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Spektakel ohne Zuschauer
Einsam im Keller

Vor dem berühmten Hotel Bellagio in Las Vegas hätte am Donnerstag der Draft der National Football League beginnen sollen. Nun findet er ohne Publikum nur im Stream statt.
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Geplant war es als Spektakel, natürlich, der Sport muss sich ja jedes Jahr übertreffen. Aber der Plan der National Football League (NFL), ihren alljährlichen Draft in Las Vegas abzuhalten, war tatsächlich unerreicht. Die Bühne hätte im gigantischen Brunnen des Hotels Bellagio aufgebaut werden sollen, hinter ihr die weltberühmten Fountains, und die der Reihe nach gezogenen Spieler wären im Boot auf die Bühne geschippert worden.

Doch in diesem Frühling diktiert nicht die NFL, wie die Show läuft, sondern Corona, und so steht im Bellagio-Brunnen keinen Bühne. Es hat in Las Vegas auch keine Fans, noch nicht mal Touristen: Die Casinos in Sin City bleiben mindestens bis Mai geschlossen. Vielmehr wird NFL-Commissioner Roger Goodell nun aus dem Keller seines Hauses durch die erste Runde des Draft vom Donnerstagabend führen.

Diese virtuelle Premiere mag auf den ersten Blick trist sein, für ihn persönlich hat es einen Vorteil: Goodell wird bei sich zuhause kaum ausgepfiffen werden. Überall sonst sind Pfiffe gegen den bei den Fans unbeliebten Ligachef zum Volkssport geworden.

Roger Goodell und Kyler Murray, letztes Jahr der höchste Draftpick der NFL: Der Ligachef wird regelmässig ausgepfiffen.

Trotzdem stehen Goodell und die NFL noch gut da, im Vergleich mit den anderen Profiligen in Nordamerika jedenfalls. Die NBA und NHL wurden Mitte März und damit wenige Wochen vor dem Beginn des Playoffs unterbrochen, die Fortführung beider Saisons ist ungewiss. Derweil die Baseballer der MLB gar nicht und die Fussballer der MLS nur für ein paar Wochen in ihr neues Jahr starten durften.

US-Präsident Donald Trump hat in einem Konferenztelefonat mit den grossen Ligen Anfang April zwar den Wunsch geäussert, dass der Spielbetrieb allerorten bald wieder aufgenommen wurde. Basketball-Commissioner Adam Silver sagt aber: «Das ist nichts, dass in den Büros der NBA oder NHL entschieden wird. Sprich: Das ist keine Frage des Datums, es ist eine Frage der Zahlen.» In den USA nehmen sowohl die Erkrankungen als auch die Todesfälle weiterhin rasant zu. Mehr als 800’000 haben sich mit Covid 19 infiziert, über 40’000 sind daran gestorben.

Doch Trump will so schnell wie möglich zurück zur Normalität, auch im Sport. Gerade ein Ausfall der beiden publikumsträchtigsten Ligen des Landes, Profi- und College-Football, mag sich derzeit keiner so recht vorstellen. Es ist für Trump so etwas wie ein Albtraumszenario: Wenn Ausnahmezustand und Chaos bis zum Saisonstart Anfang September anhalten – wird sich das nicht ganz bestimmt auch auf die Präsidentschaftswahl und damit die Chancen auf die Wiederwahl auswirken?

72 Prozent wollen abwarten

Die Antwort könnten auch in den USA Geisterspiele sein. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsinstituts Seton Hall sagen 72 Prozent der Teilnehmer, sie würden erst wieder an Sportveranstaltungen teilnehmen, wenn ein Impfstoff gegen Corona gefunden sei. 76 Prozent sind allerdings bereit, sich am TV auch für Partien ohne Publikum zu begeistern.

Die NHL und die NBA bereiten sich nun auf eben dieses Szenario vor. «Natürlich wird das aus mentaler Sicht schwierig sein», ist Bill Guerin bewusst, dem General Manager des Hockeyteams Minnesota Wild. «Aber es ist, wie es ist.» Die MLB wiederum warnt ihre Spieler bereits vor, dass sie im Falle von Partien ohne Zuschauern (allenfalls auch im Exil in Kleinstadien) zu Gehaltseinbussen bereit sein müssen. Die Gewerkschaft hat erbitterten Widerstand dagegen angekündigt.

Auch die NFL beschäftigt sich längst mit dem Szenario von Spielen vor leeren Rängen, und sie scheint sich die Massnahme leisten zu können: Im Profifootball werden nur 15 Prozent des Umsatzes über die Tickets generiert, der Rest kommt von den TV-Anstalten. Zum Vergleich: Im Collegefootball machen die Zuschauereinnahmen 85 Prozent aus.

107’000 Menschen haben Platz im Michigan Stadium, der Heimstätte des Schulteams der Michigan Universität. 85 Prozent der Einnahmen im College Football kommen von den Zuschauern.