Ukraine-Blog: Fotos, Fakes und FragenEine 21-Jährige dokumentiert den Kriegsalltag – auf Tiktok
Bunker, Flucht, Neuanfang: Eine junge Ukrainerin dokumentiert ihr Leben als Geflüchtete im Krieg auf Social Media. Damit erreicht sie Millionen von Menschen – und setzt sich harter Kritik aus.
Als im Februar die ersten Bomben in der Ukraine fielen, postete sie Videos aus ihrem Versteck im Bunker. Später dokumentierte sie ihre Flucht nach Europa in kurzen Clips. Und jetzt zeigt sie ihr Leben als Geflüchtete in England: Die 21-jährige Valeria Shashenok berichtet auf Tiktok seit der russischen Invasion über ihr Leben als Ukrainerin im Krieg. In den vielen Beiträgen lässt sie ihre Follower an ihren Freuden, Ängsten und Hoffnungen teilhaben. Ihr Account macht deutlich, wie sich ihre Realität und die vieler anderer Zivilisten und Zivilistinnen seit Ausbruch des Krieges verändert hat.
«Ich sitze im Luftschutzkeller und hörte gerade eine Bombe auf das Nachbarhaus fallen, während die Russen denken, dass Putin der beste Präsident der Welt sei», schrieb sie zu einem Video, das sie drei Tage nach Beginn der russischen Invasion veröffentlichte. Wenige Tage später zeigte sie in einem weiteren Clip, wie sie ohne Elektrizität im Bunker lebt: Kaffee wird mit einem Bunsenbrenner gekocht, Licht gibt es im Keller nur dank Kerzen und Taschenlampen. «Ich sitze bereits seit fünf Tagen hier unten und habe langsam keine Lust mehr», so Valeria am 2. März 2022.
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Wenige Tage später verliess die 21-Jährige zum ersten Mal den Bunker – und begutachtete die Zerstörung, die russische Raketen in ihrer Stadt Tschernihiw angerichtet hatten. «Putin sagte, er werde keine Zivilisten töten, aber das ist eine Lüge!», schrieb sie zu dem Video, das zeigt, wie sie einen Wohnblock begutachtet, der von Attacken zerstört wurde. 40 Personen seien bei dem Anschlag ums Leben gekommen.
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Mitte März 2022 beschloss sie schliesslich, allein aus der Ukraine zu fliehen – die Eltern blieben im Bunker zurück. Mit einem Zug reiste sie von Kiew über Lwiw nach Polen. Auch diese Reise dokumentierte sie fotografisch und postete ein Video davon auf Tiktok. «Das war der schlimmste Trip meines ganzen Lebens. Danke Putin!», kommentierte sie den Clip.
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Danach flüchtete sie über Deutschland nach Italien, wo sie Ende März 2022 von einer Familie aufgenommen wurde. Sie veröffentlichte mehrere Videos, die davon handeln, «wie ukrainische Geflüchtete in Italien leben». Kaffee trinken, auf Märkten einkaufen, die Sonne geniessen. «Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich einmal wegen eines Krieges in der Ukraine mit einer italienischen Familie leben werde, hätte ich es niemals geglaubt», so die 21-Jährige.
Sonne, Meer, Pasta: In vielen der Aufnahmen wirkt es, als geniesse Valeria Ferien in Italien. Doch die Ukrainerin macht deutlich, wie gegensätzlich ihr Leben in Italien und ihr Leben in der Ukraine sind – und wie sehr sie damit zu kämpfen hat. «Du machst Kaffee in Italien während des Krieges und musst immer an deine Familie im Bunker denken», kommentiert sie ein Video. Inzwischen lebt Valeria in England, wo sie kürzlich ein eigenes Apartment gefunden hat.
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Auf eine satirische Art zeigt sie, wie der Krieg die Realität von vielen Ukrainern und Ukrainerinnen verändert hat. «Das Leben im Bunker ist definitiv viel besser als in einer Wohnung», schreibt sie ironisch zu einem Video, das davon handelt, was gemäss Putins Ideen «mit der Ukraine zu tun ist». «Wieso braucht es Wände in Wohnungen? Es ist doch schön, auf der Strasse zu leben», postet sie in dem Clip und zeigt dazu einen Wohnblock, bei dem man von der Strasse ins Schlafzimmer blicken kann, weil die Fassade bei einem Angriff zerstört wurde. In einem weiteren Video beschreibt sie, wie sie sich auf den Weg nach Moskau mache, «um Putin ins Gesicht zu schlagen».
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Valeria kombiniert die Schrecken des Krieges mit Humor, hinterlegt Videos von ihrem tragischen Leben mit fröhlichen Pop-Songs: Das scheint auf Tiktok anzukommen. Innerhalb kurzer Zeit sammelte die Ukrainerin zahlreiche Abonnenten, ihre Videos erhalten teilweise bis zu 15 Millionen Aufrufe, ihre Clips werden oft über 100’000-mal gelikt, und inzwischen folgen ihr 1,3 Millionen Menschen. In den Kommentarspalten von Valerias Videos diskutieren ihre Follower oft über den Krieg sowie auch Valerias Leben. Zahlreiche Personen bekunden ihre Verbundenheit mit der Ukraine und sorgen sich um Valerias Wohlergehen und das ihrer Familie.
Neben den vielen zustimmenden Nachrichten erhält die Tiktokerin aber immer wieder auch kritische Kommentare: «Ist Krieg jetzt ein Tiktok-Trend?», fragt ein User auf einem ihrer Videos. Einige können nicht verstehen, wie man Witze in einer solchen Situation machen kann. So schreibt ein weiterer User: «Die Eltern stecken im Kriegsgebiet fest, und die Tochter tänzelt herum wie eine Berühmtheit.»
Angesprochen auf die Kritik, sagt Valeria in einem Interview mit dem «Spiegel», dass sie keine Angst habe vor Verurteilung. Humor sei der einfachste Weg, um den Leuten zu vermitteln, was los sei. Die kritischen Kommentare kann sie nicht nachvollziehen: «Wollen diese Leute, dass ich weiterhin in einem Bunker sitze oder dass mich jemand umbringt? Warum sollte ich Angst davor haben, was die Leute denken? Ich bin mit mir selbst im Reinen.»
Zahlreiche Einladungen
Durch ihre Bekanntheit sprach sie schon an verschiedenen politischen Foren, gab Interviews mit bekannten Medien in ganz Europa, veröffentlichte ein Buch über ihr Leben im Krieg und wurde auch schon nach Strassburg ins Europäische Parlament eingeladen, wo sie die ukrainische First Lady Olena Selenska und EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen traf. «Da ich Tiktoks über das Leben in einem Luftschutzkeller gedreht habe und immer wieder über die schreckliche Situation in der Ukraine spreche, habe ich die Möglichkeit, alles zu fragen, was die ganze Ukraine beunruhigt», schreibt sie danach auf Instagram. «Egal, wer du bist oder woher du kommst, deine Sicht auf die Welt und dein Recht zu wählen können alles verändern.»
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