«Diktator» Nayib BukeleEr machte seine Sekretärin zur Präsidentin – und weiss das Volk hinter sich
Nayib Bukele hat in El Salvador Zehntausende in den Knast gesteckt und den Bitcoin als Zahlungsmittel eingeführt. Die anstehende Präsidentschaftswahl wird er trotz Misstönen klar gewinnen.

Es war Anfang Dezember, als Nayib Bukele sich beurlauben liess. Sechs Monate Auszeit, vom Parlament gebilligt, denn Bukele ist nicht irgendjemand, sondern Staatsoberhaupt von El Salvador. Nun wird das zentralamerikanische Land von einer Übergangspräsidentin regiert, keine altehrwürdige Politikerin allerdings, sondern eine völlig unbekannte Buchhalterin, die zuvor als Privatsekretärin von Bukele arbeitete. Anderswo hätte das vermutlich zu Aufregung, Ärger und Protesten geführt. Nicht aber in El Salvador.
Zum einen liegt das daran, dass Nayib Bukele beliebt ist. Sehr sogar: In Umfragen hat er meist Zustimmungswerte von über 80 Prozent. Und obendrein sind am Sonntag ohnehin wieder Wahlen in El Salvador. Eigentlich hätte Bukele bei diesen nicht antreten dürfen. Die Verfassung verbietet eine direkte Wiederwahl. Nun aber ist er wegen seiner Beurlaubung streng genommen gar kein Präsident mehr. Einer Kandidatur steht darum nichts mehr im Wege, und die eigentliche Frage ist jetzt nicht mehr, ob Bukele am Sonntag siegt, sondern wie hoch dieser ausfällt.
Die Macht der kriminellen Banden hat er gebrochen
Seit 2019 führt der heute 42-Jährige sein Land, und in dieser Zeit hat es sich massiv verändert. Noch 2015 hatte El Salvador eine der höchsten Mordraten der Welt: 103 Tötungsdelikte pro 100 000 Einwohner. Banden, sogenannte maras, kontrollierten weite Teile des Landes. Hunderttausende flohen vor Massakern, Vergewaltigungen, Zwangsrekrutierung und Schutzgelderpressung.
Immer wieder hatten die unterschiedlichsten Regierungen den Banden den Kampf angesagt. Ohne Erfolg: Zu mächtig waren die Gangs, zu weit reichte ihr Einfluss in Politik und Polizei. Alles was blieb, waren Deals mit den Kriminellen: Inhaftierte Bosse bekamen Hafterleichterungen und Bandenmitglieder freie Hand für ihre Geschäfte. Im Gegenzug senkten sie Gewalt. Passten allerdings die Konditionen nicht mehr, brach der Terror wieder los, solange bis die gerade zuständige Regierung einknickte.
Experten glauben, dass es auch das war, was die Maras vor rund zwei Jahren im Sinn hatten: Mitglieder zogen wild um sich schiessend durch Teile der Hauptstadt. An einem Wochenende kamen fast 90 Menschen ums Leben. Präsident Bukele aber reagierte anders, als die Gangs geplant hatten: Er verhängte den Ausnahmezustand, schickte Polizei und Militär auf die Strassen. Es gab Massenverhaftungen, bald sassen Tausende im Knast.

Der ehemalige Werber verkauft sich gut
Bukele stammt aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie. Er hat kurz als Werber gearbeitet, dann ging er in die Politik, erst als Bürgermeister in einem Vorstadtviertel San Salvadors, dann in der Hauptstadt selbst. Stets steckte er viel Mühe in öffentlichkeitswirksame Massnahmen. Das vorher heruntergekommene Stadtzentrum liess er verschönern, die Strassen mit neuen Lampen ausleuchten. Bukele verkaufte sich gut, vor allem auch im Internet, wo bald Hunderttausende seinen Profilen folgten.
Bei den Präsidentschaftswahlen 2019 gewann Bukele schon in der ersten Runde. Damals war er gerade 37 Jahre alt. In Ungnade gefallene Mitarbeiter entliess er per Social-Media-Post, kritische Journalisten griff er im Netz persönlich an. Bukele führte unter grossem Brimborium die Kryptowährung Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel ein, ein andermal liess er Soldaten im Parlament aufmarschieren, um Druck auf unwillige Abgeordnete zu machen, von ihm geforderte Gelder freizugeben.
Seiner Beliebtheit in der Bevölkerung tat all dies keinen Abbruch. Bei der Parlamentswahl 2021 gewann seine Partei eine absolute Mehrheit. Von da an wurden unliebsame Richter entlassen und kritische Organisationen gegängelt. Menschenrechtsverbände schlugen Alarm und das Auswärtige Amt in Berlin befand: «Präsident Bukele zeigt zunehmend autoritäre Regierungsansätze.» Dieser selbst nahm solche Kritik kaum ernst: «Coolster Diktator der Welt» stand eine Zeit lang unter seinen Social-Media-Profilen.
Am 27. März 2022 verhängte seine Regierung dann als Reaktion auf die ausufernde Bandengewalt auch noch den Ausnahmezustand. Mehr als 70’000 Menschen wurden seitdem vermutlich verhaftet. Vermutlich zwei Prozent der männlichen Bevölkerung sitzen in El Salvador heute hinter Gittern, oftmals unschuldig, sagen Menschenrechtsverbände, dazu noch ohne Kontakt zu Anwälten oder auch nur Angehörigen.

Die Regierung feiert die Festnahmen dennoch als grossen Erfolg. Sie spricht von inhaftierten «Terroristen» und sagt, die Mordrate sei auf einem historischen Tiefstand: 2023 soll es im ganzen Land nur 194 Tötungsdelikte gegeben haben. Experten zweifeln diese Zahlen an, Präsident Bukele aber behauptet, El Salvador beende das «sicherste Jahr in seiner Geschichte».
Sein Erfolg im Kampf gegen die Banden hat das junge Staatsoberhaupt jedenfalls extrem beliebt gemacht, sogar weit über sein Land hinaus. In Costa Rica, Argentinien, Chile, Ecuador und vielen anderen Staaten Lateinamerikas versprechen Politiker, die Massnahmen Bukeles zu kopieren. Und in seiner Heimat selbst kommen bei den Umfragen vor den Wahlen alle Oppositionskandidaten zusammen auf kaum mehr als zehn Prozent. Die Wiederwahl Bukeles mag also eigentlich gegen die Verfassung verstossen. An seinem Sieg am Sonntag besteht allerdings kein Zweifel.

Fehler gefunden?Jetzt melden.