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Eishockey-Star Damien Brunner
Ultras stürmten die Garderobe – und er trank mit ihnen Bier

Damien Brunner trägt ein Lächeln und eine Kappe in Bern am 30.01.2025. Foto von Raphael Moser / Tamedia AG.
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In Kürze:
  • Damien Brunner musste seine Karriere aufgrund gesundheitlicher Probleme beenden.
  • Er leidet an einer chronischen Darmkrankheit, die seinem Körper viel abverlangt hat.
  • In Erinnerung bliebt Brunner als spektakulärer Stürmer und Goalgetter.
  • Dabei war seine Karriere fast vorbei, ehe sie richtig begonnen hatte.

Damien Brunner liess niemanden kalt. Wenn er in Bern zu einem Penalty anlief, pfiffen ihn 16’000 aus. Und Brunner ging das Herz erst so richtig auf. «Die Fankultur in der Schweiz ist einzigartig. Ich habe es immer geliebt, wenn etwas vom Publikum kommt. So hast du die Chance, dagegenzuhalten», sagt der Mann, der in der National League 269 Tore in 766 Spielen geschossen hat.

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Damit ist es vorbei. Im Herbst rissen Brust-, Hamstring-, Adduktoren-, und Oberschenkelmuskel innerhalb weniger Wochen. Deutlicher hätten die Signale seines Körpers nicht sein können. Obwohl sein Vertrag beim EHC Biel noch bis Ende Saison läuft, verkündete Brunner im Januar den Rücktritt.

Nun steht anderes im Vordergrund: Im Sommer erwarten er und Frau Nina ihre erste Tochter. Und falls die Olympia-Bronze-Gewinnerin von Paris nach der Babypause wieder als Beachvolleyball-Profi um die Welt tourt, wird er ihr als Vollzeit-Papa den Rücken stärken. «Dass nun eine Aufgabe auf mich zukommt, mich ganz andere Gedanken umtreiben, das gibt mir eine extreme Sicherheit», sagt Brunner.

Der steinige Werdegang von Damien Brunner

Auch wenn Brunner für das Künstlerische steht – sein Werdegang ist nicht der eines klassischen Talents, dem alles leichtfällt. Mit 16 misst er 1,53 Meter, die Ärzte beruhigen ihn, er sei eben ein Spätzünder, drei bis vier Jahre zurück in der Entwicklung. Doch in jenem Alter ist das ein schwacher Trost. «Wenn du gegen Gleichaltrige spielst, die viel grösser sind, kannst du läuferisch und technisch noch so gut sein, dann bist du einfach weg», sagt er. Ein paar Mal ist der Klotener drauf und dran, den Bettel hinzuschmeissen. Die Mutter, die unzählige Kilometer zurücklegt und ihn stets vom Training abholt, muss ihn jeweils aufbauen. «Ohne sie hätte ich wohl nicht weitergespielt», sagt er.

Und Brunner hat Glück, im Nachwuchs von Kloten auf Trainer zu treffen, die an ihn glauben und ihn auch herausfordern, so wie Felix Hollenstein. Als Brunner zu den Elite-Junioren stösst, sagt die Kloten-Legende zu ihm: «Dein Schuss tut niemandem weh.» Es ist ein Satz, der haften bleibt. Obwohl er für ein Jahr gar ins Elite-B-Team von Winterthur gehen muss, steht Brunner jeden Morgen in Kloten auf dem Eis und absolviert unzählige Schussübungen – gemeinsam mit Hollenstein. «Schaue ich mir ein Highlight-Video von meinen Toren an, muss ich festhalten, dass ‹Fige› die richtigen Knöpfe gedrückt hat», sagt Brunner.

Brunners spezielle Förderer

Spricht Brunner über seine Förderer, fällt eher früher als später der Name Doug Shedden. Im Oktober 2008 wechselt Brunner im Tausch für Thomas Walser nach Zug. Es ist der wohl einseitigste Deal in der Geschichte des Schweizer Eishockeys: Brunner wird fünf Jahre später in der NHL für Furore sorgen, da hat Walser die Karriere in der NLB schon beendet. Das liegt nicht zuletzt an Shedden, diesem kanadischen Trainer-Feuerkopf. In den ersten 10 Spielen macht Brunner beim EVZ an der Seite von Patrick Fischer und Paul DiPietro elf Punkte. Dann nimmt ihn Shedden zur Seite und fragt: «Bist du happy?» Als Brunner bejaht, entgegnet der Coach: «Das reicht nicht. Ich erwarte von dir 30 Tore, daran werde ich dich messen.» Wenige Monate zuvor wurde Brunner von Kloten gar in die NLB zu Thurgau geschickt. Dass ein Trainer so mit ihm spricht, löst etwas aus. «Für mich ging die Sonne auf, ich kann ihm dafür nicht genug danken.»

Damien Brunner vom EV Zug springt in einem Eishockeyspiel gegen die ZSC Lions am 22. März 2012 über die Bande, beobachtet von Kollegen und dem Trainer Doug Shedden.

Und Brunner liefert. 2012 wird er Ligatopskorer – als erster Schweizer seit 1982 und Guido Lindemann. Ein paar Monate später schiesst er während des NHL-Lockouts an der Seite von Superstar Henrik Zetterberg für den EVZ Tor um Tor. Als die beiden im Frühjahr 2013 nach Beendigung des Spielerstreiks nach Detroit gehen, setzt er seinen Lauf fort. Es sind spezielle Zeiten. In 115 Tagen absolviert Brunner 58 Spiele. Doch dann begeht er einen Fehler, in dem er die Offerte zur Vertragsverlängerung ausschlägt. «Du wirst gefeiert, fliegst relativ nah an der Sonne. Und ich war nach dieser Saison wirklich kaputt, hatte den Kopf nicht beieinander, um so eine wichtige Entscheidung zu treffen», hält er fest.

In einem Trainingscamp erspielt er sich zwar einen Vertrag bei New Jersey, doch glücklich wird er dort nicht. Es folgt der Wechsel zu Lugano, die Erwartungen an ihn sind himmelhoch, nicht immer kann er sie erfüllen. Als er sich im Frühjahr 2018 schwer verletzt – Innen- und Syndesmoseband sind gerissen, der Meniskus kaputt –, steht seine Karriere am Scheideweg.

Sein Bruder Adrian, der einst unter Antti Törmänen in Bern gespielt hatte, rät ihm, Kontakt zum damaligen Coach des EHC Biel aufzunehmen. Brunner sagt: «Wir sprachen am Telefon gar nicht gross über Eishockey, es ging nur darum, wie Antti mit Menschen umgeht. Nach diesem Anruf wusste ich: Ich gehe nach Biel.»

Damien Brunner vom EHC Biel jubelt vor den Fans nach einem Spiel im Eishockey National League Playoff-Finale gegen Genf Servette HC am 16. April 2023 in Biel.

Törmänen sei der Hauptgrund gewesen, dass er sich nach einer schwierigen Zeit nochmals habe entfalten können. «Ich war mental teilweise nicht auf der Höhe gewesen, um das zu bringen, was man von mir verlangte. Aber Antti trieb mich an und unterstützte mich. Das war ein befreiendes Gefühl.» Auch deshalb ist er mit sich im Reinen, obwohl er mit Biel 2023 zum dritten Mal einen Final verliert.

Der geschundene Körper

Sein Körper stellt Brunner immer wieder vor Herausforderungen. Mit Mitte 20 wird bei ihm Colitis ulcerosa diagnostiziert. Die chronische Darmerkrankung tritt in Schüben auf, Symptome sind unter anderem starker Durchfall, Bauchschmerzen und dadurch eine zunehmende Abgeschlagenheit. «In so einer Phase kannst du keine Nahrung mehr bei dir behalten. So kannst du vielleicht spielen, aber die Erholungsphase zwischen den Partien kommt zu kurz», sagt Brunner.

Er ist überzeugt, dass die vielen Verletzungen auch im Zusammenhang mit seiner Erkrankung stehen. Weil die Muskeln nicht genug Nährstoffe erhalten haben – aber auch, weil er sich nie schonte. «In einer Phase, in der ich nicht ganz fit war, ab und zu ein Spiel weniger zu machen, hätte wohl eine schwerere Verletzung verhindern können.» Nur lässt er die Trainer kaum je wissen, wie es ihm geht. «Ich habe einfach gespielt. Aber der Körper war so schlapp, dass er gar nicht performen konnte», sagt Brunner.

Die besonderen Erlebnisse

Gleichwohl blickt er lieber auf die vielen schönen Momente zurück. Etwa an seine Erlebnisse mit Pavel Datsyuk in Detroit, «der Beste, mit dem ich je zusammen gespielt habe». Der Russe kümmert sich gerade auf langen Roadtrips um ihn und lädt Brunner nach der Saison zu sich nach Hause ein. Derweil Datsyuks Frau kocht, holt dieser ein Tor und einen Fussball, damit sie sich die Zeit vertreiben können. «Während einer Stunde spielten wir eins gegen eins, wie die Wahnsinnigen. Und er spielt technisch so gut Fussball wie Eishockey», sagt Brunner lachend.

Apropos Wahnsinn: Ein ganz besonderes Erlebnis verbindet ihn mit Lugano. Im Oktober 2015 stürmen vor einem Derby gegen Ambri – es geht um den letzten Tabellenplatz – 20 Ultras die Garderobe und wollen Sportchef Roland Habisreutinger an den Kragen. Um die Gemüter zu beruhigen, schlägt der verletzte Brunner vor, am Abend das Spiel in der Curva Nord zu verfolgen. Gesagt, getan – gemeinsam mit Julian Walker erlebt er dann das Derby inmitten der Fans und mit ordentlich Bier. «Wir konnten nach dem Spiel kaum mehr laufen. Aber wir gewannen, und ich bin sehr dankbar, durfte ich ein Spiel einmal so erleben», sagt er.

Jubelnde Fans hinter einem Netz bei einem Sportereignis, drei Personen im Vordergrund.

Als die Luganesi ein paar Monate später im Playoff-Final auf den SCB treffen, ist Brunner wieder fit. Noch heute bekommt er Hühnerhaut, wenn er an diese Serie denkt. Schon im Warm-up ist die Resega proppenvoll. Die Fans singen so laut, dass Team-DJ Walker die Musik in der Garderobe abstellt, damit die Spieler mitlauschen können. Wenn es ein Spiel geben würde, das er nochmals spielen könnte, er würde diese erste Finalpartie wählen, hält Brunner fest. «Nicht, um den Ausgang zu ändern, sondern einfach, um diese Euphorie, diese Stimmung nochmals aufzusaugen.»