Meinung zu Joe Biden und Papst FranziskusEine neue Allianz zwischen Washington und Rom
Der Katholik Joe Biden und der Anti-Trump Papst Franziskus wollen bei Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit zusammenspannen. Der Konflikt um die Abtreibung dürfte sie nicht daran hindern.
Für manche Katholiken bricht eine neue Ära an: «Papst Franziskus und Joe Biden werden ihre politische und religiöse Macht zu einer gemeinsamen Vision und Mission vereinen», so der US-Publizist Andy Roman. Als Franziskus Biden am Telefon zur Wahl gratulierte, bot dieser dem Papst an, in Sachen Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Integration von Flüchtlingen mit ihm zusammenzuarbeiten.
Biden, nach Kennedy der zweite Katholik im Weissen Haus, ist von Franziskus geradezu begeistert. Er verkörpere die Prinzipien der katholischen Soziallehre, mit der er gross geworden sei: Menschenwürde, Gerechtigkeit, Liebe zu den Armen. Auch dessen Umweltenzyklika «Laudato si’» will Biden zur Richtschnur nehmen. Als Vizepräsident hat der Demokrat den Jesuiten auf dem Papstthron mehrfach getroffen. Und einen Jesuiten, den Ex-Präsidenten der Georgetown-Universität Leo O’Donovan, betraut er jetzt damit, bei seiner Amtseinführung die Invokation, die Anrufung Gottes, zu sprechen.
Der Papst als Anti-Trump
Auch Franziskus liegt viel an einer Entspannung zwischen Rom und Washington. Vorgänger Trump war gegen alles, was ihm heilig ist: Schutz des Klimas, der Armen und Marginalisierten. Als Trump ankündigte, eine Mauer zu Mexiko aufzurichten, schimpfte der Papst, es könne nicht Christ sein, wer Mauern statt Brücken baue. Papst-Biograf Austen Ivereigh bezeichnete Trump und Bergoglio 2017 in der «New York Times» als «der Welt berühmteste Populisten», die freilich miteinander in Konflikt stünden. Ja, der Papst sei der Fahnenträger des weltweiten Widerstands gegen Trump, der Anti-Trump eben.
Franziskus missfällt auch Trumps zur Schau gestellter Glauben. Biden lebt diesen zurückhaltender, aber glaubwürdig. Seit dem Tod seines Sohns Beau 2015 trägt er dessen Rosenkranz auf sich. Er pflegt am Sonntag zur Messe zu gehen und bekennt, dass der Glaube seine Politik beeinflusse.
Die katholischen Bischöfe trauen Joe Biden nicht, weil er das Nein der Kirche zu Abtreibung, Ehe für alle und «Gender-Ideologie» politisch nicht umsetzen mag.
Und doch hat er im christlichen Lager weniger gepunktet als der Opportunist Trump. Nur jeder zweite US-Katholik hat ihm die Stimme gegeben. Die Bischöfe trauen dem liberalen Katholiken nicht, weil er das Nein der Kirche zu Abtreibung, Ehe für alle und «Gender-Ideologie» politisch nicht umsetzen mag. Als gläubiger Mensch sei er persönlich gegen Abtreibung, so Biden, wolle aber niemandem die katholische Doktrin gesetzlich aufzwingen und ihn kriminalisieren.
Das hat unter den führenden US-Klerikern eine befremdliche Kontroverse entfacht, ob man Präsident Biden die heilige Kommunion geben dürfe. Kein Problem damit hat der neue Erzbischof von Washington, Wilton Gregory, den Franziskus gerade zum ersten schwarzen Kardinal der US-Geschichte gekürt hat. Nein, findet demgegenüber Alt-Erzbischof von Philadelphia Charles Chaput: Biden stehe nicht in voller Gemeinschaft mit der Kirche. Die Vorbehalte teilt der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof José Comez. Zur Klärung des Konflikts hat er jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt.
Doch der Präsident und der Papst werden sich kaum durch die Divergenzen bei den Lebensrechtsfragen auseinanderdividieren lassen. Gemeinsam werden sie Fragen der Gerechtigkeit und des Klimas in den Vordergrund stellen.
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