Kommentar zur reformierten KircheEine Präsidentin mit Sprengkraft
Die Wahl von Rita Famos an die Spitze der evangelischen Kirche provoziert die anderen Konfessionen.
Die Zürcher Pfarrerin Rita Famos hat mit 47:25 Stimmen ihre welsche Konkurrentin Isabelle Graesslé ausgestochen. Einmal mehr überflügelt bei den Reformierten die Deutschschweiz die Romandie. Graesslé wäre eine valable Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) gewesen. Und doch ist Rita Famos, aktuell Leiterin Spezialseelsorge in der Zürcher Landeskirche, die Richtige, um die EKS aus der Krise zu führen und neu zu positionieren. Mit 54 Jahren ist sie jung und zugleich routiniert genug, länger an der Spitze zu bleiben. Die schweizweit vernetzte Pfarrerin hat breite Erfahrung in der Seelsorge, in Personalführung und in der Exekutive. Ihre Theologie ist eher konventionell, aber solide und im Alltag geerdet. Obwohl keine Feministin des linken Spektrums, engagiert sie sich dezidiert für die Gleichberechtigung.
Famos ist alles andere als eine Alibi-Frau. Allerdings war die Zeit reif für eine Frau an der Spitze der reformierten Kirche – hundert Jahre nach Einführung der Frauenordination. Die Wahl der ersten Frau ins höchste Amt einer nationalen Kirche in diesem Land ist von grosser symbolischer Sprengkraft. Sie unterläuft die kirchliche Tradition, dass nur Männer geistliche Leitungs- und Definitionsgewalt ausüben können – angeblich, weil Jesus ein Mann war und nur seinesgleichen zu Aposteln berufen hatte.
Die bis heute dominierende männliche Exekutivmacht in Kirchen und Religionen ist schlicht frauendiskriminierend und nicht gesellschaftskonform.
Die bis heute dominierende männliche Exekutivmacht in Kirchen und Religionen ist schlicht frauendiskriminierend und nicht gesellschaftskonform. Darum provoziert die Frauenwahl besonders die orthodoxen Ostkirchen, die den Feminismus für Teufelszeug halten, und natürlich die römische Schwesterkirche mit ihrem rein männlichen Klerus. Wie verheerend sich deren antiquiertes Frauenbild noch immer auswirkt, demonstriert gerade die polnische Kirche, die dem Verfassungsgericht ein faktisches Abtreibungsverbot diktiert hat.
Die Wahl von Rita Famos wird aber auch in die eigene reformierte Konfession hinein heilend wirken. Ironischerweise hat Vorgänger Gottfried Locher gerade durch sein Frauenbild Famos das Terrain bereitet. Mutmassliche Grenzverletzungen gegenüber Frauen liessen ihn aus dem Amt scheiden.
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