Probefahrt bereits vor dem Corona-Lockdown stattfand, wurde die Berichterstattung aber bis zu dieser unter Embargo gestellt. Wegen VW. Denn der Skoda Enyaq basiert auf dem neuen Modularen E-Antriebs-Baukasten MEB, auf dem der Volkswagen-Konzern bis in neun Jahren 75 (!) neue Elektromodelle aufbauen will. Genauso wie der VW ID.4, ebenfalls ein elektrisch angetriebener SUV. Skoda wurde also zum Warten verdonnert, bis der hauseigene Konkurrent seinen grossen Auftritt Anfang März am Genfer Salon gehabt hätte. Doch daraus wurde nichts: Die Absage der Geneva International Motor Show (GIMS) und der nachfolgende Lockdown schüttelten die Wolfsburger Agenda durcheinander, weshalb die Markteinführung des Enyaq nach hinten verschoben wurde – wenn alles klappt ins erste Quartal 2021.
Dieses Hintergrundgeplänkel tut nicht viel zur Sache, doch aus Sicht von VW ist es nachvollziehbar. Mit dem Enyaq ist Skoda nämlich ein grosser Wurf gelungen, der dem ID.4 gehörig einheizen wird. Zwei Batteriegrössen (62 oder 82 kWh), vier Leistungsstufen (150 bis 225 kW), Heck- oder Allradantrieb, eine WLTP-Reichweite bis 500 Kilometern und eine Ladezeit von 40 Minuten für 80 Prozent des Akkus (mit 125 kW Gleichstrom) – damit deckt der Enyaq ein breites Spektrum von Kundenbedürfnissen ab. Die Preise sind noch nicht bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass Skoda den Enyaq attraktiv positioniert. Und die Tschechen tragen noch dicker auf: Als optisches Highlight ist ein beleuchteter «Kühlergrill» erhältlich, dessen von innen illuminierten Streben böhmischem Kristallglas nachempfunden sind und der beim Aufschliessen des Fahrzeugs eine sehenswerte Lightshow veranstaltet. Eine Extravaganz, die man bisher von Skoda nicht kannte, die dem Enyaq aber gut steht. Sie signalisiert: Hier kommt etwas Neues, etwas Aufregendes.
Digital und nachhaltig
Der 4,65 Meter lange Fünfplätzer bietet auch sonst viele zeitgemässe Features. Ein volldigitales Cockpit ist Standard, genauso der frei stehende, 13 Zoll grosse Bildschirm für das Infotainmentsystem. Optional wird es ein Head-up-Display geben, das mittels Augmented Reality die Abbiegepfeile des Navigationssystems perspektivisch auf die Strasse legt oder die entsprechende Fahrspur hervorheben kann. Geradezu Pflicht für ein modernes Elektroauto ist eine Smartphone-App für die Ladeinfrastruktur: Der «Skoda Powerpass» bietet gemäss Hersteller Zugang zu 80 Prozent aller Ladesäulen in Europa, der Kunde erhält dabei nur eine Sammelrechnung, egal bei welchen Anbietern er lädt. «Wir haben das Skoda-Motto ‹Simply Clever› auf die Elektromobilität übertragen», sagt Entwicklungsvorstand Christian Strube. «Wir wollten maximale Funktion bis ins Detail, verbunden mit Fahrspass und Nachhaltigkeit.» Dazu gehört auch die Verwendung von nachhaltigen Materialien im Innenraum, wie es gerade in Mode ist: Stoffe aus recyceltem PET, Wollfaser oder mit Olivenblättern gegerbtes Leder verpassen dem Enyaq im Innern einen umweltfreundlichen Anstrich.
Zum Fahrverhalten kann noch nicht viel gesagt werden – die Probefahrt im noch nicht fertig entwickelten Vorserien-Prototyp gab lediglich einen kleinen Vorgeschmack. Im Allradland Schweiz werden die 4×4-Varianten mit einem zweiten Elektromotor an der Vorderachse besonders gut ankommen, während die Einstiegsversion mit Heckantrieb vor allem für preissensible Kunden gedacht ist. «Wir sind überzeugt, jetzt ist der richtige Zeitpunkt für ein solches Fahrzeug», sagt Marketing-Vorstand Alain Favey und übergeht damit elegant die Tatsache, dass Skoda erst jetzt, da die Technik aus dem Konzern zur Verfügung steht, überhaupt dazu in der Lage ist.
Dennoch: Im nach wie vor boomenden Segment der kompakten SUV ist der stylische Enyaq gut aufgestellt, zumal derzeit unter den Stromern nur wenig Konkurrenz besteht. Wenn der Enyaq nächstes Jahr in den Handel kommt, wird das Feld dichter sein – dann muss er sich nicht nur mit dem Hyundai Kona, sondern auch mit Modellen wie dem BMW iX3, dem Mazda MX-30, dem Tesla Model Y oder dem VW ID.4 messen. Dann wird sich zeigen, wie belebend sich der Enyaq auf das Geschäft von Skoda auswirkt.
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