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Schub für Digitalisierung
Eine Gesundheitsnummer fürs Leben

Ein Kinderarzt des medizinischen Kinderzentrums Lindenpark notiert mittels Laptop die Resultate der Untersuchung ins elektronische Patientendossier.
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Eine Gesundheitsnummer soll künftig in der Schweiz alle durchs Leben begleiten. Beim Patientenidentifikator (PID) handelt es sich um eine persönliche Nummer, mit der medizinische Daten jederzeit und überall digital abrufbar sind. Der Autor des Digitalisierungskonzepts, dem der Nationalrat am Ende der Frühjahrssession oppositionslos zugestimmt hat, ist Andri Silberschmidt (FDP). Er hofft, dass es mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens in der Schweiz nun vorwärtsgeht. Das elektronische Patientendossier (EPD), das erst wenige Tausend Versicherte eröffnet haben, tauge in seiner aktuellen Form dazu nicht.

Für ein digitalisiertes Gesundheitssystem müssten die behandlungsrelevanten Daten jederzeit online abrufbar sein. Der Patientenidentifikator soll dies künftig ermöglichen. Datenschutzbedenken hält Silberschmidt für unbegründet. Wer welche Gesundheitsdaten einsehen und auswerten könne, bestimmten weiterhin die Patientinnen und Patienten. Bewusst wird auch nicht die AHV-Nummer als Identifikator verwendet, die heute als Krankenversicherungsnummer dient. Zu gross wäre die Gefahr, dass bei der wissenschaftlichen Auswertung von Daten die Anonymität nicht gewährleistet wäre.

Pandemie zeigte Rückstand der Schweiz

Der Bundesrat begrüsst die beiden Digitalisierungsvorstösse von Silberschmidt ausdrücklich. «Auch der Bundesrat hat offenbar erkannt, dass es einen Digitalisierungsschub im Gesundheitswesen braucht», sagt der Zürcher FDP-Nationalrat. Die Pandemie habe in den letzten zwei Jahren den Rückstand der Schweiz schonungslos offengelegt. Als grosser Mangel zeigte sich die mangelnde Vernetzung der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen. Und das Fehlen von anonymisierten und detaillierten Patientendaten hat sich in der Pandemie als Hindernis erwiesen, um etwa die Entwicklungen der Spitaleinweisungen zu prognostizieren. Der Patientenidentifikator ermöglicht die systematische anonyme Auswertung von Patientendaten etwa zu Forschungszwecken. Heute ist es beispielsweise nicht möglich, nach einem positiven Corona-Test systematisch zu eruieren, ob die Betreffenden geimpft sind, und daraus Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Impfung zu gewinnen. Denn die Datenbanken sind nicht miteinander verknüpft.

Als eines der digitalen Vorbilder gilt Dänemark, wo das elektronische Patientendossier bereits vor 20 Jahren lanciert wurde. In der Schweiz kam das EPD bisher nicht vom Fleck. Denn in der heutigen Form ist es vor allem eine Ablage von PDF-Dokumenten und keine strukturierte Patientengeschichte. Der zweite Teil von Silberschmidts Konzept besteht deshalb aus der Einführung einer «digitalen Patientenadministration». Dabei geht es nicht nur um digitales Abrechnen zwischen Kassen und Arztpraxen, Spitälern oder Apotheken, sondern um den Austausch von behandlungsrelevanten Informationen. Ziel sei es, sämtliche medizinische Leistungserbringer miteinander zu vernetzen, sagt Silberschmidt.

Die Patienten könnten künftig beim Arztbesuch oder bei einer Einlieferung ins Spital den Zugang zu ihren Gesundheitsdaten mit einem elektronischen Schlüssel freigeben. Informationen über Vorerkrankungen, frühere Untersuchungen oder Medikationspläne sollen sofort vorliegen. Wo die medizinischen Daten gespeichert werden, lässt Silberschmidt offen. Sie könnten wie heute dezentral gesichert werden, möglich wäre aber auch eine Cloud-Lösung, die beispielsweise vom Bundesamt für Informatik angeboten würde, so Silberschmidt. Mit einer staatlichen Stelle zur Datenspeicherung dürften die weitverbreiteten Bedenken zur Datensicherheit wohl geringer sein als bei einer privaten Lösung.

Mit dem elektronischen Patientendossier sollte ursprünglich die digitale Krankengeschichte realisiert werden. Seit der Lancierung im Dezember 2020 haben in der Schweiz aber erst einige Tausend Versicherte eines eröffnet. Die Gründe liegen in den Hürden zur Eröffnung eines EPD, aber auch im begrenzten Nutzen. Die Gesundheitskommission des Nationalrates hat deshalb im Februar fast einstimmig eine Motion verabschiedet, die vom Bundesrat ein praxistaugliches Dossier fordert. Die Kommission erwartet im April Vorschläge von Gesundheitsminister Alain Berset für einen Neustart des EPD. In den kommenden Monaten ist zudem eine nationale Kampagne zur breiten Lancierung des Dossiers geplant. Zudem soll bis Ende Jahr in rund 400 Apotheken in der ganzen Schweiz die Eröffnung eines EPD möglich sein. 

Silberschmidt bleibt skeptisch gegenüber dem elektronischen Patientendossier. Die meisten potenziellen Anbieter des EPD seien noch nicht einmal zertifiziert und könnten darum den Spitälern, die zur Führung der Dossiers verpflichtet sind, diese nicht liefern. Dennoch soll das Patientendossier nicht überflüssig werden. Silberschmidt verlangt in seiner Motion ausdrücklich eine Verknüpfung der digitalen Patientenadministration mit dem EPD. Dieses würde dann mit Informationen aus der Patientenadministration angereichert und aufgewertet.

Bei der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) rennt Silberschmidt mit einigen seiner Anliegen offene Türen ein. «Wir hoffen vor allem, dass das EPD so weiterentwickelt wird, dass ein digitaler Austausch behandlungsrelevanter Daten möglich wird», sagt FMH-Vorstandsmitglied Alexander Zimmer, zuständig für die Digitalisierung. Entscheidend ist für die FMH, dass für die Patienten ein Mehrwert entsteht und die Datenerfassung und Vernetzung mit den bestehenden Informatiklösungen ohne Zusatzaufwand für die Ärztinnen und Ärzte möglich ist. Auch Silberschmidt verlangt vom Bundesrat eine Lösung, bei der einheitliche standardisierte und offene Datenformate verwendet werden.